Deutsche Läuferin über Sportförderung: „Wir werden nicht unterstützt“
Das Leben als Leichtathletin ist kein Ponyhof. Die deutsche 400-Meter-Läuferin Maral Feizbakhsh fühlt sich nicht ausreichend unterstützt.
taz: Frau Feizbakhsh, allerorten wird über Sportförderung diskutiert, wie finanzieren sich die deutschen Olympioniken für gewöhnlich das tägliche Leben?
Maral Feizbakhsh: Sehr viele Athleten sind Sportsoldaten. Eigentlich ist das gar nicht so schlecht. Sie trainieren weiter bei ihrem Heimatverein und müssen sich nur einmal im Monat in der Kaserne blicken lassen. Die bekommen einen ordentlichen Lohn und eine bezahlte Wohnung. So kann man sich ganz und gar auf den Sport konzentrieren.
Aber?
Die Sportler müssen sich verpflichten lassen und stehen in einer Abhängigkeit. Außerdem definieren sich die meisten dann nur noch über den Sport, das kann leicht schiefgehen. Man weiß eben nie, was im nächsten Monat passiert. Der psychische Druck, der dann entsteht, ist nicht gut im Wettkampf.
Was gibt es für Alternativen, wie finanzieren Sie sich?
Ich wollte nie alles auf eine Karte setzten und habe meinen Bachelor gemacht. Mein Verein, der TV Wattenscheid, hat mich die letzten zwei Jahre ein wenig unterstützt. Zum Leben reichte das aber nicht. Meine Noten im Studium waren gut, und ich bin in ein Stipendium reingerutscht. Das hat nichts mit dem Sport zu tun. Ich hatte Glück, denn sonst hätte ich nebenbei jobben müssen. Dann hätte ich es sicher nicht bis zu den Olympischen Spielen geschafft.
Warum haben Sie kein Sportstipendium?
Das bekommen nur Leute, die schon richtig, richtig gut sind. Also die Läufer, die sowieso schon für jeden Wettkampf Prämien bekommen und auch Geld vom Verein. Die sind auf das Geld eigentlich gar nicht mehr angewiesen. Ich habe erst in diesem Jahr zu meiner Form gefunden. Die Leute im Nachwuchsbereich werden nicht unterstützt, weder durch Stipendien noch durch Werbeverträge. Leichtathletik ist eben nicht Fußball, wo jeder Fünftligist schon seine Wohnung davon bezahlen kann.
Sie bleiben in London, denn Sie studieren dort jetzt weiter. Richtig?
In Amerika und England kann man mit den Sportstipendien sein Studium finanzieren. Aber dann ist man Verfügungsmasse der Uni. Die finanzieren einen, und dafür muss man sich sportlich prostituieren. Denen ist es egal, ob man sich in einem Jahr kaputtläuft oder nicht. Dann kommt eben der Nächste. Ich bin froh, dass ich auch in London durch den Verein und das normale Stipendium gefördert werde.
Maral Feizbakhsh, 22, studiert Journalismus und Public Relations. Am Freitag startet sie in der 4x400-Meter-Staffel.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Exklusiv: RAF-Verdächtiger Garweg
Meldung aus dem Untergrund
Anschlag auf Magdeburger Weihnachtsmarkt
Vieles deutet auf radikal-islamfeindlichen Hintergrund hin
Keine Konsequenzen für Rechtsbruch
Vor dem Gesetz sind Vermieter gleicher
Wahlprogramm von CDU und CSU
Der Zeitgeist als Wählerklient
Russische Männer auf TikTok
Bloß nicht zum Vorbild nehmen
Anschlag in Magdeburg
„Eine Schockstarre, die bis jetzt anhält“