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Hebammenausbilder über Kostendebatte„Das ist ein Luxus obendrauf“

Klaus Vetter, Hebammenausbilder, versteht die Debatte um die steigenden Versicherungskosten für freie Hebammen nicht: Dies sei eben der Preis für Abenteuerlust.

Noch immer eine Ausnahmesituation: Hebamme im Vorfeld einer Hausgeburt. Bild: dapd
Interview von Kristiana Ludwig

taz: Herr Vetter, die Versicherungskosten für Hebammen steigen. Ist ihr Berufsstand in Gefahr?

Klaus Vetter: Nein. Diese Kosten treffen schließlich nur freischaffende Hebammen, die selbständig Geburten begleiten. Diese entscheiden ja selbst, die höheren Risiken einzugehen. Dann müssen sie dafür die Kosten tragen. Nur 1,2 Prozent der Kinder werden unter diesen Bedingungen – also im Geburtshaus oder zu Hause – geboren.

Hebammen, die Hausgeburten betreuen oder im Geburtshaus arbeiten, argumentieren, dass sie sich hier viel besser um die Frauen kümmern können. Reich werden sie davon aber nicht. Soll den Müttern diese Betreuung genommen werden?

Die Geburtshilfe hat sich doch in den vergangenen Jahrzehnten verändert. Früher war das Geburtsambiente noch anders – technischer. Aber heute ist die Idee der individualisierten Geburt auch in den Krankenhäusern angekommen. Kliniken nehmen Geburtshäusern zum Teil die Kundinnen wieder weg. Natürlich ist es dennoch im Geburtshaus etwas gemütlicher. Doch 20 bis 30 Prozent der Frauen, deren erste Geburt im Geburtshaus oder zu Hause beginnt, werden während des Geburtsvorgangs ins Krankenhaus verlegt. Es muss also immer doppelte Strukturen geben.

Das heißt, neben einem Geburtshaus muss auch immer ein Krankenhaus bereitstehen.

Genau, ohne eine Klinik im Rücken funktioniert freischaffende Geburtshilfe hierzulande nicht. Natürlich brauchen wir Hebammen. Doch wir sprechen bei dem Problem der hohen Haftplichtversicherungsprämien nicht über einen Mangel, der entsteht – sondern über einen Luxus obendrauf.

Bild: dapd
Im Interview: Klaus Vetter

ist Chefarzt der Klinik für Geburtsmedizin am Vivantes Klinikum Neukölln, Lehrkrankenhaus der Charité Berlin. Er unterrichtet seit über 30 Jahren Hebammen.

Hausgeburten sind in Ihren Augen Luxus?

Ja, schon. Die Frage ist doch: Wie viel soll der Mensch, der etwas Besonderes will, selbst bezahlen? Das ist ein Problem von freien Hebammen im Kapitalismus. Und ihr zusätzliches Risiko lassen sie von den Sozialsystemen tragen.

Finden Sie das unfair?

Ich lasse mich einfach nicht gern vor einen Karren spannen. Das ist ein gesellschaftliches Problem, ich bin nur ein einzelner Arzt. Aber die Preisfrage ist doch: Müssen alle für die Abenteuerlust Einzelner einspringen? Im Moment werden diese Kosten der Allgemeinheit angelastet, die nicht gefragt wurde. Ohne die Absicherung durch ein Krankenhaus in der Nähe würde das System der Geburtshäuser zusammenbrechen.

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40 Kommentare

 / 
  • I
    ich

    Als würde die steigende Haftpflicht nur außerklinische arbeitende Hebammen treffen. Was ist mit freiberuflichen Beleghebammen die nur in der Klinik Geburten betreuen? Es haben schon einige Geburtshilfeabteilungen kleinerer Kliniken deswegen schließen müssen. Diese Debatte betrifft bei weitem nicht nur Haus- und Geburtshaushebammen! Das sollte Herr Vetter als "Hebammenausbilder" eigentlich wissen.

    Nach einer Klinikgeburt habe ich mich bei meinem zweiten Kind für eine Hausgeburt entschieden. Das Risiko einer Klinikgeburt werde ich nicht mehr eingehen. Natürlich verläuft eine Klinikgeburt wohl in der Regel nur dann, wenn der Kppf beim eintreffen in der Klinik schon geboren ist. Und dann ist immernoch reichlich Zeit in der Nachgeburtsphase rumzupfuschen. In 90% aller Klinikgeburten wird eingegriffen, nur 10% aller Kaiserschnitte kann man mit gutem Willen als gerechtfertigt durchgehen lassen, trotzdem liegt die Rate im Durchschnitt bei 30%, in vielen Kliniken weit höher. Das ändert auch keine pastellgetönte Wand und ist von Natürlichkeit unendlich weit entfert.

    Wenn schon ein Interview mit einem Arzt zu diesem Thema dann doch eher mit Dr Alfred Rockenschaub, ebenfalls Hebammenausbilder in tatsächlich in der Lage auch eine Klinikgeburt natürlich ablaufen zu lassen.

  • K
    Katrin

    Es ist unglaublich Herr Vetter, dass Ihr unqualifiziertes Statement einen solchen Platz in der Presse erhalten hat. Da kann man wirklich nur mit dem Kopf schütteln!

  • H
    HetMeisje

    "wie viel soll der Mensch, der etwas besonderes will, selbst bezahlen" - ich bin schon sprachlos ob dieser Unverschämtheit.

    Zwei für das Gesundheitssystem superbillige Schwangerschaften und Hausgeburten habe ich erlebt - und darf mich immer wieder dafür vor GynäkologInnen rechtfertigen, die eine Mindestkaiserschnittrate für ihre Häuser brauchen, um ihre Geburtshilfeabteilung überhaupt rentabel zu halten. Das schreit doch zum Himmel, dass hier allüberall Frauen gegen ihren Willen und wg. fehlender geburtshilflicher Fähigkeiten (Ruhe und Geduld vs. pathologisch-panischem Blick aufs CTG) reihenweise völlig unnötig aufgeschnitten werden, die ÄrztInnen sich als Retter aufspielen und Frauen, die zu Hause gebären wollen, für die Hebammenhaftplicht künftig noch 1000 Euro draufzahlen dürfen, weil sie dem System entfliehen wollen! Mensch taz... unkommentiert so ein Interview?? komisch...

