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Zensur in RusslandSeiten sperren jetzt ganz einfach

Gegen Kinderpornographie und Verharmlosungen von Drogen soll ein neues russisches Gesetz angeblich vorgehen. Kritiker fürchten Einschränkungen der freien Meinungsäußerung.

Analoger Informationsfluss ist der russischen Regierung lieber als das böse Internet, wie es scheint. Bild: dapd

MOSKAU afp | Das russische Parlament hat am Mittwoch ein umstrittenes Gesetz zur Freiheit im Internet beschlossen. Der Gesetzesvorschlag richtet sich offiziell gegen Webseiten mit Kinderpornographie, Verharmlosungen von Drogen sowie Anleitungen zum Selbstmord, die ohne juristisches Verfahren gesperrt werden sollen. Das Gesetz muss noch von Präsident Wladimir Putin unterzeichnet werden und soll im November in Kraft treten.

Kritiker sehen in dem Gesetz einen Versuch, die freie Meinungsäußerung einzuschränken. „Ziel dieses Gesetzes ist es, Dissens in unserem Land auszulöschen“, erklärte der kommunistische Abgeordnete Anatoli Lokot. Der regierungskritische russische Blogger Alexej Nawalny sprach im Kurznachrichtendienst Twitter von „Idioten“, nachdem sogar Abgeordnete der Opposition für das Gesetz stimmten.

Der russische Sicherheitsexperte Andrej Soldatow erklärte, die Regierung werde mit dem Gesetz versuchen, ausländische Internetseiten zu sperren. Aus Protest gegen das Gesetz hatten die Macher des russischsprachigen Angebots von Wikipedia die Seite am Dienstag abgeschaltet.

Neben dem umstrittenen Gesetz billigte das Parlament am Mittwoch zudem in erster Lesung ein Gesetz, mit dem Beleidigungen künftig mit bis zu fünf Jahren Haft geahndet werden sollen. Das Gesetz könnte noch in dieser Woche verabschiedet werden.

Seit der umstrittenen Wahl Putins zum Präsidenten wurde in Russland eine Reihe von Gesetzen erlassen, die den Spielraum der Opposition einengen. So müssen sich voraussichtlich Nichtregierungsorganisationen, die aus dem Ausland finanziell unterstützt werden, künftig als „ausländische Agenten“ registrieren lassen. Zudem wurde vor wenigen Wochen das Demonstrationsrecht drastisch verschärft.

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8 Kommentare

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  • E
    Edelweiß

    Kinderpornographie als Vorwand für Internetsperren - das kommt mir irgendwie bekannt vor. Wer wollte dies bei uns einführen? Achja, Frau von den Laien alias Zensursula.

  • D
    Denis

    Putin sollte endlich mal gegen den Rassismus in der russischen Polizei vorgehen. Russische Polizisten schlagen nämlich sehr gerne Nichtrussen zusammen oder bringen sie sogar um. Das wäre für die russische Gesellschaft wichtiger als die jetzige Internetzensur.

  • B
    Benz

    @Hans

    Na dann schalten Sie doch mal eine Seite auf, auf der zum Dschihad aufgerufen/für Drogen geworben/Kinderpornographie angeboten wird und warten Sie auf die Reaktion der deutschen Behörden.

     

    Den Behörden können Sie dann erklären, dass RU und China Diktaturen sind, DE aber eine freie Demokratie.

  • B
    Benz

    @Kant

    Stimmt, die Kommunisten, die grösste Oppositionspartei, haben beim Ausl.-Agent-Gesetz ja gestimmt, und hier auch wieder. In sicherheitspolitischen Fragen haben Kommunisten und Regierung viel gemeinsam, Welten trennen sie vorwiegend in wirtschaftlichen Fragen.

     

    In beiden Fällen kam die Kritik eher von marginalen Gruppen als von den bedeutsamen Oppositionsparteien.

     

    @Jackworse

    Soviel ich weiss, werden die syrischen Rebellen nach wie vor mit Waffen von den USA und ihren Vasallen beliefert. Die Philantropen, die.

  • H
    Hans

    So ist es mit den post-Kommunistischen, jetzt autokratisch-diktatorischen Staaten wie China, Russland und Co. Sie haben entdeckt wie gefährlich das Internet für ihre Strukturen ist und das es den Bürgern erlaubt, sich fernab von Staatsdiktat zu informieren und zu organisieren.

     

    Unrechtsstaaten erkennt man u. a. auch daran, dass sie ihren Bürgern den Zugang zum Internet beschneiden (Deutschland, die EU und Co haben es ja auch schon versucht, aber da waren die Bürger schnell genug).

  • B
    Benz

    Das ist gut. Allzu lange stellten kaukassische Banditen Videos von Hinrichtungen ´´Ungläubiger´´ ins Internet und predigten ihre Ideologie vom heiligen Krieg, oder veröffentlichten Neonazis Aufnahmen, wie sie brutal Schwarze verprügeln. Das neue Gesetz bietet dagegen eine wirksame Handhabe.

     

    Vorbeugen ist besser als heilen. Will heissen, Propaganda und damit das Anwerben neuer Anhänger zu verhindern ist besser, als zu warten bis diese Anhänger ein Verbrechen begehen und erst etwas gegen sie zu tun.

  • J
    jackworse

    Na, zum Glück verkaufen die Russen erstmal keine Waffen mehr an Syrien. Die alten Philanthropen, die.

  • R
    r.kant

    Beim Gesetz gegen die Nichtregierungsorganisationen war doch auch die Opposition dafür oder etwa nicht? Ich glaube sogar die Kommunisten waren dafür.