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Ex-Profi über Homophobie im Fussball„Es wird bald das erste Outing geben“

Im Fußball gilt allein das Leistungsprinzip, sagt Bastian Reinhardt. Der Ex-Profi hat deshalb nur wenig Bedenken, falls ein schwuler Profi öffentlich seine Orientierung preisgibt.

Machte für den Hamburger SV 132 Bundesligaspiele: Bastian Reinhardt. Bild: dpa
Interview von Christian Gehrke

taz: Herr Reinhardt, Sie haben bis vor zwei Jahren in der Bundesliga gespielt, waren dann Sportchef beim Hamburger Sportverein und sind jetzt Leiter der Jugendabteilung. Sie engagieren sich für Kinder, die beim Kicken auffällig aggressiv werden, und setzen sich auch dafür ein, dass Homosexualität im Fußball enttabuisiert wird.

Bastian Reinhardt: Ich war zu einem Schwulen-Fußballturnier in Hamburg eingeladen, um auf der Siegerehrung die Grußworte des HSV-Vorstands zu überbringen. Dort habe ich mich dafür ausgesprochen, Homosexualität im Leistungssport und im Fußball nicht mehr totzuschweigen.

Warum machen Sie das? Was treibt Sie an?

Menschen, die wie ich auch in der Öffentlichkeit stehen, haben eine gewisse Vorbildfunktion. Indem Sie vorangehen, Initiative und Zivilcourage zeigen, können sie etwas bewegen. Diese Möglichkeit habe ich auch. Mir ist in meinem Leben viel Gutes widerfahren, und ich möchte jetzt etwas zurückgeben.

Viele Prominente sind homosexuell und akzeptiert, Politiker, Journalisten und Wissenschaftler. Warum ist dieses Thema für den Leistungssport und gerade für den Fußball so schwierig?

Sie sind im Fußball das ganze Jahr in einer Gruppe von Männern zusammen. Der Sport hat viel mit Körperkontakt zu tun. In einer Mannschaft ist man aufeinander angewiesen. Es gibt eine starke Gruppendynamik. Und sich unter diesen Rahmenbedingungen zu outen, ist bestimmt enorm schwierig. Nehmen wir einmal an, ein Fußballprofi würde sich zur Homosexualität bekennen, dann würde es schon Mitspieler geben, die damit ein Problem hätten. Die Angst, von Fans abgelehnt zu werden, wäre sehr groß. Hinzu kommen die heftigen Reaktionen der Medien und der Druck der Öffentlichkeit. Derjenige würde sich ja selbst ins Rampenlicht zerren und freiwillig sein Privatleben preisgeben. Alles, was auf diesen Profi dann niederprasselt, wäre extrem. Irgendwann wird es aber diesen Fußballprofi geben, und dann müssen wir uns alle damit auseinandersetzen. Ich glaube, es ist nur eine Frage der Zeit, bis es so weit sein wird.

BASTIAN REINHARDT

Der langjährige Fußballprofi des HSV wurde im Sommer 2010 zum Sportchef des HSV berufen, musste aber nach einem Jahr Frank Arnesen weichen. Seitdem ist Reinhardt (36) als Nachwuchsleiter in Hamburg tätig.

Spieler mit anderer Hautfarbe oder besonderem Charakter müssen doch auch um Anerkennung kämpfen und haben Angst vor Ausgrenzung.

Es gab irgendwann auch den ersten farbigen Spieler in der Bundesliga. Ich bin nicht sicher, war es Samy Sané? Jedenfalls interessiert es heute niemanden mehr, welche Hautfarbe ein Spieler hat.

Weil Sportler doch nur an ihrer Leistung gemessen werden?

Genau. Den Verantwortlichen geht es zuerst um die Leistung, aber eben auch darum, wie ein Spieler sich in die Mannschaft einfügen kann.

Könnte ein schwuler Fußballprofi nicht allein durch Leistung überzeugen?

Natürlich, aber auch wenn seine Leistung überzeugend ist, wäre solch ein Tabubruch ein Riesenthema. Dieser Profi würde vielleicht jahrelang nicht aus den Schlagzeilen kommen. Ein Outing würde vermutlich hohe Wellen schlagen und ein normales Leben behindern.

Ein Fußballer, der sich outet, würde doch als Pionier viel Bewunderung ernten, ähnlich wie ein Sebastian Deisler, der sich als Erster zur Depression bekannte.

Der Mut würde honoriert werden. Er würde Bewunderung bekommen, ganz klar. Doch die Angst vor Ausgrenzung ist wahrscheinlich größer. Ich glaube aber, irgendwann wird es den Ersten geben, der sich traut.

