piwik no script img

Before MidnightSchicksalsfragen auf dem Peloponnes

Die dritte „Before“-Runde: Richard Linklater schickt in „Before Midnight“ Julie Delpy und Ethan Hawke ins ruinöse Griechenland.

Ethan Hawke und July Delpy mäandern durch Griechenland. Bild: Despina Spyrou/Berlinale

Am Ende von „Before Sunset“ wurde ein Flug verpasst, zu Beginn von „Before Midnight“ wird einer erreicht: Dazwischen liegen nicht nur genau neun Jahre und ein Tag – zumindest, wenn man mit den beiden Berlinale-Premieren rechnet –, sondern auch jene Zeit, in der fragile Liebesversprechungen an einem lauen Pariser Sommerabend zum ganz gewöhnlichen Beziehungstrott eingedickt sind.

Was bisher geschah: 1995 begegneten sich die Französin Celine (Julie Delpy) und der Amerikaner Jesse (Ethan Hawke) in Wien. Die jugendlichen Träumer durchstreiften eine Nacht lang die Wiener Straßen, erkannten einander als Seelenverwandte und verloren sich wieder.

2004 trafen sie sich – sie mittlerweile Berufsaktivistin, er Schriftsteller – in Paris wieder und verbrachten einen Spätnachmittag miteinander: Bilanz und Lebensabgleich, was ist aus den Träumen geworden und was könnte noch aus ihnen werden – aus den Träumen, aus Celine und Jesse, diesem schönsten Liebespaar der jüngeren Filmgeschichte?

Wie miteinander leben?

Nach weiteren neun langen Jahren lüften Delpy, Hawke und Linklater (das Drehbuch entstand erstmals kollaborativ) das bislang hinter einer sanften Abblende versteckte Geheimnis: geworden ist daraus ein ganz gewöhnliches Patchwork-Ehepaar mit Kindern aus früherer und eigener Ehe, zerrissen zwischen lukrativen Jobangeboten und den Herausforderungen der Lebensplanung. Ein Aufenthalt auf dem Peloponnes wird zum Prüfstein für das einst verzauberte, nun im Alltag angekommene Paar. Ein neuerlicher Spaziergang, diesmal durch griechische Gassen, und ein als erotische Gelegenheit geplanter Abend im Hotel ohne Kinder umkreisen im Kern die Frage: Was zeichnet Frauen, was Männer aus – und wie wollen beide im Zeitalter der Post-Romantik miteinander leben?

Schicksalsfragen des Menschen am diesseitigen Ende des Geschichtsverlaufs – wo, wenn nicht im Geburtsland von Komödie und Tragödie sollten sie sich besser diskutieren lassen? Die roten Haare in Jesses Bart, in die sich Celine einst so verliebt hatte, sind längst weiß geworden. Griechische Ruinen im Bildhintergrund stehen als Vergänglichkeitsmetapher zur Seite. Nicht zuletzt liegen guter Sex und existenzieller Trennungsstreit hier unmittelbar nebeneinander: Man kann, merkt man, nicht ohne weiteres zusammen alt werden. Es ist sogar sehr unwahrscheinlich. Eine sanfte Brise Hoffnung weht über das griechische Mittelmeer. Man notiere sich das Datum: Am 10. Februar 2022 wissen wir mehr.

12.2., Friedrichstadt-Palast, 12.30 Uhr; Haus der Berliner Festspiele, 23 Uhr; 16. 2., Friedrichstadt-Palast, 23 Uhr

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

0 Kommentare

  • Noch keine Kommentare vorhanden.
    Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!