Kanu-Medaillengewinner Brendel und Hoff: Der Lustpaddler und der Sportarbeiter
Sebastian Brendel und Max Hoff gewinnen Medaillen in Dorney Lake. Beide sind deutsche Ausnahmesportler – und könnten doch kaum unterschiedlicher sein.
ETON DORNEY taz | Die Sonne ist dann doch noch durchgekommen an diesem Tag, der so grau begonnen hatte in Eton Dorney vor den Toren Londons. Die ersten Entscheidungen der Rennkanuten waren gefallen und zwei starke deutsche Männer strahlten. Sebastian Brendel hatte Gold über 1.000 Meter im Kanadier gewonnen und Max Hoff Bronze über die gleiche Distanz im Kajak.
Sie fühlen sich gut mit ihren Plaketten um den Hals. Sie freuen sich nach den Entbehrungen wieder auf ihre Familien und Freunde. Sie genießen es, bei Olympia auf dem Podium zu stehen. Es sind Sätze, wie sie oft fallen in diesen Tagen, Medaillengewinnersätze. Und doch könnten die zwei Sportler unterschiedlicher kaum sein.
Sebastian Brendel, 24, der sich nach der Siegerehrung erst einmal auf eine Tischkante setzen muss, so „weiche Beine“ hatte er, ist ein Gewächs der deutschen Spitzensportförderung. Mit zwölf Jahren schickte ihn sein Jugendtrainer, der ihn in Schwedt entdeckt hatte, in die Sportschule Potsdam. Seitdem arbeitete er getrennt von seiner Familie an seiner Karriere.
Nach der Schulzeit hat er eine Ausbildung bei der Bundespolizei begonnen, die Spitzensportlern Training auf höchsten Niveau ermöglicht. 25 Stunden pro Woche arbeitet er im Boot und im Kraftraum. Trotzdem kritisierte er nach seinem Sieg dieses Fördersystem: „Wenn wir wollen, dass der deutsche Sport in den nächsten Jahren erfolgreich ist, müssen wir mehr investieren.“ Denn der 1,92 Meter große Hüne will weiterschuften und in vier Jahren in Rio wieder dabei sein.
Vom Unglücksraben zum Olympiasieger
Max Hoff ist sogar noch einmal fünf Zentimeter größer. Auch er spricht von Entbehrungen, von diesem Jahr, in dem er so viel gearbeitet habe wie nie zuvor. Er berichtet aber auch vom Spaß, den er auf dem Wasser hat. Er wirkt so, als würde er gleich wieder lospaddeln wollen. Als Kind hat er im Wildwasser begonnen, seit 2007 ist er auf Regattastrecken unterwegs.
Nebenbei hat er ein Biologiestudium abgeschlossen. Derzeit absolviert der einen Aufbaustudiengang in Betriebswirtschaft. „Ich muss erst einmal schauen, wie es beruflich weitergeht“, sagt er. Auch Hoff will nach Rio – zur WM im nächsten Jahr. An die Spiele 2016 denkt er noch nicht.
Goldmedaillengewinner Brendel schüttelt auch eine Stunde nach seinem Erfolg immer noch den Kopf. „Das Pech der vergangenen Jahre ist jetzt endlich vergessen“, sagt er. An die unglaubliche Szene, die ihm bei der WM vor einem Jahr in Szeged das Image des Unglücksraben eingebracht hat, habe er vor dem Rennen nicht mehr gedacht. Da war ihm beim Start das Paddel gebrochen.
Und auch an die unglückseligen Ausscheidungsrennen gegen Kanadierlegende Andreas Dittmer (dreimal Gold bei Olympia) vor den Spielen in Peking muss Brendel nun nicht mehr denken. Der damals 20-Jährige scheiterte um Hundertstel und musste als Ersatzmann in Peking mit ansehen, wie Dittmer als Mitfavorit scheiterte. In Eton steht der ehemalige Widersacher auf der Tribüne und jubelt Brendel zu. „Am Abend feiern wir zusammen“, sagt Brendel. Aber nicht zu viel. Über 200 Meter geht er noch einmal an den Start. Er will sich ins Finale arbeiten.
Publikum als Hemmschuh
Auch Hoff gilt nicht unbedingt als Glückskind. Der 29-Jährige sagt, es falle ihm schwer, bei den ganz großen Ereignissen seine Leistung abzurufen. Vor vier Jahren war er als überlegener Halbfinalsieger bloß Fünfter geworden. In London sah er sich nach seinen Trainingszeiten auch selbst ganz vorne. „Vor dem Rennen hatte ich dann diesen Kloß im Hals“, erzählt er. „Manche können sich vom Publikum tragen lassen, für andere ist es eher eine Bremse.“ Hoff gehört zu den anderen.
Er wendet sich ab und geht zu einem Monitor. „Auf geht’s Mädels!“, ruft er. Der deutsche Viererkajak mit Carolin Leonhardt, Franziska Weber, Katrin Wagner-Augustin und Tina Dietze holt gerade Silber.
Hoff freut sich darüber, wie er sich über Bronze für Martin Hollstein und Andreas Ihle im Zweierkajak freut. Am nächsten Tag darf er dann wieder selbst paddeln. Mit dem Männervierer kämpft er um eine weitere Medaille. Paddeln, endlich wieder paddeln.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!