  • W
    Weib1969

    Liebe taz,

    das war ein Griff ins WC!

     

    Nach 2 durch Gyns von Beginn an unnötig pathologisierten Schwangerschaften mit nachfolgenden interventionsreichen Klinikgeburten freue ich mich nun über meine dritte völlig entspannte, hebammenbetreute Schwangerschaft und Hausgeburt.

     

    Was die Hebammen leisten, wie wichtig sie für die Seele der Schwangeren/ Gebärenden/ Wöchnerin sind, kann kein Mann ermessen(geschweige denn bezahlen).

     

    Meine Töchter sollen, genau wie ich, später die Möglichkeit haben, die Betreuung(ohne Panikmache!)und ihren Geburtsort frei zu wählen - und nicht gezwungenermaßen ins kranke Haus gehen, um dort eine Geburt zum Abgewöhnen zu erleben!

     

    Ich engagiere mich daher gerne für die Hebammen.

     

    Sämtliche Geburtsberichte(der eh schon wenige Kinder bekommenden Deutschen) in meinem Umfeld(aus dem kranken Haus) sind beladen mit negativen Erlebnissen.

    Berichte ich dann von meinen verletzung-und interventionsfreien, selbstbestimmten, entspannten Hausgeburten und den sehr friedlichen Babys nachfolgend, bin ich alleine auf weiter Flur.

    Es ist eben nicht egal, wie wir geboren werden!

     

    Hoffentlich kommen Menschen, die das Wohl und Wehe der Gesellschaft zu entscheiden und weiterzugeben haben, ganz bald dahinter!

     

    Weib mit 4 Kids und Bauchzwerg

    -einfach nur guter Hoffnung, ohne Gyn, mit toller Hebamme und im Dezember mit Hausgeburt-

  • MC
    Martina C.

    Ich bin entsetzt über diese Aussagen eines Arztes.....entweder, er weiß es wirklich nicht besser oder er meint, die Leute für dumm verkaufen zu können - wobei ich nicht weiß, was ich schlimmer finde.

     

    Ich hatte eine Hausgeburt, nachdem ich mich lange ausführlich damit auseinandergesetzt habe. Ich habe also ganz normal zu Hause mein Baby bekommen, es kamen 2 Hebammen, die mich betreut haben (eine 2:1 Betreuung, im Krankenhaus darf man sich die Hebamme mit mehreren anderen Gebärenden teilen, ich hatte 2 für mich alleine!). Ansonsten nichts, ich habe weder eine Einleitung, Wehenmittel, PDA, Arzt, Kaiserschnitt, Dammschnitt, Aufenthalt im KH etc.etc. "konsumiert", ich habe meine Krankenkasse so gut wie nichts gekostet. Hätte es ein Problem gegeben, wären wir innerhalb 5 Minuten im KH gewesen. Wo ist hier der Luxus ? Ich will nichts besonderes, sonder das ganz normale, nämlich einfach nur ein Kind bekommen unter der zurückhaltenden Aufsicht von einer kompetenten Hebamme...

    Ein trauriges Bild gibt dieser Arzt von seinem Verständnis von Geburtshilfe oder besser Geburtsmedizin, wenn er sagt, er verstehe das nicht und die Krankenhäuser würden heute auf die Frauen eingehen...da weiß ich nicht, ob ich lachen oder weinen soll, kaum eine Frau geht verletzungsfrei aus dem Krankenhaus, mind. 1 Frau von 3 wird der Bauch aufgeschnitten, es gibt Zeitlimits für alles usw.

     

    Aber auch immer wieder interessant, wie besonders männl. Ärzte Frauen erzählen wollen, was diese für Bedürfnisse zu einer Geburt haben dürfen und was "Luxus" ist, da sprechen die Blinden von der Farbe ...

     

    Auf sämtliche seriösen Studien, die belegen, dass Hausgeburten nicht nur gleich sicher sind, sondern in

  • N
    Nadine

    ähm ja, gerade, weil ich nicht abenteuerlustig bin, bin ich beim 2.mal zuhause geblieben. auf das abenteuer kaiserschnitt hatte ich keinen bock. auf das abenteuer bevormundung hatte ich auch keine lust. auf unpersönliche ärzte auch nicht. das abenteuer von 2 hebammen, die 4 kreißsäle mit frauen, die alle unglücklicherweise gleichzeitig in der letzten geburtsphase sind, betreuen müssen: auch keine lust! DAS ist mir zu abenteuerlich!!! ganz zu schweigen von den multiresistenten keimen, die ich mir - ein u.u. tödliches abenteuer!!! - im hospital einfangen kann!

     

    meine hebamme rannte immer wieder hinaus zur anderen frau...und da lag ich (unfreiwilligerweise) mit austreibungswehen auf dem geburtsschlachtbett...zum glück ist mir das christellern erpart geblieben...

     

    abenteuer findet im krankenhaus statt! seien wir doch mal ehrlich!

     

    teurer LUXUS ist die kaiserschnittversorgung in den krankenhäusern. 4000 tacken pro geburtsoperation! yuchu! die abnorm hohe zahl an kaiserschnitten belastet die kasse der allgemeinheit, nicht eine ADÄQUATE(!!!) entlohnung der hebammen. nichts gegen erforderliche kaiserschnitte - aber die arztinduzierten bzw. durch schlechte und falsche geburtsbegleitung verursachten kaiserschnitte: das sollten die ärzte selbst bezahlen! luxus kaiserschnitt.

     

    außerdem: die hohen verischerungsprämien für hebammen belasten auch die kleineren geburtsstationen kleinerer krankenhäuser...da gibt und gab es schließungen!!! man sollte nicht einseitig nur über die konsequenzen der hohen versicherungsprämien für die freischaffenden hebammen reden...das betrifft alle hebammen, die nicht nur das beiwerk wie schwangerschaftsvorsorgeuntersuchungen und wochenbettbetreeung/stillberatung machen.

