Diskriminierung: Psychisch krank – keine Bleibe
Das „Ge“ von Gewosie steht für gemeinnützig. Doch einer Frau mit psychischer Erkrankung hat die Genossenschaft eine Wohnung verwehrt.
taz | Immer pünktlich die Miete überwiesen, kein Schufa-Eintrag, unauffälliges Verhalten – das sollte eigentlich reichen, um eine Wohnung mieten zu können. Nicht aber, wenn sich jemand beim Vermieter als „psychisch krank“ outet. Das zeigt der Fall der Frau Meier*. Sie möchte nach Blumenthal ziehen. Deshalb schrieb sie einen Brief an die Wohnungsbaugenossenschaft Gewosie, früher: „Gemeinnützige Wohnungs- und Siedlungsbaugenossenschaft“. Diese unterbreitete daraufhin Frau Meier Angebote. Sie ging mit ihrer Betreuerin zum Vorstellungsgespräch – und bekam nach kurzer Zeit eine Absage – ohne Begründung.
Auch die Unterstützung durch die Bremer Werkgemeinschaft (BWG), die psychische kranke Menschen betreut und darauf hingewiesen hat, dass das Sozialamt die Miete direkt überweist, hat bisher keinen Erfolg gehabt. Die Antworten der Gewosie auf die Nachfrage der BWG fielen kurz aus: „Nein, wir möchten keine Begründung nennen. Wir können die Mieter aussuchen.“ Ein Brief mit dem Verweis, dass Frau Meier bereits seit Langem bei der Gewoba ihre Wohnung gemietet hatte, brachte auch im August diesen Jahres nichts Neues – die Antwort der Gewosie: „Auch nach einer erneuten Überprüfung hat sich an der Entscheidung nichts geändert. Bitte akzeptieren Sie diese.“
Auf ihrer Homepage macht sich die Gewosie für Barrierefreiheit stark und lobt sich selbst dafür, dass „die Gewosie seit Jahren barrierefreie oder behindertenfreundliche Wohnungen realisiert“. Diese Barrierefreiheit sei aber auf Senioren bezogen, „nicht auf körperlich oder seelisch erkrankte Menschen“, so präzisierte Gewosie-Vorstand Gabriele Hoppen gegenüber der taz. Wer Mieter werde, entscheide der Vorstand. Eine Ablehnung werde grundsätzlich nicht begründet, „bei allen Bewerbern“, erklärte Gewosie-Sprecherin Jutta Never. Zum konkreten Fall will sich der Vorstand nicht äußern, ohne richtigen Namen sei es allemal schwer, eine Stellungnahme zu geben, so Hoppen – die Gewosie habe täglich viele oft „unerfüllbare“ Wohnungsanfragen.
„So einen krassen Fall hatten wir noch nie“, sagt BWG-Geschäftsführer Lutz-Uwe Dünnwald: „Frau Meier war so ehrlich zu sagen, dass sie psychisch krank ist und betreut wird. Dieses wurde ihr zum Verhängnis.“ Dabei habe die BWG jahrelang nur gute Erfahrungen mit ihr gemacht. Eine Mitarbeiterin würde sogar privat für sie bürgen.
Bis heute wohnt sie in ihrer Gewoba-Wohnung in Gröpelingen und sucht weiter. Rechtliche Schritte gegen die Gewosie möchte die BWG unterlassen, Dünnwald sieht dazu keine Handhabe.
Gert Brauer, Vorsitzender des Bremer Mieterschutzbundes, geht davon aus, dass in diesem Fall ganz bewusst keine Ablehnungsbegründung genannt wurde, um nicht explizit gegen den Gleichheitsgrundsatz zu verstoßen. Er kenne das aus anderen Fällen.
Kai Steuck, Referent des Landesbehindertenbeauftragten verweist in diesem Fall auf sein Chef Joachim Steinbrück. Liegt ein solcher Fall vor, könne er sich mit beiden Streitparteien zusammensetzen. Steinbrück hat schließlich Mediation studiert.
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