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Eloge auf Spaniens EM-SiegFinale grande

Spanien ist Europameister und damit hat der Fußball gewonnen. Die Spanier schaffen es, dass alle Welt nur einzig und allein über ihr Spiel redet – zur Krise kein Wort.

Wer so gut spielt, wird nicht über seine Frisur, seine Freundin oder die Pferdestärken seines Sportwagens definiert. Bild: dpa

KIEW taz | Es war Fußball, nichts als Fußball. Der Ball ist gelaufen, der Gegner, so lange er konnte, und der Weltmeister ist wieder Europameister. Es gibt nicht viele Fußballabende, in denen das Spiel, das reine Spiel, über alles andere siegt. Die spanische Nationalmannschaft ist einmal mehr so aufgetreten, dass alles andere, worüber sonst auch diskutiert und gestritten wird, wenn vom Fußball die Rede ist, verschwunden ist. Spanien ist Europameister und der Fußball hat gewonnen.

Wozu über anderes reden, wenn der Fußball von den Spaniern in den Mittelpunkt gespielt wird? In den Momenten, in denen die Spanier so schnell, so präzise gespielt haben, dass sich alle, die es gesehen haben, noch lange fragen werden, wie das überhaupt geht. Dem rasenden Nichtriesen David Silva (1,70 Meter) den Ball so zu servieren, dass ihm gar nichts anderes übrigbleibt, als ihm mit dem Kopf ins Tor zu wuchten.

Ein Pass vom Xavi, der genau in dem Moment gespielt wird, in dem der blitzschnelle Jordi Alba noch nicht im Abseits steht. Und noch einer auf Fernando Torres, der später selber den Ball weiterschiebt, weil er weiß, dass Juan Mata noch besser steht als er selbst und dass er ihm vertrauen kann, auch wenn der nur ein paar Minuten bei dieser EM gespielt hat. 4:0 gegen Italien. Und kaum einer wundert sich darüber.

Alle staunen darüber, wie man so präzise, so gedankenschnell, so entschlossen und gleichzeitig so verspielt auftreten kann, wie das die Spanier getan haben. Alle reden über Fußball und wünschen sich, er möge immer so sein. Michel Platini, der immer entrückter wirkende Uefa-Präsident, Viktor Janukowitsch, der Ukraine peinlicher Möchtegerndiktator von Oligarchengnade, sie können froh sein, dass ihnen die Mannschaft Spaniens ein solches Endspiel beschert hat.

Es wird von der Passsicherheit der Spanier geschwärmt und keiner, wirklich keiner ist nach dem furiosen Finale von Kiew auf die Idee gekommen, über die viel zu laute Partybeschallung, die nervigen Wechselbanden, rassistisch pöbelnde Fans oder das durchdesignete Millionenevent zu meckern.

Wie sinnvoll es ist, eine EM in einem Land zu veranstalten, in dem politische Gegner einfach weggesperrt werden, auch das hat sich niemand gefragt, der sie Spanier hat spielen sehen. Wenn Cesc Fàbregas, Andrés Iniesta und Xavi Hernández den Ball bearbeiten, wird alles andere zur Nebensache. Das ist großer Sport.

Die bescheidenen Spanier

Während bei den wackeren und wegen einer Verletzung früh dezimierten Italienern, die 50 Minuten lang mit den Spaniern mitgespielt haben, und doch nie den Eindruck vermitteln konnten, sie hätten wirklich eine Chance, bei jedem Sprint, bei jedem Schuss, bei jedem Tackling der Wettskandal, die Finanzkrise oder das Leben der Spieler neben dem Platz mitlaufen, schaffen es die Spanier, dass alle Welt nur einzig und allein über ihr Spiel redet. Wer fragt sich, wenn er den perfekten Zweikämpfer Sergio Ramos, das Passgenie Xavi, den geschmeidigen Iniesta sieht, ob deren Gehälter gerechtfertigt sind.

In diesem Momenten ist es einfach wurscht, dass auch Spaniens Schönspieler Multimillionäre sind? Weil sie so gut Fußballspielen können, jeder für sich und zusammen sowieso, fällt es leicht, die Geschichten zu glauben, die vor allem über die braven Jungs aus Barcelona erzählt werden, in denen es heißt, sie seien auf dem Boden geblieben, und würden sich ihre Limo nach dem Training am gleichen Kiosk kaufen, an dem sie sich schon als Kínder mit Lollis versorgt haben.