     

    außerdem ist eine hausgeburt vom ding an sich nicht "das besondere" sondern umgekehrt: die meisten geburten in krankenhäusern laufen abnorm. das ist besonders. besonders chemie-reich zum beispiel! frauen, die nicht ins krankenhaus gehen, wollen das "normale", das ihrer / unserer natur entsprechende. DAS leisten die meisten krankenhäuser bis dato nicht. die frauen sind soooo gut im gebären...wenn man sie denn in ruhe lässt und nicht in die geburten hineinpfuscht!!!

     

    und dass die geburt zuhause sicher ist hat die QUAG-studie bewiesen. woher kommt also dieser quatsch mit abenteuer? ich bin zuhause 1:1 betreut und muss nicht personalkostensparend an überwachungsmaschinen angeschlossen werden, die wiederum mein baby bei der geburt stören... (schon mal überlegt warum babies die ctg-sensoren attackieren? nach ihnen kicken und boxen? das ist nicht: "ohh, guck mal! ohh wie süß!!!")

     

    von der kundenzufriedenheit von hausgeburtsmüttern lässt sich trefflich im buch luxus privatgeburt lesen...so ein feedback bekommt - schätze ich jetzt einfach mal unwissenschaftlich ausm bauch heraus - keine klinik zustande.

     

    nee. nee. nee, herr vetter. ich empfehle dringend einmal bei einem der superben hausgeburtsteams zu hospitieren! das erweitert den horizont! und sorgt für wertschätzung für diese wahren heldinnen namens außerklinische hebammen!

  • HA
    Heb Amme

    Bitte, liebe Hebammenstudentinnen, die ihr euch solchen Schwachsinn täglich anhören müsst, macht euch eier eigenes Bild!!!! Geht mit mit Hausgeburtshebammen und entscheidet selbst, was das größere Abenteuer ist und wo mehr Geld des Steuerzahlers draufgeht!

  • KM
    Katrin Müller

    @Jitka:

     

    Da muss ich Dir Recht geben, die Leserkommentare haben mich auch sehr gefreut und ermutigt. Schön, dass zumidnest ein Teil der Gesellschaft sieht, dass eine selbstbestimmte Geburt keine Besonderheit sein sollte, sondern selbstverständlich!

  • JW
    Jitka Weber

    Ich war zunächst auch geschockt, als ich diesen Artikel in der TAZ vorfand, wurde doch hier in der Vergangenheit sehr gut und differenziert über die Belange der Hebammen berichtet. Je mehr ich hier durch die Kommentare lese, merke ich, dass uns die TAZ mit genau diesem Artikel einen Gefallen getan hat. So kommt eine lebhafte Diskussion um den Kern der Dinge zustande. Lobbyistentum, Finanzielle Interessen, Gesundheitskapitalismus, Soziale Gerechtigkeit... Ich bin als Hebamme gerührt und stolz, soviel Bestätigung hier im Forum zu finden. Dass unser Kampf für gute Arbeitsbedingungen ALLER Hebammen und somit einer kompetenten, zugewandten Hebammenbetreuung für alle Schwangeren sich lohnt. Als Beleghebamme mit 1:1-Betreuung kenne ich die Probleme genau und hoffe sehr, dass sich Politik und Krankenkassen endlich bewegen, denn lange kann ich so nicht mehr weiter arbeiten. Es ist einfach unmenschlich, welch hohe Verantwortung wir tragen, wie sehr unser Leben von diesem Beruf bestimmt wird, wie stark wir unser eigenes Privatleben wieder und wieder zurückstellen müssen - und all das für diesen Hungerlohn. Ich hoffe sehr, dass die Frauen und Familien, ja die ganze Gesellschaft sich dafür stark macht, dass Frauen ihre Kinder selbstbestimmt an dem Ort ihrer Wahl mit einer Hebamme gebären können, die Zeit für sie hat.

    Jitka

  • H
    H.H

    "Hebammenausbilder" erinnert mich irgendwie an Ausbilder Schmitz: Moin Ihr Luschen! (Kult Hör-Serie im SWR)

    Offenbar ist der "Experte" ja Chef in einer von einer privaten Klinik-Firma geführten Klinik oder soll man besser sagen "Entbindungsfabrik". Er vertritt also die Kliniken, die Ärzteschaft und die KVen.

    Sorry taz, aber da hätt ich mir schon etwas mehr Recherche und Objektivität von Euch erwartet. Es fehlen in dem Artikel eigentlich nur noch die entsprechenden Webeeinblendungen, dann wär der Artikel perfekt!

    Ich bin seit mehr als 25 Jahren mit einer freiberuflichen Hebamme verheiratet und glaube die Szene ziemlich genau zu kennen, aber das was der "Hebammenausbilder" da abläßt ist schon etwas bedenklich.

    Aber es gilt auch hier der Spruch: Dummheit und Ignoranz greifen immer mehr um sich!

     

    Schönes Wochenende noch

  • M
    Marianne

    Sehr geehrter Herr Vetter, fast bekomme ich Mitleid mit Ihnen, das Sie anscheinend jetzt, wo das Recht auf eine außerklinische Geburt in das SGB V aufgenommen wurde, sich ziemlich auf den Schlips getreten fühlen.

    Was dieser Artikel zeigt, kommt dem Spruch; Erst ignorierten Sie sie, dann bekämpften Sie sie, dann akzeptierten Sie sie, doch sehr nahe. In so fern ist die außerklinische Geburtshilfe doch schon wieder einen Schritt weiter. Das allerdings so ein Artikel in der TAZ steht, löst ein Gefühl des fremdschämen in mir aus.

  • S
    Sunshine69

    Ich bin enttäuscht, dass ausgerechnet die taz ein solches Interview abdruckt, ohne offensichtlich vorher ausgiebig recherchiert zu haben, sonst wären die Fragen anders ausgefallen!

    Fällt das unter die Kategorie Arzthörigkeit?

    Leben Holländerinnen in ausschweifendem Luxus, weil sie primär von Hebammen betreut werden und sich Hausgeburten leisten, oder krankt eher unser System, der technisiertenSchwangerenvorsorge?

