Journalistin über Lesben in Medien: "Es sei denn, sie sind Mütter"
Die Kommunikationswissenschaftlerin Elke Amberg über die kaum vorhandene Präsenz von Lesben in den Medien, die Vorteile der Schwulen und die Reduktion auf Mutterrollen und gutes Aussehen.
taz: Frau Amberg, in Ihrer Studie "Schön! Stark! Frei!" haben Sie untersucht, wie lesbische Frauen in den Medien dargestellt werden. Was haben Sie herausgefunden?
Elke Amberg: Lesben werden in der Presse nicht benannt, sie kommen als gesellschaftliche Gruppe also nicht vor. Sie werden selten zitiert und stehen fast nie im Mittelpunkt eines Textes. Die Berichterstattung über Homosexuelle dominieren schwule Männer.
Zeitungen schreiben doch aber immer mal wieder über lesbische Mütter.
Das stimmt. Aber das passiert äußerst selten, und das ist die einzige "Rolle", in der Lesben vorkommen. Auch dann heißt es nicht "lesbische Frauen", sondern "zwei Mütter" oder "Regenbogenfamilie". Der Begriff "lesbisch" ist in den Medien offenbar noch stark tabuisiert.
Warum ist das so?
Schwule Männer haben unter anderem durch die Aids-Krise und die dadurch gewonnene Medienpräsenz inzwischen eine andere gesellschaftliche Akzeptanz. Der Begriff "schwul" konnte Karriere machen, sogar in der konservativen Presse. Selbst wenn ein Artikel heute Lesben und Schwule betrifft, beispielsweise beim Steuerrecht für gleichgeschlechtliche Partnerschaften, steht vielfach in der Überschrift "Steuersplitting für Schwule". Das ist schlichtweg falsch. Denn Lesben betrifft es genauso.
ELKE AMBERG 49, ist Kommunikationswissenschaftlerin und Journalistin in München. Im Herbst erscheint im Ulrike Helmer Verlag ihr Buch "Schön! Stark! Frei! Wie Lesben in der Presse (nicht) dargestellt werden". Am Samstag, 16 Uhr, moderiert taz-Chefredakteurin Ines Pohl in der Friedrich-Ebert-Stiftung in Berlin eine Podiumsdiskussion zum Thema.
Spricht es nicht für Gleichstellung, wenn Zeitungen von "Homosexuellen" sprechen, weil damit Lesben und Schwule gemeint sind?
Das wäre schön, aber das Wort homosexuell ist konnotiert mit schwul und Mann. Da heißt es im Text Homo-Ehe und Homo-Hochzeit. Das wird auch so weitergetextet: Homo-Partner und Homo-Gatte. Und im Bild sieht man auch nur Männer.
Schwule Männer treten in der Öffentlichkeit offensiver auf. Da wundert es kaum, dass die Presse sie stärker wahrnimmt.
Meine Analyse von 81 Artikeln aus vier Tageszeitungen hat ergeben, dass eine Vielzahl schwuler Aktivisten und geouteter Politiker genannt oder zitiert wurde und nur eine lesbische Aktivistin und eine Prominente.
Vielleicht ist es manchen lesbischen Frauen ja auch ganz Recht, dass sie nicht im Mittelpunkt stehen.
Das kann ich nicht beurteilen. Aber Fakt ist, dass Lesben historisch zunächst einmal mit ganz anderen existenziellen Themen zu kämpfen hatten und heute noch haben, nämlich mit den "ganz normalen" Frauenthemen: Selbstbestimmung über ihren Körper, Geschlechterrollen, Gewalt, eigenes Einkommen.
Tragen öffentlich präsente Lesben wie die Moderatorinnen Anne Will und Dunja Hayali oder Schauspielerinnen wie Ulrike Folkerts und Maren Kroymann nicht zur Öffnung lesbischen Lebens bei?
Das tun sie. Trotzdem sind lesbische Frauen nicht so öffentlich wie schwule Männer. Fragt man Leute auf der Straße nach prominenten Homosexuellen, nennen sie in der Regel schwule Männer.
Liegt das auch daran, dass prominente Lesben das öffentliche Coming-out fürchten?
Frauen, die in der Öffentlichkeit stehen und selbstbewusst auftreten, bläst oft ein strenger Wind entgegen. Sobald etwas nicht perfekt ist, wird entweder ihre Kompetenz oder ihre Weiblichkeit infrage gestellt. Lesben, die zu ihrer Lebensweise stehen, bieten da eine "offene Flanke". Sie müssen eine gehörige Portion Mut aufbringen, die Klaviatur der Medien gut beherrschen und am besten noch perfekt aussehen.
Weniger feminine Lesben haben es schwerer?
Das habe ich in meiner Studie nicht untersucht. Aber es gibt Analysen über die Darstellung lesbischer Frauen im Fernsehen. Die sehen alle gut aus, sind schlank, langhaarig und immer gut geschminkt. In diesem Raster dürfen lesbische Frauen im TV vorkommen.
Wenn sie nicht so aussehen, kommen sie nicht ins Fernsehen und nicht in die Zeitung?
Es sei denn, sie sind Mütter.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Hoffnung und Klimakrise
Was wir meinen, wenn wir Hoffnung sagen
Abschiebung erstmal verhindert
Pflegeheim muss doch nicht schließen
Künstler Mike Spike Froidl über Punk
„Das Ziellose, das ist doch Punk“
Rechte Gewalt in Görlitz
Mutmaßliche Neonazis greifen linke Aktivist*innen an
+++ Nachrichten im Ukraine-Krieg +++
Slowakischer Regierungschef bei Putin im Kreml
Negativity Bias im Journalismus
Ist es wirklich so schlimm?