Wer so gut spielt, wird nicht über seine Frisur, seine Freundin oder die Pferdestärken seines Sportwagens definiert. Wen interessiert schon, wieviel Haargel sich Xavi vor dem Spiel in den Schopf schmiert? Und weil die Spanier die Bälle auf dem Feld so perfekt verteilen können, stellt sich kaum einer die Frage, wie sie es schaffen konnten, am Ende eines anstrengenden Turniers, noch so über den Platz zu rennen, als wäre es das erste Spiel. Von den Sprints eines Jordi Alba auf der linken Außenbahn möchte man schwärmen und sich dabei keine Gedanken machen über die Dopingnation Spanien.

Spaniens Auswahl holt den Fußball zurück auf den Platz. Das macht Finalabende wie den von Kiew am Sonntag so leicht. Auch das Historische, das dem spanischen Team innewohnt, hat etwas rein Sportliches. Noch keine Nationalmannschaft hat es geschafft, drei große Turniere hintereinander zu gewinnen.

Darauf sind Trainer und Spieler stolz, sind sich ihrer Leistung bewusst und freuen sich, dass sich das Volk in der Heimat freut. Mehr nicht. Kein Wort fiel nach dem Sieg über die Krise in Spanien. Auch als der Ball nicht mehr gerollt ist, sind Spaniens Spieler Sportler geblieben. Auch das ist eine Leistung.

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8 Kommentare

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  • KS
    Katsche Schwedenbacher

    Der das geschrieben hat, hat das Turnier gar nicht geguckt. Und auch keinen Plan vom Fussball. Das Geheimnis der Spanier ist, dass sie nicht die ganze Zeit rennen. Im Turnierverlauf wurde ihnen deshalb sogar vorgehalten, sie wären langweilig, oder, sie hätten ihren Biss verloren. Nirgends sonst wird so viel öffentlich analysiert wie im Fussball.

     

    Wieviele Kilometer da jeder läuft, lässt sich einwandfrei feststellen, auch für Laien. Wer sich damit befasst, merkt auch, dass das Geheimnis des Spiels der Spanier nicht so viel mit deren Laufarbeit zu tun hat, sondern mehr mit deren Stellungsspiel(ist kein Schweinskram, sondern ein Fachbegriff)und der Qualität von deren Passspiel. Ergo, sie lassen den Ball mehr laufen als andere, statt es selbst zu tun.

     

    Worum man eigentlich auch wissen könnte, wenn man so einen Artikel schreibt, ist um die Internationalität des Fussballs. In Spanien spielen sehr viele Ausländer, und Spanier spielen überall im Ausland. Da so zu tun, als sei es möglich, dass eine Nation, wie weiland DDR oder so bei Olympia, ein gezieltes Doping betreibt, ist inadäquat. So ein Spieler ist das ganze Jahr über in ärztlicher Betreuung. Es könnte niemals geheim gehalten werden, würde er sequentiell gedopt.

    Schlussfolgerung: entweder machen das alle, oder keiner macht es. Dass die Spieler im Endspiel noch taufrisch aufspielen können, deshalb gibt es ja einen irre umfangreichen Betreuerstab, und daher kann man es an sich erwarten. Im Leistungssport wird die Leistungsspitze im Optimalfall eben dann abgerufen werden können, wenn es am notwendigsten ist.

    Keiner würde Usain Bolt nur deshalb einen Dopingvorwurf machen, weil er die beste Zeit erst im Finallauf hinlegt. Im Gegenteil, wenn er da nach achtzig Metern umfällt, würde der Trainer geschimpft kriegen. Vielleicht sogar zu recht.

     

    Und an den Haaren herbeigezogen, die Spielergehälter mit Wirtschaftskrise in Bezug zu setzen, das ist eine Nummer zu billig. Man sollte den Sport nicht immer beispielgebend für Großkapitalismus ins Gebet nehmen, wenn mal ein Turnier läuft. Die Welt ist so beknackt materialistisch, wie sie ist, egal, ob Xavi Hernandez einen wundervollen Pass in den Lauf spielt oder nicht. Aber wenn man den Fußball liebt und man sieht diesem Fußballgott dabei zu, kann man es wenigstens mal für fünf Minuten vergessen.

     

    Wenn ich der Rede von Jo Ackermann vor der Aktionärsversammlung zuhöre oder einem neuen Lied, das Dieter Bohlen mit den "Superstars" verbrochen hat, oder Bushido, kann ich das keine Sekunde lang vergessen.

    Mit anderen Worten: hier sind wirkliche Künstler am Werk, in dem von Niklas Luhmann oder Joseph Beuys definierten Sinne davon, was die gesellschaftliche Funktion eines Künstlers ist.