  • C
    Caro

    Über einen solchen Artikel in der Taz bin ich mehr als enttäuscht.

    Als Hebamme und Mutter von 2 Kindern ( Klinik und Zuhause) betrachte ich es als "abenteuerlustig" in einer Klinik zu entbinden!

    Die Kosten einer Hausgeburt gegenüber einem Wunschkaiserschnitt stehen in keinem Verhältnis!

    Auch wird mit keinem Wort die miese Bezahlung der Beleghebammen im 1:1 system bedacht!

    Dafür, dass ich "meinen" Frauen von der 36. bis 42. Woche RUND UM DIE UHR zur Verfügung stehe; sie bei der Geburt von Anfang bis Ende begleite; stehen mir nur 220 Euro zu???

    Ich möchte wissen, welcher Arzt nachts bei Fragen und Problemen ein offenes Ohr hat!

    Solche Unwahrheiten und Unverschämtheiten machen mich wirklich sauer!

  • KM
    Katrin Müller

    Eigentlich wurde schon alles zum Thema geschrieben, trotzdem auch von mir ein paar Gedanken:

     

    - "Im Moment werden diese Kosten der Allgemeinheit angelastet, die nicht gefragt wurde" - Bei dieser Aussage fass ich mir echt an den Kopf und Frage mich, was die Allgemeinheit zu den steigenden Kaiserschnittraten sagt. Im Klinikum Neukölln z.B., dessen Chafarzt Herr Vetter ist, liegt die Kaiserschnittrate bei 35%! Dies ist die höchste Rate Berlins UND über dem bundesdeutschen Durchschnitt! Ein Kaiserschnitt ist, wie bereits mehrfach erwähnt um einiges teurer für das System als eine Haus-/Geburtshaus_Beleggeburt!

     

    - " Wie viel soll der Mensch, der etwas Besonderes will, selbst bezahlen?" Eine selbstbestimmte Geburt ist also etwas Besonderes? Ein Luxus? Genau das ist das Problem, dass das natürlichste der Welt als etwas Besonderes angesehen wird. Schwangerschaft und Geburt sind in den meisten Fällen völlig physiologische Vorgänge! Jede Frau sollte das recht haben selbst zu entscheiden wo und wie sie Ihr Kind zur Welt bringt. Geburten im 1:1 System, egal ob zu Hause, im GH oder in der Klinik werden allerdings leider schon seit langem zum Luxus gemacht: Seit Jahren müssen Frauen/Paare die sich für eine 1:1 Betreuung entscheiden einen Teil der Kosten selbst übernehmen, für manche bedeutet dies leider, dass die freie Wahl des Geburtsortes daran scheitert.

     

    - Ein Wunschkaiserschnitt wird heutzutage JEDER Frau gewährt (nach ausführlicher Aufklärung natürlich) und eine Indikation findet man immer, so dass dies auch von der Krankenkasse bezahlt wird: Geburtsängste, großes Kind, etc... Was ist aber mit der Frau, die sich eine Hausgeburt wünscht, da sie vor der Klinikroutine (zu Recht) Angst hat???

     

    - Es wäre schön, wenn Herr Vetter die richtigen Zahlen angeben würde, wenn er schon Zahlen einbringen möchte: Ausserklinische Geburten 2010: 1,35-1,68% (Quelle: http://www.quag.de/content/geburtenzahl.htm)

    UND: Die Verlegungsrate insgesamt liegt NICHT bei 20-30 %. Herr Vetter hat meines Erachtens absichtlich nur die Erstgebärenden erwähnt, bei denen eine Verlegung tatsächlich häufiger vorkommt. Allerdings sind Erstgebärdene bei den außerklinischen geburten mit unter 40% vertreteten, die Mehrzahl der außerklinisch gebärenden Frauen sind Mehrgebärende (haben also mindestens schon ein Kind). Fakt ist, dass die Verlegungsrate bei außerklinischen Geburten insgesamt ungefähr bei 15% liegt!

     

    -"Ich lasse mich einfach nicht gern vor einen Karren spannen. Das ist ein gesellschaftliches Problem, ich bin nur ein einzelner Arzt. " Da ist herr Vetter ja ganz zurückhaltend und bescheiden. Allerdings lässt er sich mit solch einem unsachlichen Interviwe sehrwohl vor einen karren spannen - nämlich den der Ärztelobby und Krankenkassen. Leider hat sich in diesem Zusammenhang auch die taz vor denselben Karren spannen lassen. Schade!

     

    MfG,

     

    Katrin Müller

  • B
    Barbara

    Wie gut, dass im Krankenhaus und durch ärztliche Tätigkeit und Entscheidungen nie Behandlungsfehler passieren.

  • M
    Mia

    Sehr geehrter Herr Vetter,

     

    auf einige Ihrer Antworten möchte ich gerne eingehen:

     

    1. Freischaffende Hebammen arbeiten auch im klinischen Umfeld, als sogenannte Beleghebammen. Diese begleiten Frauen in 1-1 Betreuung und auch im Schichtdienst in Kliniken. Meist sind Assistenz- oder Fachärzte bei diesen Geburten anwesend. Diese Hebammen betrifft die Erhöhung der Berufshaftpflicht gleichermassen wie Ihre Kolleginnen, die ausserklinisch Frauen bei Geburten begleiten.

     

    2. Das "zusätzliches Risiko freier Hebammen". Falls Sie hierbei auf eine erhöhte perinatale Mortalität von ausserklinischen Geburten anspielen, verweise ich auf das Pilotprojekt des GKV Spitzenverbands und der Hebammenverbände vom November 2011 zum Vergleich klinischer Geburten im Bundesland Hessen mit außerklinischen Geburten in von Hebammen geleiteten Einrichtungen bundesweit http://quag.de/downloads/VergleichGeburtenGKV-SV.pdf. Hiernach ist die perinatale Mortalität bei Geburten in beiden Settings vergleichbar gering. Nach Daten von Quag lag die perinatale Mortalität bei ausserklinischen Geburten in den Jahren 2008-2010 bei 0,8 bzw 1,2. Nach Daten des BQS lag die perinatale Mortalität des Gesamtkollektivs der Klinikgeburten bei 1,2 bzw. 1,6.

