Die AfD und der rechte Rand: National statt liberal
In der Patriotischen Plattform sammeln sich stramm-rechte AfD-Mitglieder, unter ihnen auch ein alter Bekannter. Die Partei lässt das geschehen.
BERLIN taz | Ganz rechts außen ist in der Alternative für Deutschland (AfD) ganz viel Platz. Weil die Partei nicht gewillt ist einen klaren Trennstrich zum rechtsextremen Milieu zu ziehen, wächst der Einfluss von Strömungen, die die Partei noch weiter in Richtung Nationalismus verschieben wollen, immer weiter.
Gut nachvollziehen lässt sich diese Entwicklung an Benjamin Nolte. Zwar musste der extrem rechte Burschenschaftler im März von seinem Vorstandsposten in der Jugendorganisation Junge Alternative (JA) zurücktreten, doch seinem Einfluss innerhalb der Partei hat das kaum geschadet. Anfang Dezember gründete Nolte die „Patriotischen Plattform“ in Bayern. In diesem Zusammenschluss organisieren sich AfD-Mitglieder, die sich „nationalliberal“ nennen, aber besonders die erste Hälfte des Wortes betonen. Eine offizielle Parteigliederung ist die Plattform nicht, doch die fehlende Distanzierung aus der Parteiführung lässt ihnen viel Entfaltungsraum.
Vor sieben Monaten sah es kurzzeitig so aus, als wäre Noltes Karriere in der AfD beendet. Nach einer Berichterstattung über seine Verbindungen ins rechtsextreme Milieu zog sich Nolte aus dem JA-Vorstand zurück.
Die taz hatte seine Mitgliedschaft im Altherrenverband der vom bayerischen Verfassungsschutz als rechtsextrem eingestuften Münchener Burschenschaft Danubia öffentlich gemacht und über einen rassistischen Vorfall auf einer Festveranstaltung der Deutsche Burschenschaft (DB) 2009 in Eisenach berichtet. Damals hatte Nolte gegen einen schwarzen Burschen gehetzt und mit einer Bananen-Übergabe provoziert.
Begrenzte Aufregung
Doch die Empörung in der AfD hielt sich in Grenzen. Mit Noltes Verzicht auf sein Amt in der Jungen Alternative war die Angelegenheit erledigt. Ein Ausschlussverfahren gegen ihn wurde nicht angestrengt, zu gering seien die Erfolgsaussichten, urteilte Parteichef Bernd Lucke. Eine Abgrenzung von Nolte blieb aus. Der rassistische Eklat liege lange zurück und sei unter Alkoholeinfluss geschehen, außerdem habe sich Nolte wiederholt entschuldigt, hieß es damals allenthalben.
Nolte trat seitdem als Wahlkämpfer der Münchner AfD im Europawahlkampf, als Security bei Parteiveranstaltungen und auch beim Landesparteitag der AfD Bayern in Erscheinung, wie Recherchen von Robert Andreasch vom antifaschistischen a.i.d.a Archiv München belegen. Auch bringe Nolte zu Veranstaltungen „tischweise Burschenschaftler“ mit. Umstritten scheint der Partei-Rechtsaußen nicht zu sein, „sonst würden sie ihn nicht nach außen präsentieren“, sagt Andreasch.
Zusammen mit einigen Burschenschaftlern und Ex-Mitgliedern der rechtsextremen Kleinstpartei Die Freiheit hat Nolte nun also die Patriotische Plattform in Bayern gegründet. Ganz nach dem Vorbild Sachsens, wo sich der rechte Parteiflügel schon seit Monaten in der Plattform organisiert.
Die dort versammelten Patrioten bekämpfen den als zu liberal kritisierten Kurs von Parteichef Lucke. Dabei ist ihnen keine Aussage zu radikal, kein Ressentiment zu weit hergeholt, kein Populismus zu billig. In der Gründungserklärung heißt es in fast schon völkischem Tonfall: „Das deutsche Volk ist die Gesamtheit der Menschen, die unsere Kultur tragen.“
Was die Plattform vermutlich als Liberalismus versteht, schiebt sie hinterher: „Wir sind gerne Deutsche und heißen jeden in unserer Mitte willkommen, der unsere Sprache spricht, der sich wie wir mit unserem Land identifiziert und sich als Deutscher versteht, ganz gleich, wo seine Eltern geboren sind.“
Gemeinsame Sache mit Pegida
Aus diesem Selbstverständnis heraus, wollen die Mitglieder der Plattform die AfD zum parlamentarischen Arm der Pegida-Bewegung machen. Was Pegida noch fehle, sei „eine Partei, die den Protest in die Parlamente trägt“, schrieb Hans-Thomas Tillschneider, Mitglied des sächsischen Landesvorstandes der AfD und der Patriotischen Plattform unlängst auf der Website der Plattform. „Das wahre Problem ist der langsame und stete Prozeß der Verwirklichung von mehr und immer mehr Islam“, heißt es dort weiter.
Aus der AfD hört man zu den Inhalten und Bestrebungen der Plattform wenig. Bayerns Landesvorsitzender Andre Wächter verweist auf Nachfrage der taz darauf, dass die Mitgliedschaft der Partei eben „heterogen“ sei, er daher „keine Probleme“ mit dem Zusammenschluss habe. Auch die Teilnahme einiger AfDler an einer Pegida-Demo in Würzburg sei „deren gutes Recht“.
Andererseits betont Wächter, dass es sich um keine Organisationsstruktur der AfD handele. Denselben Status hatte anfänglich auch die Junge Alternative, bis sie schließlich offiziell anerkannt wurde. Befürworte er solch einen Weg auch für die Patriotischen Plattform? „Das muss die Bundesebene der Partei entscheiden.“
Auch Uwe Wurlitzer, Generalsekretär im von Frauke Petry geführten sächsischen Landesverband der AfD, sieht den Bundesverband in der Verantwortung. Doch erstmal müsse sich die Partei ein Programm geben, um über eine mögliche offizielle Anerkennung der Plattform zu entscheiden. Obwohl die Plattform in Sachsen seit Monaten stark vertreten und prominent besetzt ist, sagt Wurlitzer, er habe sich mit „deren Inhalten noch nicht beschäftigt“.
Die Begeisterung der Plattform-Mitglieder für die Pegida-Demonstrationen hält auch Wurlitzer nicht für problematisch. Gegenüber der taz bestätigte er, dass die Organisatoren der Dresdner Demo von der Fraktion in den Landtag eingeladen wurden. Das Treffen solle im Januar stattfinden.
Wurlitzer und Wächter stehen durchaus repräsentativ für den Kurs der Gesamtpartei. Wohl in dem Wissen, dass die Patrioten näher an der Stimmung der Parteibasis sind als der um sein Überleben kämpfende Flügel um Lucke und Hans-Olaf Henkel, lässt man sie gewähren und vermeidet inhaltliche Kritik. Solange die Strömung kein offizielles Parteiorgan ist, kann man sich bei kritischen Nachfragen bedeckt halten. Für Nolte und Konsorten ist das eine positive Nachricht. Vielleicht macht Bananen-Nolte doch noch Karriere in der AfD.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Machtkämpfe in Seoul
Südkoreas Präsident ruft Kriegsrecht aus
Christian Lindner
Die libertären Posterboys
Nikotinbeutel Snus
Wie ein Pflaster – aber mit Style
Israel, Nan Goldin und die Linke
Politische Spiritualität?
Olaf Scholz’ erfolglose Ukrainepolitik
Friedenskanzler? Wäre schön gewesen!
Comeback der K-Gruppen
Ein Heilsversprechen für junge Kader