     

    Diesen Anspruch haben die Deutschen auch gehabt, aber leider nicht eingelöst. Sie haben irgendwann im Mercedes-Pavillon den Faden verloren. Wie Künstler mit den biederen Fussballarbeitern aus Italien umgehen, hat man leider erst später besichtigen können.

    Aus dem Blickwinkel der Deutschen ist aber für mein Empfinden jetzt mal etwas mehr Kleinlaut angebracht.

     

    Bei uns ist keine Krise, die Jungens hätten sich ohne Sorge um die kranke Oma in den Hügeln voll reinwerfen können. Haben sie aber nicht, also sollten wir bescheiden die Münder schliessen und uns irgendwann noch mal ehrfürchtig, mit diesem Zelebrationsgefühl, mit dem man auch Filme von Lars von Trier ansieht, die Endspiel-DVD einlegen.

  • V
    vlad

    man kann sehr wohl von der dopingnation spanien sprechen, wenn man sich nur die explosion der anzahl der gewonnenen olympischen medalien seit barcelona 1992 und auch sonst quer durch alle dispziplinen anschaut,

    die übermenschlichen darbietungen eines sehr ausdauernden und muskulösen rafael nadals, die konstanten leistungen eines david ferrers für einen tennisspieler in einem fast biblischen alter, die eigene dopingvergangenheit eins gewissen pepp guardiola, den großen olympischen skandal eines gewissen johann mühlegg, die operationen galgo etc. und wie sie alle heissen, die vernichtung der akten zum dopingskandal um dr. emiliano fuentes, der nicht nur radsportler auf der kundenliste hatte und zur guter letzt die jüngste anklage gegen dr. del moral im zuge der anklage gegen lance armstrong.

    wie man sieht, ist es gar nicht so weit hergeholt.

    man muss nur die augen öffnen wollen.

  • O
    oranier

    flujo,

     

    Es wäre vielleicht angebracht, den Artikel, auch gegen die Vermutung, er könne ironisch sein, im einzelnen genauer zu analysieren, allein, das wäre ein uferloses Programm. Hier deshalb nur noch Folgendes:

     

    Ironie dient als indirekte Weise des Sagens dazu, das Gemeinte schärfer zum Ausdruck zu bringen. Das geschieht, soll der Sinn nicht verfehlt werden, in Korrespondenz zwischen Autor und verständigem Leser, der die Möglichkeit erhalten muss, durch den Gesamtkontext oder durch dezente Hinweise die richtige Lesart zu erkennen. Das kann ich hier nicht erkennen. Im Gegenteil, der Text ist mit "Eloge", also "Lobrede", überschrieben und ist mit vielerlei Einzelheiten, die für eine (ironische) Kritik völlig überflüssig wären, tatsächlich voll des Lobes. Alles, was man nun wirklich kritisch gegen das große Fußballtheater einwenden kann, wird allenfalls angeführt, um es als "Gemecker" zu denunzieren oder zur "Nebensache" zu erklären. Dazu ist der Autor sich nicht zu schade, tatsächlich Nebensächliches und Kindisches, wie die Haartracht der Spieler, mit Substanziellem, wie Rassismus und Demokratiefeindlichkeit, zu nivellieren, wodurch natürlich die substanziellen Kritikpunkte herabgewürdigt werden.

     

    Der ganze Artikel suggeriert eine unsinnige Dichotomie, die mit der Realität und der Sichtweise von intelligenten Kritikern sowohl als Befürwortern des Fußballs aber auch gar nichts zu tun hat: fragwürdiges kapitalistisches Millionengeschäft samt Anheizen der Massen, auch mit fragwürdigen Methoden, versus "reiner Sport". Ergebnis: "Spanien ist Europameister und der Fußball hat gewonnen." Kein noch so Fußball-kritischer Mensch käme auf die Idee, das Spiel wegen seiner, vorsichtig ausgesprochen, unangenehmen Begleiterscheinungen abgeschafft wissen zu wollen und kein Fußball-begeisterter Mensch von einigem Verstand würde das Millionengeschäft samt diesen Begleiterscheinungen leugnen oder ignorieren. Außer Rüttenauer. Er konterkariert es, indem er ausgerechnet dem taz-Publikum triviale Rührseligkeiten zumutet: die Gleichsetzung von professionellen Multimillionären mit kickenden Straßenjungs, die sich am gleichen Kiosk mit Lollis und Limo versorgen. Rüttenauer folgt darin seiner eigenen Devise: Die Spieler werden nicht über ihre Sportwagen definiert, sondern als bodenständige und einfache Leute stilisiert. Menschen, wie du und ich. Mir kommen die Tränen.