    Im Fazit der Studie des GKV heisst es: "Erfolgsentscheidend für die deutsche außerklinische Geburtshilfe in HgE ist im Vergleich zu internationalen Ergebnissen somit offensichtlich der Einsatz qualifizierter Hebammen mit sorgfältiger Risikoselektion. Dies zeigt sich insbesondere bei der perinatalen Mortalität in Deutschland im Studienvergleich mit anderen Nationen."

     

    2. Kosten Klinik versus Kosten ausserklinische Geburtshilfe: Nach Daten von Quag (2010) http://quag.de/downloads/QUAG_bericht2010.pdf lag bei ausserklinischen Geburten der Anteil der Sectiones bei 6% und der Anteil der Interventionen bei 30,6%. Interessant wäre, diese beiden Parameter bei einem Vergleichskollektiv in der klinischen Geburtshilfe zu betrachten. Kostengünstiger, da interventionsärmer und mit niedrigerer Sectiorate wäre meiner Vermutung nach die ausserklinische Geburt.

     

    3. Zusätzliches Risiko finanziell von Sozialsystem getragen: Das Risiko, einem Kaiserschnitt zu unterliegen ist in der klinischen Geburtshilfe erhöht. Diese Kosten trägt das Sozialsystem. Luxus sind in meinen Augen Wunschkaiserschnitte, sekundäre Sectiones kurz vorm Wochenende, Sectiones durch vorausgegangene Interventionen, Betreuung, die nicht im 1-1 Schlüssel erfolgen etc., nicht die kostengünstigen ausserklinischen Geburten.

     

    Mein Fazit: Der Luxus, den wir uns in Deutschland leisten, ist die Versorgung von gesunden schwangeren und die Betreuung von physiologischen Geburten (ganz gleich ob in der Klinik oder ausserklinisch) durch Fachärzte anstatt durch kompetente Hebammen.

     

    Mit freundlichem Gruss,

     

    eine freie Hebamme und ebenfalls Hebammenausbilderin

  • M
    midwife

    Es trifft eben nicht nur die Hausgeburts-Hebammen. Es gibt sehr viele Beleghebammen, die wie angestellte Hebammen im Krankenhaus Dienst machen, aber vom Haus nicht bezahlt werden. Die Krankenhäuser sparen so sehr viel Geld, weil keine Personalkosten anfallen. In Bayern wäre es eine Katastrophe, wenn die Beleghebammen plötzlich aufhören würden, zu arbeiten - es gibt dort wenig angestellte Hebammen.

    Neben der Haftpflichtproblematik, ist aber auch noch die allgemein schlechte Bezahlung der freien Hebammen in allen Bereichen verheerend. Wenn eine Hebamme "nur" Vor - und Nachsorgen anbietet kann sie gar nicht so viele Stunden arbeiten, wie nötig wären, um ein Auskommen zu haben.

    Die Hebammen sollen überall mit ins Boot geholt werden (z.B. Jugendamt, Schwangerenberatung...), nur bezahlen will sie keiner...

  • K
    Karin

    Eines hat Herr Vetter bei diesem unsäglichen Artikel vergessen zu erwähnen, oder er weiss es schlichtweg nicht:

    Auch in vielen kleineren Kliniken arbeiten freiberufliche Hebammen als sogenannte Beleghebammen. Sie haben also Ärzte und den gesamten Klinikapparat an ihrer Seite - und sind trotzdem Freiberufler, müssen die volle Haftpflicht zahlen - und bekommen im Vergleich zu Geburtshaus und Hausgeburtshebamme auch noch das wenigste Geld (unter 300 Euro pro Geburt)

    Vielleicht hat er diesen Fakt aber auch mit Absicht unter den Tisch gekehrt - passt nämlich sonst nicht in seine Argumentation....

  • A
    A.Wiemer

    Insbesondere die Behauptung, dass nur die Hebammen, die Hausgeburten und Geburtshausgeburten betreuen, an dem rasanten Anstieg der Haftpflichtprämien partizipieren, ist nicht korrekt. Sie fokussieren hier auf die außerkl. Hebammen, greifen Sie ungerechtfertigt an und vergessen dabei leider die vielen Beleghebammen in Deutschland, die sich ebenfalls in dieser Versicherung wieder finden und an den hohen Beträgen zu knabbern haben. Und Sie erwähnen mit keinem Wort, wie unterversichert so manch angestellte Hebamme in einem Schadenfall durch ihren Arbeitgeber wäre/ist und sich in der Gruppenhaftpflicht ihres Hebammenverbandes zusätzlich absichern muss.

     

    Und Sie erwähnen mit keinem Wort, dass jeder in der Medizin freiberuflich Tätige (Arzt jeder Fachrichtung, Physiotherapeut, Psychologe usw.) seine Haftpflichtversicherung über sein Einkommen (welches durch die Gemeinschaft in Form der Kassenbeiträge aufgebracht und aufgeteilt wird) finanzieren muss.

     

    Fragen die sich die klinische Geburtshilfe stellen sollte:

    Warum suchen zunehmend Erstgebärende alternative Betreuungsangebote für ihre Geburt (Geburtshaus oder Beleghebamme, die in die Klinik mitgeht)?

    Warum gibt es in den Kliniken keine 1:1 Betreuung im angestellten System, sondern eher Personalmangel bei Hebammen und Ärzten?

    Warum spricht niemand über die unnötigen Interventionen bei gesunden Gebärenden am Termin?

     

    Wo fängt Ihrer Meinung nach der Luxus rund um die Geburt an und wo hört er auf?

    Wenn die außerklinische Geburt ein Luxus ist, wie stehen Sie dann zu dem Aspekt, dass der einen oder anderen Gebärenden der Wunschkaiserschnitt ermöglicht wird und es die Gemeinschaft finanziell auffängt? Diese Frauen haben auch keinen Eigenanteil zu leisten.

