Koalitionsstreit über Zusatzbeiträge: CSU will privaten Kassenbeitrag
Die CSU stellt einen eigenen Plan zum Umbau der Krankenversicherung vor. Die Opposition sieht darin nur einen "lautloseren" Weg, um Arbeitnehmer abzuzocken.
BERLIN taz | Philipp Rösler kann sich angenehmere Besucher vorstellen als Markus Söder. Als der bayerische Gesundheitsminister seinen Berliner Amtskollegen am Montag besuchte, war der Konflikt zwischen ihnen bereits eskaliert: Die CSU hat ein Konzept zur Finanzierung der gesetzlichen Krankenversicherung erstellt, das Röslers Plänen zuwiderläuft. Damit verschärft sich der Streit über eines der größten Reformvorhaben der Koalition.
Am Montag wurden Umrisse des CSU-Konzepts bekannt, das Söder am selben Tag dem Parteipräsidium vorstellte. Demnach will Söder die Möglichkeit der Kassen, Zusatzbeiträge zur gesetzlichen Krankenversicherung zu verlangen, wieder abschaffen. Aus Geldmangel verlangen derzeit 13 der 169 Kassen einkommensunabhängige Zusatzbeiträge. Stattdessen sollten Arbeitgeber und Arbeitnehmer rund 90 Prozent der Kassenausgaben zu gleichen Teilen finanzieren. Zusätzlich zu diesem "Bundesbeitrag" will Söder einen "individuellen Kassenbeitrag" einführen. Dieser soll die restlichen zehn Prozent der Gesundheitskosten abdecken und im Schnitt 1,5 Prozent des Bruttolohns betragen. Zahlen sollen ihn ausschließlich die Arbeitnehmer.
"Das Modell ist schlüssig, es baut auf gewachsenen Strukturen auf", sagte Söder der Süddeutschen Zeitung. Das CSU-Konzept vermeide großen Bürokratieaufwand, den die Einführung einer Kopfpauschale bedeuten würde. "Der individuelle Kassenbeitrag wird prozentual erhoben und kann durch den Arbeitgeber abgeführt werden."
Damit legt sich die CSU mit der FDP an. Denn im Koalitionsvertrag haben sich die Parteien darauf geeinigt, diese einkommensunabhängige Kopfpauschale einzuführen und so die Arbeitgeber zu entlasten. Für Geringverdiener soll die Pauschale ganz oder teilweise aus Steuergeldern gezahlt werden. Doch woher diese Steuermilliarden kommen sollen, ist unklar.
Das Bundesgesundheitsministerium lehnte Söders Vorstoß prompt ab. Der parlamentarische Staatssekretär Daniel Bahr (FDP) urteilte: "Mit dem CSU-Konzept kommen milliardenschwere Mehrbelastungen auf die Versicherten zu, ohne dass dadurch die Finanzierung stabiler wird." Söders Plan sei ungeeignet, "die Finanzierung der guten medizinischen Versorgung auch morgen noch abzusichern".
"Söders Plan entspricht derselben Logik wie jener der FDP", urteilt der SPD-Gesundheitsexperte Karl Lauterbach gegenüber der taz. "Die Arbeitnehmer sollen Kostensteigerungen im Gesundheitswesen künftig allein tragen. Nur will Herr Söder die Arbeitnehmer lautloser schröpfen als Herr Rösler."
Die Gesundheitsexpertin der Linkspartei, Martina Bunge, kritisiert: Söders Plan des "individuellen Kassenbeitrags" eröffne "wieder die Jagd der Kassen auf die Besserverdienenden". Versicherungen mit vielen Geringverdienern müssten hohe Zusatzbeiträge nehmen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nahost-Konflikt
Alternative Narrative
Nach der Gewalt in Amsterdam
Eine Stadt in Aufruhr
+++ Nachrichten im Nahost-Krieg +++
IStGH erlässt Haftbefehl gegen Netanjahu und Hamas-Anführer
Putins Atomdrohungen
Angst auf allen Seiten
Die Wahrheit
Der erste Schnee
Krise der Linke
Drei Silberlocken für ein Halleluja