Spitzensteuern und die Ungleichheit: Ist Rot-Grün zu feige?
Rot-Grüne Politik würde an der Ungleichheit in Deutschland kaum etwas ändern, hat der Grüne Max Löffler ausgerechnet. Er fordert einen Spitzensteuersatz von 65 Prozent.
BERLIN taz | Wenn ab 2013 Rot-Grün regiert, geht es im Land viel gerechter zu, weil Reiche mehr Lasten tragen müssen. Das versprechen jedenfalls Spitzenleute von SPD und Grünen. Beide Parteien wollen nach der Wahl den Spitzensteuersatz auf 49 Prozent erhöhen, sie propagieren den Mindestlohn und wollen die Kranken- in eine Bürgerversicherung umbauen.
Doch bei genauerem Hinsehen tut all dies den Reichen kaum weh. Der Grüne Max Löffler gehört dem linken Flügel an und sitzt im Parteirat, einem wichtigen Führungsgremium der Grünen. Er hat die Ankündigungen von Rot-Grün analysiert. Und sagt: „Unsere Vorschläge bedienen nur das linke Bauchgefühl. Sie ändern aber in der Realität so gut wie nichts an der Verteilungssituation in Deutschland.“ In einer Analyse legt er den Gini-Koeffizienten an Lieblingsthemen der Linken an.
Dieses statistische Maß beschreibt Ungleichverteilungen. Bei einem Koeffizienten von 0 besitzen alle Menschen das gleiche Vermögen oder Einkommen, bei einem Koeffizienten von 1 besitzt einer alles, die anderen haben nichts. In Deutschland ist das Vermögen sehr ungleich verteilt, der Koeffizient stieg bis 2007 auf 0,799. Beim Einkommen stieg er er seit Mitte der 80er auf knapp 0,3 an. Angesichts der größer werdenden Kluft zwischen Arm und Reich sind Löfflers Folgerungen für Rot-Grün ernüchternd.
■ Spitzensteuersatz: Die SPD will, dass der Spitzensteuersatz von 49 Prozent erst ab einem zu versteuernden Einkommen von 100.000 Euro greift – die Grünen legten 80.000 Euro fest. Folgte man der SPD, träfe die Steuererhöhung nicht mal ein halbes Prozent der Bevölkerung. Der Gini-Koeffizient sänke, so Löffler, „um kosmetische 0,6 Prozent“.
■ Mindestlohn: Auch er dient laut der Analyse vor allem linker Selbstberuhigung. Arbeitslose profitierten von ihm nicht, zudem seien Beschäftigte mit niedrigen Löhnen oft Hinzuverdiener, deren Partner ein relevantes Einkommen nach Hause bringe. Deshalb würde der Gini-Koeffizient durch einen Mindestlohn von 7,50 Euro um kaum spürbare 0,4 Prozent oder 0,0012 Gini-Punkte sinken. Was groß von der Linken bis zur SPD beworben wird, ist für Löffler „nicht mehr als ein kleiner Baustein“.
■ Bürgerversicherung: Durch sie nimmt die Krankenversicherung zwar mehr Geld ein, weil Beamte, Selbständige und Gutverdiener einzahlen müssten. Doch die Beitragsbemessungsgrenze bliebe – jenseits dieser steigen Beiträge nicht mehr proportional mit dem Einkommen an. „Selbst eine Bürgerversicherung würde die Ungleichheit kaum ändern“, so Löffler.
Und nun? Löfflers Überlegungen für wirksame Umverteilung dürften den Parteichefs Gänsehaut bereiten: Steuersätze von über 50 Prozent für Einkommen ab 50.000 Euro, ein Spitzensteuersatz von 65 Prozent. Die vier Zweige der Sozialversicherungen aus Steuern finanzieren statt aus Beiträgen. Denn Beiträge belasten Arme überproportional.
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