  • BF
    Birgit Friske

    Nach den Kategorien von Herrn Vetter bin auch ich eine einzelne Abenteuerlustige, die sich den Luxus einer Entbindung im Geburtshaus erlaubte. Doch möchte ich folgendes klar stellen: die Kosten für eine normale Geburt im Geburtshaus oder zu Hause waren und sind ungleich niedriger als die in einem Krankenhaus. Wieviel Geld wir im Gesundheitssystem wohl sparen könnten, wenn mehr Kinder zu Hause oder im Geburtshaus entbunden und die Kliniken sich vor allem auf Geburten mit erhöhtem Risikofaktor fokussieren würden?

     

    Und wem beim Lesen des Interviews Zweifel gekommen sind: Studien zeigen auf, dass das Risiko bei einer Hausgeburt "im Normalfall" vergleichbar hoch mit einer Klinikentbindung ist.

     

    Vgl. http://www.rabeneltern.org/index.php/wissenswertes/geburt-wissenswertes/1378-erhoehte-risiken-bei-hausgeburten-ueber-die-tendenzioese-interpretation-wissenschaftlicher-daten

  • AS
    A. Schneider

    Man muss die Meinung von Herrn Vetter nicht teilen, kann sie sogar unverschämt finden. Ich persönlich (nach einer Hausgeburt und kurz vor der zweiten) neige zu letzterem. Warum? Selbst bei einer spontanen Klinikgeburt wird heute in mehr als 90 Prozent der Fälle interveniert, z.B. mit Schmerzmitteln, Wehenbeschleunigern oder -hemmern und diversen Dingen mehr. Hinzu kommen ständige (vaginale) Untersuchungen, Schicht- und Personalwechsel, unter Umständen eine schlechte Betreuungslage (eine Hebamme versorgt dann mehrere Gebärende) - und wenn's nicht schnell genug geht, dann greift als Ultima Ratio der Kaiserschnitt. Von der zunehmenden Pathologisierung von Schwangerschaft und den Möglichkeiten zur pränatalen Diagnostik, die viele Frauen völlig verängstigt zurücklässt, mal ganz zu schweigen. Wenn ich dies nun alles nicht möchte, weil ich auf meine ureigene Fähigkeit, interventionsfrei zu gebären, vertraue, weil ich eine medikamentenfreie Geburt und eine vertrauensvolle eins zu eins-Betreuung möchte, was hat das dann mit Abenteuerlust zu tun?

    Abenteuerlich finde ich höchstens das Argument, die Sozialgemeinschaft müsse dafür bezahlen. Stimmt so nicht: Für eine Hausgeburt (aktuellere Zahlen kenne ich nicht) bekam eine Hebamme vor fünf Jahren rund 400 Euro - eine ganz normale Klinikgeburt wurde von den Kassen aber mit dem rund dreifachen Satz honoriert. Also, Frau Ludwig - bitte vorher etwas besser ins Thema einlesen!

    Wer die Historie kennt, weiß, dass erst in den 60er Jahren die Klinikgeburt in Mode kam, vorher war die Hausgeburt die Regel, ganz besonders in ländlichen Gegenden. Klinikbetreiber und Lobbyisten haben das Geschäft mit der Geburt erfolgreich kommerzialisiert. Eine Verlegung in die Klinik findet (aktuelle Zahlen unter www.quag.de) bei Hausgeburten in rund zehn Prozent der Fälle, bei Geburtshäusern in rund 18 Prozent der Fälle statt, was im Schnitt rund 15 Prozent macht, aber keine 20 bis 30, wie Herr Vetter sagt. Und genau dafür sind die Kliniken da: Für die schwierigen Fälle. Den Rest, inklusive Beckenendlagen, die heute in der Klinik schon den Kaiserschnitt bedeuten, schafft die erfahrene Hebamme auch gut so.

  • R
    Rike

    Dann sind auch Hausärzte ein Luxus, schließlich verweisen auch diese ins Krankenhaus bei Komplikationen.

    Ich denke, dass Frauen die Wahl gelassen werden muss, wo sie gebären wollen und zwar ohne einen Preis im Hinterkopf haben zu müssen. Und warum sollten Frauen bei normalen Schwangerschaftsverlauf ins Krankenhaus gehen, wenn sie doch genauso gut zu Hause von einer Hebamme betreut bleiben können.

  • A
    Anita

    Künstliche Befruchtung ist auch Luxus.

    Trotzdem bin ich durchaus bereit, diesen Luxus fuer andere Leute mit zu zahlen, auch wenn ich in der gluecklichen Lage war, solchen Luxus nicht zu benoetigen.

    Frauen haben heutzutage viel mehr Schiss vor der Geburt und wenn es ihnen hilft, zuhause zu entbinden, sollen sie.

    Auch von meinen Krankenkassengebuehren.

  • S
    Susanna

    Das ist ja eine sehr seltsame Darstellung.

    Ohne jede Ideologie: 10% der Frauen werden ins Krankenhaus verlegt, nachdem sie zuhause oder im Geburtshaus die Geburt begonnen haben. Davon haben auch im Krankenhaus noch viele eine ganz normale Geburt.

    30% der Frauen, die eine Geburt im Krankenhaus beginnen, bekommen einen Kaiserschnitt. 20% Prozent davon, ohne einen zu brauchen oder zu wollen.

    Wer geht jetzt hier höhere Risiken ein und wer verursacht mehr Kosten?

     

    Die Haftpflichtpauschale ist nicht gestiegen, weil bei freien Hebammen soviel passiert, sondern weil die Schadenssummen und die Kosten für medizinische Versorgung immer teurer werden. Das trifft auch Beleghebammen, die den Frauen immerhin eine 1:1 Betreuung im Krankenhaus garantieren.

    Viele Frauen, die das nicht haben, kriegen ihre Kinder auf überbelegten Geburtsstationen und unter traumatischen Bedingungen alleine auf die Welt oder kommen vor lauter Verkrampfung unnötig unters Messer.

     

    Niemand will Krankenhäuser abschaffen.

    Gebären mit freischaffenden Hebammen ist kein Luxus, sondern eine Absicherung gegen schlechte medizinische Versorgung.