Wird dieses Tabuthema nicht intern diskutiert? Mannschaftskameraden sind doch auch Freunde.

In einer Gruppe von Männern geht es selten um private Dinge. Man unterhält sich über den Sport und anderes. Ihr Privatleben behalten Männer gern für sich. Jedem normal denkenden Menschen sollte dennoch klar sein, dass es Homosexualität auch unter Profifußballern gibt. Für mich wäre es kein Problem gewesen, einen schwulen Mitspieler zu haben.

Was glauben Sie, wie lange die Tabuisierung im Profifußball noch anhält?

Wenn man bedenkt, wie die allgemeine Akzeptanz von Homosexualität in den letzten Jahren zugenommen hat, wird es bald auch den ersten schwulen Profi geben, der sich dazu bekennt.

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12 Kommentare

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  • D
    DeeJay

    Also, Herberts Kommentar ist köstlich..köstlich weltfremd:) Ich erkenne da auf Anhieb nicht den Unterton, der ein anderes Urteil zuließe.

    Nun, ansonsten ist dieses Interview völlig dämlich und überflüssig, weil alles andernorts zu anderer Zeit und ausführlicher von teils qualifizierteren Interviewteilnehmern bereits gesagt wurde. Wohlwollend gehe ich mal davon aus, dass hier von der Redaktion jemand gesucht wurde, der die Wörter "schwule Profi-Fußballer" in den Mund nahm, um die Debatte erneut los zu treten. Vielleicht klappt es ja - wenn ich aber sehe, dass mein Kommentar auf einen Beitrag vom 3.3. kommt, der letzte zuvor vom 4.3. ist - dann scheint auch das Ziel verfehlt. Leider. Ein Coming Out täte dem Profi-Fußball gut. Und ein praktikabeler Lösungsansatz stand bereits mal im Raum: sich zu mehreren zusammen tun und dann gemeinschaftlich per Rundumschlag öffentlich bekennen.. Ich in der Überzeugung, dass vereinsübergreifend einige schwule Fußballer von anderen schwulen Fußballern Bescheid wissen - zudem gibt es bekanntermaßen Berater für schwule Fußballer (liebe taz, wenn man sich mit dem Thema etwas mehr beschäftigt hätte und recherchiert hätte, dann HÄTTE man das wissen können und etwas gehaltvoller berichten können), zu denen ja nicht nur EINER der Herren geht:)

  • H
    Herbert

    Es gibt im Profi-Fußball genau so viele Schwule wie Frauen in der Formel 1.

    Ein Schwuler würde sofort bis zur unerträglichkeit gemobt werden im Team.

  • AV
    Alexander v. Beyme

    Die im Interview angesprochene Rede bei der Siegerehrung des schwulen Hallenfußballturnies StartschussMasters war in der Tat sehr beeindruckend! In voller Länge hier zu sehen: http://www.youtube.com/watch?v=eeU_BmohZ44

  • S
    Sisko

    "Fussball"!!!??? Also kommt, sowas ist doch peinlich!

    Ansonsten spitze Interview! Ich wünschte, ich könnte Reinhardts Optimismus teilen.

    Nur:

    "In einer Gruppe von Männern geht es selten um private Dinge. Man unterhält sich über den Sport und anderes. Ihr Privatleben behalten Männer gern für sich."

    Dem möchte ich aus Erfahrung vehement widersprechen.

    Aber wenn die Fußballer tatsächlich derart verklemmt sind, daß sie selbst in einer Freundschaft nicht vom Privatleben berichten, wird's mit dem Outing und positiven Reaktionen darauf wohl noch eine ganze Weile dauern...

  • UM
    Ulli Müller

    Da sind die Mädels schon weiter,

    ob im Fußball, Radsport, ...!

    Aber so lange es Leute gibt, die die Art von Fangesänge, in denen auch Zidan mit einstimmte, für normal halten.

    Wird azosiales Verhalten, Homophobie, ..., gerade im Fußball verhätschelt.

  • A
    autocrator

    "der sich bekennt" ???

    man kann dazu stehen wie man will: wirklich voran gebracht hat die Community das Outing. Kerkeling, Biolek, Schwesterwelle ... irgendwann kam das spektakuläre Selbst-Outing (alles nur ne frage des timings) vom Wowereit (das aber auch nur halb gelang) ...

     

    Sicher, ganz gewisse Karrierechancen - gerade im Sport - gehen durchein Selbst- oder Fremdouting verloren. Aber ey, junx: ihr verdient millionen ... wenn ihr von heute auf morgen arbeitslos werdet, droht nicht hartz4 & ein bürgerliche privatleben irgendwo in der ausländischen provinz gebettet auf ebendieselben millionen ... es gibt schlimmeres.

