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Drogenpolitik"Auf 30 Gramm erhöhen"

Die Eigenbedarfsgrenze für Cannabis senken? Dafür sieht der Jurist und Bundestagsabgeordnete Wolfgang Neskovic (Linke) keine Notwendigkeit - im Gegenteil.

Ein warmes Glühen im dichten Rauch: Kiffen in der Nahaufnahme. Bild: dapd
Interview von Plutonia Plarre

taz: Herr Neskovic, in Berlin wird diskutiert, die Eigenbedarfsgrenze von Cannabis herunterzusetzen. Am Dienstag veranstalten CDU-Senatoren dazu eine Anhörung. Ein gutes oder ein schlechtes Zeichen?

Wolfgang Neskovic: Bisher war bei der CDU leider immer kriminalpolitische Uneinsichtigkeit an der Tagesordnung. Ich kann nur hoffen, dass man unter Beteiligung von kompetentem Sachverstand eine rationale Entscheidung trifft.

Polizei und Staatsanwälte sollen signalisiert haben, dass man mit der derzeitigen Grenze von 15 Gramm, bis zu der Straffreiheit gilt, gut beraten sei.

Wir hatten in Schleswig-Holstein früher 30 Gramm. Und die Evaluierung hat ergeben, dass der Konsum in über 20 Jahren zurückgegangen ist. Es gibt deswegen überhaupt keinen Grund abzusenken. Das würde nur dazu führen, dass Polizei, Staatsanwaltschaft und Gerichte übermäßig beansprucht werden, ohne jeglichen kriminalpolitischen Sinn. Sie sind ja jetzt schon überlastet. Die Ressourcen sollten in wichtigere Dinge fließen.

Wolfgang Neskovic

63, seit 2005 für die Linke im Bundestag. Vorher war er Richter am Landgericht Lübeck, von 2002 bis 2005 am Bundesgerichtshof.

Warum existiert die 30-Gramm-Grenze in Schleswig-Holstein nicht mehr?

Die hat Schwarz-Rot gekippt.

Die Berliner CDU Senatoren begründen ihre Initiative damit, Bundesjustizministerin Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) mache Druck. Sie habe im April noch einmal auf die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts von 1994 hingewiesen. Das Gericht habe damals eine einheitliche Praxis der Länder beim Eigenbedarf gefordert.

Es gibt keine Forderung des Bundesverfassungsgerichts. Es handelt sich um einen Appell. Ich wundere mich, dass die sonst liberale Bundesjustizministerin hier eine solche Fehlinterpretation des Bundesverfassungsgerichts formuliert.

Sie waren derjenige, der 1994 vor dem Bundesverfassungsgericht erstritten hatte, dass Haschisch-Konsumenten von Strafverfolgung freigestellt werden. Was genau hat das Bundesverfassungsgericht damals zum Thema Richtlinien gesagt?

Das Bundesverfassungsgericht hat nicht angeordnet, dass die Länder einheitliche Richtlinien erlassen müssen. Es hat nur darauf hingewiesen, dass der Gerechtigkeitsgedanke eine einheitliche Praxis nahelegt.

Und wie interpretieren Sie das?

Die einheitliche Praxis sollte nicht auf dem möglichst geringsten Niveau erfolgen, sondern auf dem möglichst höchsten Niveau.

Was heißt das konkret?

Dass die Vereinheitlichung bei 30 und nicht bei 6 Gramm liegen sollte. Die Erfahrungen in Schleswig-Holstein zeigen, dass 30 Gramm vertretbar sind. Generell bin ich aber dafür, eine völlig legale Abgabeform einzuführen. Jede Form der Absenkung hätte zur Folge, die Konsumenten in die Hände von Dealern zu treiben, die auch mit harten Drogen handeln. Das kann keiner wollen.

Wie erklären Sie sich den Vorstoß der Bundesjustizministerin?