     

    Alle meine Geburtshausfreundinnen hatten unproblematische Geburten.

    Alle Geburten von Freundinnen, die im Krankenhaus ihre Kinder bekamen, wurden eingeleitet oder endeten mit einem Kaiserschnitt oder beides. Das ist meine Statistik.

    Einer meiner Freundinnen wurde im Kreissaal von der Schichthebamme gesagt, sie solle nicht so laut schreien, sie sei ja schließlich nicht alleine.

    Eine andere wurde bei schwächer werdenen Herztönen des Kindes in die Geburtswanne geschickt, um sich zu entspannen.

    Eine Stunde später war das Kind im Mutterleib gestorben. Wohlgemerkt im Krankenhaus.

    Wo ist da die individuelle Geburt und die gute Betreuung?

     

    Wer geht hier Risiken ein?

    Wer bezahlt für wessen Abenteuerlust?

    Warum ist es ein Luxus, sich gerne an die Geburt seiner Kinder zu erinnern?

  • H
    Hansen

    Was der Mann schreibt ist nur die Halbe Wahrheit. Die 80% Geburten, die nicht ins Krankenhaus verlegt werden muessen, sparen dem Steurezahler Geld, denn diese Kosten ein Bruchteil der Krankenhausgeburten. Er verscheigt ausserdem, dass es bei Krankenhausgeburten viel haeufiger zu Komplikationen kommt, bzw. diese attestiert werden, weswegen Eingriffe vorgenommen werden. Damit ist die Krankenhausgeburt der Luxus, nicht die Haugeburt, oder Geburtsthausgeburt.

    Das Hoehere Risiko bei Hausgeburten stimmt auch nur fuer einen kleinen Teil der Kinder, die nach der Geburt schnell an Lebenserhaltende Geraete angeschlossen werden muessen. Diese sehr kranken Kinder haben dann aber auch im Krankhaus meistens eine nur sehr kurze Lebenserwartung.

    Der Mann gehoert einfach zu der Riege alter Maennlicher Aerzte, fuer die Hebammen hoechstens als Handlanger der Aerzte im Krankenhaus praktiziern duerften und fuer die eine Schwangerschaft eine Art Krankheit ist, die im Krankenhaus behandelt werden muss.

  • S
    Sabine

    Was Herr Vetter zu erwähnen vergisst: Hausgeburten und Geburten im Geburtshaus sind wesentlich günstiger als solche im Krankenhaus. Was hier Luxus ist, ist also Definitionssache. Mal abgesehen davon, dass in einem so wichtigen Moment des Lebens das Geld nicht die Hauptrolle spielen sollte.

  • H
    Hansen

    So ein unglaublicher Bloedsinn. Er sollte mal in die Rechnung mit einbeziehen, wie viel weniger Geld die 80% Geburten kosten, die nicht ins Krankenhaus verlegt werden, im Vergleich zu den Kosten, die diese im Krankenhaus verursacht haetten. Das ist ein Bruchteil. Ausserdem stimmt, dass Hausgeburten risikoreicher sind auch nur fuer Kinder die nach der Geburt kuenstlich am Leben gehalten werden muessen. Diese Kinder haben im Krankenhaus eine hoehere Lebenserwartung, aber meisten auch nur einige Monate.

    Der Mann redet Mist, weil er ein verfechter des Mantras "Schwangere sind Krank und gehoeren ins Krankenhaus" ist. Dafuer ist er sich auch nicht zu schade, Halbwahrheiten in der Presse zu kolportieren.

  • OK
    Oma Kruse

    Ist das nicht ein Interessenkonflikt? Der Mann buhlt als Krankenhausarzt um die gleiche Kundschaft wie die freien Hebammen, die ihm Geschäft wegnehmen. Insofern ist er da wohl ein nicht ganz objektiver Gesprächspartner ...

  • H
    Hecke

    Uiuiuiui. Das ist aber mal ein seeeehr unkritisches Interview, und das in der taz. Bin enttaeuscht.

     

    Wir sind aus gutem Grund nach einer 'technisierten' Geburt im Krankenhaus die naechsten zwei Male zu Hause geblieben, und haben damit dem Gesundheitssystem tausende Euro gespart.

     

    Ich koennt mich jetzt in Rage schreiben, aber die Mathe kann ja jeder selber machen: Was ist der Kostenunterschied, wenn ich von der Hausgeburt mit dem Rettungswagen ins Krankenhaus komme, oder wenn ich 'geplant' mit dem Rettungswagen von zu Hause ins Krankenhaus gefahren werde? Nunja.

     

    Und euer lieber Interviewpartner ist in erster Linie Arzt in einem Krankenhaus, der mit Klinikgeburten eine Menge Geld verdient, und erst in zweiter Linie ein 'Hebammenausbilder', der sich mit dem Berufsstand identifiziert, wie der Artikel suggeriert.

  • AS
    A. Schneider

    Man muss die Meinung von Herrn Vetter nicht teilen, kann sie sogar unverschämt finden. Ich persönlich (nach einer Hausgeburt und kurz vor der zweiten) neige zu letzterem. Warum? Selbst bei einer spontanen Klinikgeburt wird heute in mehr als 90 Prozent der Fälle interveniert, z.B. mit Schmerzmitteln, Wehenbeschleunigern oder -hemmern und diversen Dingen mehr. Hinzu kommen ständige (vaginale) Untersuchungen, Schicht- und Personalwechsel, unter Umständen eine schlechte Betreuungslage (eine Hebamme versorgt dann mehrere Gebärende) - und wenn's nicht schnell genug geht, dann greift als Ultima Ratio der Kaiserschnitt. Von der zunehmenden Pathologisierung von Schwangerschaft und den Möglichkeiten zur pränatalen Diagnostik, die viele Frauen völlig verängstigt zurücklässt, mal ganz zu schweigen. Wenn ich dies nun alles nicht möchte, weil ich auf meine ureigene Fähigkeit, interventionsfrei zu gebären, vertraue, weil ich eine medikamentenfreie Geburt und eine vertrauensvolle eins zu eins-Betreuung möchte, was hat das dann mit Abenteuerlust zu tun?

