Olympia – 4x100-Meter-Staffellauf: Erst Weltrekord, dann Bier holen
Die Amerikaner stellen den Weltrekord ein und sind wieder nur Zweiter, weil die Jamaikaner mal eben neuen Weltrekord laufen. Und um Platz Drei gibt spielt sich eine Tragödie ab.
Die Startbedingungen: Es ist der – der! – Wettkampf der gesamten Spiele: Der 4x100-Meter-Staffellauf der Männer. Zum letzten Mal heißt es USA gegen Jamaika. Auf den Sprintstrecken haben die jamaikanischen Männer fünf von sechs Medaillen geholt und den Amerikanern nur einen dritten Platz überlassen – aber auch nur, weil Asada Powell verletzungsbedingt ausfiel. Nur bei den Frauen haben die USA mit 2:1 Goldmedaillen die Nase vorn. Aber jetzt haben auch die US-Boys die Chance zur Revanche.
Die Entscheidung: Erste Runde: Der amerikanische Startläufer Trell Kimmon führt vor dem Jamaikaner Nesta Carter. Dann die Staffelübergabe an Justin Gatlin, Bronzemedaillengewinner über 100 Meter. Im Duell gegen Michael Frater baut er den Vorsprung der Amerikaner weiter aus. Und Tyson Gay kommt ja erst noch.
Für den Moment sieht es so aus, als könnten es die USA den Triumph ihrer Kolleginnen vom Vortag wiederholen. Gay muss wütend sein, dass er über die 100 Meter nur Vierter wurde. Er rennt. Er rennt schnell. Aber hinter ihm rennt Yohan Blake, der zweifache Silbermedaillengewinner von London. Blake holt den Rückstand auf, beide übergeben ihren Stab fast gleichzeitig. Aber was für eine schlampige Übergabe bei den Jamaikanern! Bolt startet mit Rückstand. Aber nach nur wenigen leichtfüßigen Schritten liegt er einsam vorn und rennt triumphierend über die Ziellinie. Er hat den Staffellauf quasi allein gewonnen.
Die US-Boys sind die Strecke in 37,04 Sekunden gelaufen und haben damit den – natürlich von Bolt, Blake & Co. gehaltenen – Weltrekord eingestellt. Aber die sind den Amis wieder eine Nasenlänge voraus und laufen mal eben einen neuen Weltrekord: 36,84 Sekunden! Danach liegen die Amis erschöpft und frustriert auf dem Boden. Sie laufen Weltrekordzeit und sind trotzdem nur Zweite.
Bolt wirkt natürlich nicht erschöpft, wie könnte er? Er zeigt die üblichen Bolt-Gesten und trommelt auf der Brust. Irgendwann schleicht sich Blake mit einer jamaikanischen Fahne in der Hand zu ihm. Von den anderen beiden Jamaikanern ist nichts zu sehen. Vielleicht hat Bolt sie zum Bierholen geschickt. Jedenfalls feiert er nicht mit seinem Team, sondern legt sich erstmal mit Männern in grauen Anzügen an, die von ihm verlangen, dass er Staffelstab aushändigt. („Der muss in die Aservatenkammer“, heißt es auf Eurosport, was wieder neue Fragen aufwirft: Wo ist diese olympische Aservatenkammer? Und wird alles Gerümpel aus 118 Jahren aufbewahrt? Die Black-Panther-Handschuhe von 1968, Cathy Freemans Ganzkörperanzug aus dem Jahr 2000 und sämtliche positive Urinproben bulgarischer Gewichtheber? Jedenfalls dauert es ewig, bis sich Bolt zum Gruppenfoto einfindet.
Das Drama: Nach dem Lauf führt nur ein Team Freudentänze auf: Die Kanadier, die überraschend dritte wurden. Gavin Smellie, Oluseyi Smith, Jared Connaughton und Justyn Warner liegen sich in den Armen, hüpfen wie kleinen Jungs und hüllen sich in die obligatorischen Landesfahnen. Und dann der Schock: Disqualifikation wegen Überschreitens der Bahnlinie. An ihrer statt wird die Staffel von Trinidad und Tobago (Keston Bledman, Marc Burns, Emmanuel Callender und Richard Thompson) Dritter. „Schummelbronze“, kommentieren internationale Medien.
Die Schlussfolgrung: Bolt. Mit ihm als Schlussläufer könnte auch die Lansdesauswahl von Mecklenburg-Vorpommern eine olympische Medaille gewinnen.
Und sonst? Kein Bolt. Am Sonntag ist nur noch Marathon, den er aber nicht mitläuft. Vielleicht ändert sich das ja in Rion. Denn was könnte er jetzt, nach der Verteidgung des Triples, auf seinen Distanzen noch erreichen?
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