Nach dem Volksentscheid: Jetzt geht’s ums nächste Ja
Nachdem die Außerparlamentarier mit ihrem Gesetz gescheitert sind, will die Opposition die Regeln für künftige Volksentscheide ändern.
Sie haben verloren, aber sie sehen sich als Gewinner: alles ganz normales politisches Geschäft an Tag eins nach dem gescheiterten Versuch des Berliner Energietischs, die Rekommunalisierung per Volksentscheid zu forcieren. „Wir sitzen hier nicht mit hängenden Köpfen“, sagt Kampagnenleiter Michael Efler, als es gilt, Bilanz zu ziehen, Fehler zu analysieren, Pläne zu schmieden.
Dass die Stimmung der Initiative nicht komplett am Boden ist, liegt auch am Abstimmungsergebnis: Schließlich fehlten nur 0,9 Prozent (s. Grafik). Dieses Ergebnis, finden sie, sei eine klare Botschaft an den Senat, dass die Berliner eine Rekommunalisierung der Stromnetze wollen. „Wir kämpfen weiter dafür, dass die Energieversorgung ökologischer, sozialer und demokratischer wird“, so Co-Kampagnenleiter Stefan Taschner.
Die Gründe für das Scheitern, da sind sich alle einig, liegen beim Senat: der habe den Termin am Tag der Bundestagswahl verhindert und im Oktober noch eine „Light-Version“ des Energietisch-Entwurfs verabschiedet.
Da der außerparlamentarische Druck nicht gereicht hat, sieht sich nun die innerparlamentarische Opposition in der Pflicht: „Wir haben den Anspruch, die 600.000 Menschen zu vertreten, die dafür waren“, sagt Michael Schäfer, energiepolitischer Sprecher der Grünen-Fraktion.
Auch Pavel Mayer, wirtschafts- und energiepolitischer Sprecher der Piraten, bekräftigt gleich, dass die Opposition in der Energiepolitik nun noch stärker als einheitliche Front agiere. Linken-Landeschef Klaus Lederer wiederum erklärt, ohne die Allianz auch mit außerparlamentarischen Bewegungen „haben wir keine Chance“. Man werde nun „oppositionsübergreifend“ Gesetze einbringen. Nur Grünen-Mann Schäfer kündigt schon mal an, auch Anträge zu stellen, „die Linke und Piraten nicht so gut finden“; und plädiert zugleich dafür, sich mit allen Akteuren zusammenzusetzen: „Wir wollen nicht drei Jahre Wahlkampf machen.“ Kleinster gemeinsamer Nenner für ihn: ein starkes Stadtwerk und Transparenz bei der Netzvergabe. Die neue Realität, mit der die Akteure sich nun konfrontiert sehen, ist das Energietischgesetz „light“ der Koalition. „Auf die blumigen Ankündigungen der Regierung müssen nun auch Taten folgen“, meint Lederer. Eine davon ist der Vorschlag von SPD-Mann Daniel Buchholz, 5,5 statt 1,5 Millionen Euro für das Stadtwerk einzuplanen. Ein „Witz“, so Lederer, Schäfer ätzt: „Drei mal null bleibt null.“
Abgesehen von der künftigen Energiepolitik sieht die Opposition vor allem Handlungsbedarf bei den Regeln für Volksentscheide: „Es gilt, in Zukunft solche schmutzigen Tricks der Regierung zu verhindern“, sagt Pirat Mayer, schließlich stehe 2014 schon die nächste Abstimmung über die Zukunft des Flughafens Tempelhof an. „Grobe Fouls“ seien Tabu, findet auch Klaus Lederer: „Ich spreche mich deutlich dagegen aus, dass die Regierung in Zukunft nach Gutdünken Wahltermine festlegen kann.“ Er sieht bei diesem Aspekt „Spielraum“ – anders als beim Dauerstreitthema Quorum. Es könne klappen, die Fristenregeln rechtzeitig zu ändern, damit die nächste Abstimmung auf die Europawahl Ende Mai fällt: Die Regierung habe ja gezeigt, dass sie schnell agieren könne, als sie gerade noch schnell das „Mini-Stadtwerk“ verabschieden ließ.
Die Energietischler schalten erst einmal einen Gang zurück. Sie treffen sich morgen, um zu bereden, wie es weitergeht. „Basisdemokratie ist eben ein langsamer Prozess“, sagt Taschner.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Umgang mit der AfD
Sollen wir AfD-Stimmen im Blatt wiedergeben?
Pistorius lässt Scholz den Vortritt
Der beschädigte Kandidat
Böllerverbot für Mensch und Tier
Verbände gegen KrachZischBumm
Haftbefehl gegen Netanjahu
Begründeter Verdacht für Kriegsverbrechen
Social-Media-Verbot für Jugendliche
Generation Gammelhirn
Krieg in der Ukraine
USA will Ukraine Anti-Personen-Minen liefern