Homosexuelle bei Olympia: Nie waren die Spiele schwuler
Olympischer Rekord: 22 bekennend homosexuelle Athleten und Athletinnen gehen an den Start – so viele wie noch nie. Weitere Outings könnten folgen.
![](https://taz.de/picture/201654/14/matthewmitcham.jpg)
Fast 11.000 AthletInnen sind im olympischen Dorf untergebracht, streng nach Geschlechtern getrennt. Am wenigsten stören sich an der Prüderie des IOC vermutlich die 22 offen homosexuellen SportlerInnen. Die drei Männer und 19 Frauen kommen aus Europa, Australien, Südafrika und den USA.
Die schwedischen Fußballerinnen sind gleich drei mal vertreten, ebenso die niederländischen Hockeyspielerinnen. Zwei Drittel der schwulen Community treten im Dressurreiten an (Edward Gal, Carl Hester), komplettiert wird die Runde durch den australischen Turmspringer Matthew Mitcham.
Dass sich die Sedlbstgeouteten, sofern sie denn auf der Suche nach einem besonderen olympischen Dorf-Abenteuer sind, nur im Kreise der 22 umschauen können, gilt indes nicht nur statisch als ausgeschlossen. Noch nicht einmal die päpstlich Verbohrtesten würden annehmen, dass die Homosexuellenquote bei nur 0,2 Prozent liegt.
Spekulationen über Homoquoten in ganz anderen Größenordnungen hat ein Ereignis am vergangenen Montag ausgelöst. An dem Tag, als die ersten Athleten im olympischen Dorf Einzug hielten, brach die Homo-App Grindr im Osten Londons zusammen, mit deren Hilfe sich Männer anzeigen lassen können, wer in der unmittelbaren Nachbarschaft mit demselben Programm auf Kontaktsuche ist.
Bitten Sportler um Asyl?
Die Zeitung The People schrieb auf ihrer Homepage, dass „die Ankunft der Olympiamannschaften eine Flut von neuen Kunden auslöste.“ Grindr wollte sich dieser Theorie in einer Stellungnahme zum Ausfall ihres Dienstes nicht vorbehaltlos anschließen und sprach von „einem kleinen oder keinem Effekt“ durch das Eintreffen der Sportler. Angesichts von 350.000 registrierten Nutzern allein in London müsste es sich auch um eine wirklich stattliche Anzahl cruisender Olympioniken handeln.
Andererseits ist die Zahl homosexueller AthletInnen im Vergleich zu den Spielen in Peking und Athen regelrecht explodiert. Damals wusste man lediglich von 10 bzw. 11 SportlerInnen, die sich öffentlich geoutet hatten. Dafür, es nicht zu tun, spricht auch im Jahr 2012 noch Einiges.
In Ländern, in denen Homosexualität gesellschaftliche Akzeptanz erlangt hat, müssen Sportler berechtige Angst haben, zukünftig vor allem als lesbische oder schwule Athleten wahrgenommen zu werden. In anderen Ländern droht den sich offen Bekennenden im günstigen Fall das Karriereende, im ungünstigen eine Strafverfolgung.
Auf dem Blog „Gay voices“ der Huffington Post wird gemunkelt: „Es ist vorstellbar, dass sich schwule und lesbische Athleten aus Ländern, in denen Homosexualität illegal ist, während der Spiele outen und in Großbritannien um Asyl suchen werden.“ Somit könnte sich die Anzahl der bekannten Homosexuellen in den nächsten Tagen doch noch erhöhen.
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