     

    Also bitte: nicht so feige, die herren: weder die schwulen, noch die, die outen könnten. - Es wird nicht schlimmer. Nur besser!

  • E
    emil

    "Ihr Privatleben behalten Männer gern für sich."

     

    ist klar, er hat vielleicht noch vergessen zu erklären, dass männer ausschließlich heterosexuell sind.

     

    mal ehrlich, im sport ist die leistung doch zweitrangig. in erster linie muss sich der kram verkaufen, dh die menschen müssen entsprechend aussehen sich verhalten und natürlich der norm entsprechend heterosexuell sein.

    alles was davon abweicht wird zwangsläufig abgestuft werden, weil die gesellschaft alles andersartige ausgrenzt. und sport ist nunmal ein teil der gesellschaft.

    wir sind eben auch deswegen hochkultur, weil wir uns gerne über schwarze, homosexuelle oder behinderte lustig machen. ohne diesen stumpfsinn scheint es nicht zu laufen.

  • X
    xking

    Naja wieso sollte sich irgendein "Profi-Fussballer" outen.

    Zeigt es sich das er sich über etwas anderes als Leistung einordenen will da dieser Spieler über ein "alleinstellungsmerkmal" verfügt.

    Was sicherlich nicht besonders tolle gruppendynamische Prozesse innerhalb einer Mannschaft hervorrufen kann.

  • H
    harry

    kennt noch jemand den damals etwas cremig wirkenden schönling hansi müller?

    in den achtziger jahren im olympiastadion musste ich einmal bei einem spiel Hertha : Vfb Stuttgart, als damals noch selbst ungeouteter schwuler zuschauer erleben, wie bei jedem ballkontakt den dieser müller hatte, der ganze herthablock skandierte:

    "Hansi mach schnell, bist homosexuell"

     

    im nachhinein betrachtet denke ich mir. gar nicht so schlecht. vielleicht ist das tabu gar nicht so streng und die homosexualität eines fussballspielers, selbst für die harten fans, offensichtlich doch zumindest DENKBAR. und dann irgenwann wohl auch akzeptabel. (wenn auch nicht für alle, so doch zumindest für sehr viele)

  • CA
    Captain Ahab

    Schwule Fussballer? Kein Problem. Aber ist das erst mal zur Normalität geworden kommt das TAZ-Mädchen (dasjenige, das schon immer was mit Medien machen wollte) und fordert eine Quote für schwule Fussballer, weil diese immer noch nicht vollständig akzeptiert seien und immer noch gegen Vorurteile zu kämpfen haben und die gerechte Teilhabe immer noch nicht und dies und jenes immer noch - so ungefähr dreimal die Woche fünf Jahre lang bis auch der Letzte entnervt brüllt: "Lass mich endlich in Ruhe mit deinen Schwulen!".

     

    Dann ist es glücklich, das TAZ-Mädle (dasjenige, das schon immer was mit Medien machen wollte, oder der TAZ-Junge, der auch schon immer was mit Medien machen wollte), hat es doch die Homophobie, die mitten in unserer Gesellschaft die gerechte Teilhabe der Schwulen verunmöglicht ein weiteres Mal entlarvt!

  • FB
    Felix Berthold

    Ich finde es ärgerlich, dass die taz den Druck zu einem "Outing-Zwang" wie BILD etc. erhöht!

     

    Und wen fragt sie? Einen heterosexuellen Funktionär, der sechs Jahre beim HSV, vorher beim Bundesligaabsteiger Bielefeld und nicht wirklich ein Spitzenfußballer war. Welche Kompetenz zeichnet ihn aus, darüber urteilen zu können, dass man nur "wenig Bedenken" als schwuler Profifußballer seine "Orientierung preiszugeben"?

  • D
    deviant

    Ich glaube, dass sich das für den Sportler, der sich outet, sehr lohnenswert sein könnte, wenn er bereit ist, den hohen Preis zu bezahlen.

    Denn es würde natürlich polarisieren, die einen würden unterstützen, die anderen ablehnen - aber allein aus der reinen Medienöffentlichkeit, die sich daraus ergibt, könnten ein cleverer, integerer Spieler und ein gewiefter Manager soviel Kapital schlagen, dass sich es sich gewaltig lohnt, jenseits der milchgesichtigen Hackfressen aus der Ferrerowerbung, möglicherweise bereits bei den Trikotverkäufen.

    Und vielleicht greift ja sogar Nivea ganz tief in die Klischeekiste und ersetzt den Bundesjogi; der neue Beetle soll ja auch bald kommen...^^