     

    Von einer kritischen Zeitung erwarte ich mir eigentlich mehr und Anderes, als dass sie dasselbe, nur besser zu machen versucht, wie alle anderen. Die Berichterstattung der "Experten" erinnert mich an einen Spruch einer mir bekannten Fußballerin aus dem Norden: "Noch nie nen Ball vore Füße gehabt, aber klug schnacken". Und statt solcher Unsäglichkeiten, wie hier die Gegnerschaft zwischen holländischer und deutscher Mannschaft zu Krieg zwischen den beiden nationen zu stilisieren, wäre vielleicht einmal angebracht, was andernorts geschehen ist, die allfällige Kriegsmetaphorik der Reportagen aufs Korn zu nehmen und nach deren Bedeutung zu fragen. Oder zu fragen, ob die als unliebsame "Störmanöver" deklarierten "Begleiterscheinungen": Zündeln, gewaltsame Krawalle, Nationalismus und Rassismus nicht tatsächlich erst genuin durch das Fußballspektakel hervorgebracht, zumindest forciert werden.

     

    Stattdessen die allgegenwärtige Ödnis. Da ist die überhöhende Vergötterung eines Deniz Yücel noch die harmlosere Variante: "Zum Niederknien schön".

     

    Oder habe ich hier etwas überlesen?

  • CF
    Carlos Forte

    Ein Kommentar voller Galle, wo de Autor sich anstrengt ein bisschen linke Potion mit (angeblichem) Sport zu vermengen, als müsste er es tun. Herr Rüttenauer versucht, vielleicht, von den Doping-Affären des sowjetischen Teils Deutschlands, in dem er auf eine fast deliktive Art und Weise den Verdacht auf alle Spanier wirft. Weil, wenn man alle Sportler des Dopings bezichtigt, muss die Beweise vorzeigen. Der Rest ist Mumpitz

  • L
    Linker

    Wie kann man nur von der "Dopingnation Spanien" sprechen? Das ist ja total faschistoid, plump und klischeehaft. Hätte mehr Niveau und Bildung von Ihnen erwartet. Das ist ja Bildniveau.

  • F
    flujo

    kann mich *Oranier* nur anschließen.

    Schwer zu sagen, ob der Artikel ironisch gemeint ist (was ich hoffe), oder tatsächlich gut heißt (was ich befürchte), dass Sport als Opium fürs Volk so zielsicher funktioniert und das Denkvermögen paralysiert.

    In diesem Falls ist es schon sehr bedenklich, den Sport als hervorragenden Verdrängungsmechanismus von Rassismus, Diktatur und die Lebensgrundlage von Millionen Menschen bedrohende Finanzkrise zu preisen.

  • J
    Johnny

    "– zur Krise kein Wort"

     

    Ich lese da schon vier Worte zur Krise. ;-)

     

    Und in den meisten anderen Medien wird ebenso beschrieben, wie unwichtig an diesem einen Tag die Krise ist und dass es ja ausschließlich um Fußball geht. Wenn nur der Fußball alleine zählen würde, hätte man die Krise ja wirklich mal unerwähnt lassen können, anstatt den Spaniern auf die Nase zu binden "freut euch heute mal, morgen ist wieder Krise, aber die zählt ja heute nicht".

  • O
    oranier

    "Wozu über anderes reden, wenn der Fußball von den Spaniern in den Mittelpunkt gespielt wird? - Wer spricht nach dem sportlichen Ereignis schon über Fußballergehälter, Haargel, Wettskandale? Geschenkt.

     

    Aber über rassistisch pöbelnde Fans zu MECKERN, oder zu fragen: "Wie sinnvoll es ist, eine EM in einem Land zu veranstalten, in dem politische Gegner einfach weggesperrt werden", darauf könnten Leute, denen an Demokratie und Menschenrechten gelegen ist, ja vielleicht kommen. Aber Gott sei Dank, "auch das hat sich niemand gefragt, der sie (!) Spanier hat spielen sehen." - "Niemand"! So der allwissende taz-Kommentator RÜTTENAUER.

     

    "Wenn Cesc Fàbregas, Andrés Iniesta und Xavi Hernández den Ball bearbeiten, wird alles andere zur Nebensache. Das ist großer Sport." Eben, das ist schließlich die wesentliche Funktion des ganzen Theaters, wie womöglich die Meckerer und Spaßverderber wissen, denen von RÜTTENAUER und der taz wohl dergestalt das lästige Lästermaul gestopft werden soll.

     

    So soll es sein, oder?