Ich vermute, dass die Bundesdrogenbeauftragte Dyckmans sie dazu drängt. Was Cannabis angeht, ist Frau Dyckmans uneinsichtig. Sie ist von einer tiefen emotionalen Abneigung geleitet und hat keinen rationalen, rechtspolitischen Zugang zu dem Problem.

Die Befürworter einer Herabsenkung der 15-Gramm-Grenze führen gern das Arguement ins Feld, Cannabis sei heute stärker als früher.

Das kann man so nicht sagen. Es gibt Ausreißer. Einige Sorten, die gezüchtet worden sind, haben zwar einen höheren THC-Gehalt, aber die tauchen nur vereinzelt auf dem Markt auf. Wenn man eine staatliche Abgabe von Cannabis einführte, könnte man genau dieses Problem in den Griff bekommen.

Nochmal: Die Länder müssen sich gar nicht einigen?

Das ist das Wesen des Föderalismus. Auch das Betäubungsmittelgesetz lässt eine unterschiedliche Praxis in den Ländern zu. Ich erwarte, dass Berlin die Eigenbedarfsgrenze auf 30 Gramm erhöht und sich nicht dem ideologiebehafteten Law-and-Order-Kurs der CDU unterwirft.

Die CDU regiert nun mal mit.

Die CDU könnte die Anhörung zum Anlass nehmen, in ihrem drogenpolitischen Kurs umzukehren.

Noch eine private Frage zum Schluss: Als Richter haben Sie das Recht auf Rausch proklamiert. Wieviele Joints haben Sie schon in Ihrem Leben geraucht?

Gar keinen. Was das angeht, kann ich keinen Erfolg vermelden.

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9 Kommentare

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  • FM
    Frau Meier

    Solange die Leute ihr Grass mit Taback mischen gibt es auch genügend Gründe den Cannabiskonsum zu verbieten ,

    den Nicotinbomben sind tötlich .

  • H
    Hans-Jürgen

    Da kann noch soviel diskutiert werden und verboten werden.Ich beobachte das Thema seit 35 Jahren und meine Erfahrung: Es wird eh gekifft und in der Regel auch ungestört.Das einzige was durch Kriminalisierung ensteht sind Kosten und menschenverachtende Verfolgung von Menschen die weit aus weniger Schaden in der Gesellschaft anrichten als unsere Zeitgenossen von der Ethanol Lobby.Es gibt keinen Beweis ,dass Prohibition den Konsum reduziert.Im Übrigen ist den Gesundheitsbehörden die Möglichkeit versperrt eine Aufklärung über verantwortungsvollen Konsum zu bieten,so wie das bei Alkohol auch praktiziert wird.

  • R
    reblek

    "Herr Neskovic, in Berlin wird diskutiert, die Eigenbedarfsgrenze von Cannabis herunterzusetzen." - Aha, Cannabis hat eine Eigenbedarfsgrenze, wenn dem Vorspann zu glauben ist. Nicht wirklich, oder? Es handelt sich um eine Eigenbedarfsgrenze "für" Cannabis. So genau sollte der Umgang mit der deutschen Sprache in einer Qualitätszeitung schon sein.

  • JT
    Joe Takis

    das klingt gut: '15 Gramm straffrei ... '

    Bei uns in Bayern wandert man für 15 Gramm locker mehr als zwei Jahre in den Knast.

  • F
    Fahratkette

    Jeder Mensch besitzt ein Cannabinoidsystem ,Cannabis ist somit Teil der Menschlichen Evolution .

     

    Ein Übersetzungsfehler in der Bibel ist mitverantwortlich für die Verbannung des Milliarden Dollarkrautes .

     

    Hätten die Indianer weiter gekifft hätten sie nicht verloren .

  • P
    P4rt1k3l

    Wenn ich das lese mit einheitlichen Grenzwerten kommen mir die tränen. Ich wohne in Bayern und wurde als Beifahrer in einem parkenden Auto mit 1,1g (Anklageschrift größe eines Vogeleis) dermaßen kriminalisiert. Führerscheinentzug (MPU) -> Erkennungsdienstlich aufgelistet.. Ich wusste damals nicht ob ich nun Kinderschänder oder ein Terrorist war. Ich wurde wie ein Schwerverbrecher abgeführt und auch behandelt.

  • A
    aXXL

    Es gibt hierzulande vermutlich nicht wenige Cannabiskonsumenten fortgeschrittenen Alters mit leibhaftigen Erfahrungen drastischer Auswirken des Betäubungsmittelgesetzes, die Herrn Nescovic oder seinen Fraktionsollegen Tempel gerne als Drogenbeauftragten der kommenden Regierung sähen.

     

    Beide Politiker äußern nicht zuletzt wegen "naher beruflicher Praxis am gemeinen Konsumenten" gehörige Zweifel an Sinn und Zweck dieses Gesetzes, das es in den 40 Jahren seiner Existenz nicht geschafft hat Angebot und Nachfrage an Drogenprodukten zu reduzieren, stattdessen jedoch noch immer u.a. zu Überbelegungen von Vollzugsanstalten führt, zu menschlich-sozialen Tragödien durch Strafverfolgung, zu staatsanwaltlichen Akten- und Verfahrens-Bearbeitungszeiten von mehreren Monaten und zu eklatantem Mangel an Kontrollmöglichkeiten.

     

    Die derzeitige Regierung will - ebenso wie die Drogenbeauftragte Dyckmanns - ganz offensichtlich Cannabis nicht als Medizin, will keine Kostenerstattung trotz Wirksamkeitsnachweis cannabinoidbasierter Medikamente, kein Drug-Checking und keine Entkriminalisierung von Drogenkonsumenten, wenn diese mit weniger als lächerlichen 6 Gramm - aber bereits wiederholt - auffällig werden.

     

    Von daher ist die ganze Diskussion um Absenken oder Heraufsetzen der Eigenbedarfsmenge m.E. unnötige Zeitverschwendung. Nägel mit Köpfen macht man nicht, indem man an Fußnägeln feilt. Allerdings auch nicht mit ewigen Parteiführungs-Querelen.

  • L
    Loomit

    Die 15 Gramm geben eine Grenze an die nicht etwa "straffrei" ist, sondern den Konsumenten nur auf Umwegen über das Verwaltungsrecht gesellschaftlich vernichtet. So gesehen macht es keinen Unterschied, ob die geringe Menge 1g oder 1kg ist. Dennoch ist eine Einschränkung immer ein Rückschritt. Cannabiskonsum steht einem Menschenleben nicht im Wege, die Straf- und Verwaltungsrechtliche Keule sehr wohl.

  • MA
    M.Emin Arpaci

    Wo leben wir denn? Im Mittelalter oder sind die Politiker Analphabeten?

    Nach den neuesten wissenschaftlichen Untersuchungen verhindert Cannabis Alzheimer,Krebs,Diabetis........und heilt viele Krankheiten.

    Es ist ein Verbrechen an der Menschheit Ihnen die beste Medizin vorzuenhalten.

    Mein Herz blutet wenn ich an die Kinder und Erwachsenen denke die von Cannabinoden profitieren könnten.

    Bitte, Bitte informiert euch übers Internet.In 16 Bundesstaaten dürfen 700000 Menschen Cannabis als Medizin benützen.

    Die ersten Cannabionide bekommt das Baby über die Muttermilch.

    Endcannabionide produziert jeder Mensch und alle Wirbeltiere.Diese regeln so gut wie alles im Körper.

    http://www.youtube.com/watch?v=moPkymPAN7E&list=UU511noZzIKqlj7X0Mxpuyhg&index=2&feature=plpp_video

    Und die Reporter haben einen Ehrenkodex unterschrieben wonach sie nichts positives über Drogen schreiben dürfen.Dann schreiben sie lieber gar nichts.Cannabis ist Medizin

    Ich bin Liebe Licht Wahrheit