    Abenteuerlich finde ich höchstens das Argument, die Sozialgemeinschaft müsse dafür bezahlen. Stimmt so nicht: Für eine Hausgeburt (aktuellere Zahlen kenne ich nicht) bekam eine Hebamme vor fünf Jahren rund 400 Euro - eine ganz normale Klinikgeburt wurde von den Kassen aber mit dem rund dreifachen Satz honoriert. Also, Frau Ludwig - bitte vorher etwas besser ins Thema einlesen!

    Wer die Historie kennt, weiß, dass erst in den 60er Jahren die Klinikgeburt in Mode kam, vorher war die Hausgeburt die Regel, ganz besonders in ländlichen Gegenden. Klinikbetreiber und Lobbyisten haben das Geschäft mit der Geburt erfolgreich kommerzialisiert. Eine Verlegung in die Klinik findet (aktuelle Zahlen unter www.quag.de) bei Hausgeburten in rund zehn Prozent der Fälle, bei Geburtshäusern in rund 18 Prozent der Fälle statt, was im Schnitt etwa 15 Prozent macht, aber keine 20 bis 30, wie Herr Vetter sagt. Und genau dafür sind die Kliniken da: Für die schwierigen Fälle. Den Rest, inklusive Beckenendlagen, die heute in der Klinik schon den Kaiserschnitt bedeuten, schafft die erfahrene Hebamme auch gut so.

  • E
    Earthling

    Moral von der Geschichte:

    "Eure Armut kotzt mich an!"

    Ein Sprachrohr der Krankenhauslobby bekommt hier sein Forum.

  • SK
    Sandra Köhrich

    Ist ja klar das ein Arzt so etwas schreibt....

     

    Natürlich gehen die Raten von Hausgeburten zurück, denn die Ärzte und die Pharmaindustrie haben ja mit ihrer Angstmache schön dafür gesorgt, dass alle Frauen immer schön ins Krankenhaus rennen obwohl es doch um das Natürlichste der Welt geht!!!!

     

    Klar gibt es immer Risikogeburten, gerade da Frauen die Kinder bekommen auch immer älter werden. Trotzdem steht dieses Risiko nicht im Verhältnis zu der massiven Technisierung einer Geburt.

     

    Und es ist ja auch interessant, dass der Herr Doktor davon spricht, dass es ein "Luxus" ist wenn man sein Kind auf natürliche Weise unter Hebammenbetreuung zur Welt bringt. Dabei gibt es die klinische Geburt gerade mal seit der Industriellen Revolution und wer kam auf die Idee, Frauen zur Geburt ins Krankenhaus zu schicken??? Ein Mann natürlich....

  • M
    Martin

    Ich finde es immer wieder unglaublich, wenn Menschen in diesem Zusammenhang mit der Geburt das Wort "gemuetlich" oder "comfortable" in den Mund nehmen. So jemand hat sicher noch nie ein Kind zur Welt gebracht. Eine Geburt ist harte Arbeit und die Umgebung in der die Gebaerende sich befindet kann einen grossen Einfluss darauf haben wie schnell das Kind zur Welt kommt, da die Geburt zum grossen Teil durch Hormone gesteuert wird. Die Laenge der Geburt wiederum kann grossen Einfluss auf die Gesundheit des Neugeborenen haben. Deswegen entscheiden sich in den Niederlanden ca. 20% der Frauen, ihr Kind zu Hause zur Welt zu bringen. Bei einer komplikationslosen Schwangerschaft ist das (sofern ein Krankenhaus in der Naehe ist, falls es doch zu Komplikationen waehrend der Geburt kommt) die sicherere Alternative. Nicht zuletzt auch wegen den resistenten Krankheitserregern, die in Krankenhaeusern vorzufinden sind. Mit Abenteuer hat das nicht viel zu tun.

  • B
    bagelcat

    Kliniken die mit Beleghebammen arbeiten erhalten für eine vaginale Geburt zwischen 1.272 und 1.790 Euro.

     

    Bei einer Hausgeburt erhält eine Hebamme ca. 400 - 500 Euro.

    Ich sehe den Luxus nicht.

     

    Selbst wenn 50% aller Geburten doch in die Klinik verlegt werden würden, wäre das für das Gesundheitssystem noch ein Geschäft. Nicht umsonst zahlen einige private Krankenkassen Prämien an den Versicherungsnehmer bei einer Hausgeburt.

     

    Gebt den Hebammen bei einer Hausgeburt nur 50% des Geldes das ein Krankenhaus erhält und alle machen immer noch ein Geschäft - und den Luxus gibt es sogar mit Einsparungen für die Allgemeinheit oben drauf.

     

    Die Argumentation im Artikel kann ich nicht nachvollziehen. Die finanzielle Argumentation ist schlichtweg falsch (nach meinem "Faktencheck"). Eine medizinische Argumentation über Vor- und Nachteile wurde überhaupt nicht geführt.

  • J
    JohnReed

    Überheblich-arroganter Lobbyismus eines Abgesättigten.

  • K
    Kai

    Luxus ist das also?

     

    Hausgeburt 548-712 Euro

     

    Geburtshaus 1017-1181 Euro

     

    Krankenhaus 1509-2431Euro

     

    Kaiserschnitt 2748-5651 Euro

     

    ..und ein Abenteuer ist es ins Krankenhaus zu gehen nicht umgekehrt!

  • C
    cal_

    Herzlichen Glückwunsch, dass Sie es geschafft haben, einen der vielleicht 3 männlichen* Experten zum Thema ausfindig zu machen, anstatt mit einer Frau zu sprechen, die die Debatte naheliegenderweise sicher besser verstehen könnte.

    Es geht um Wahlfreiheit und Selbstbestimmung für die Frau, selbst entscheiden zu dürfen, wie und von wem sie bei der Geburt begleitet werden will. Das hat nichts mit Luxus zu tun. Es geht darum, dass Schwangerschaft mittlerweile nicht mehr als natürlicher Vorgang wahrgenommen wird, sondern als Krankheit, die in einem Krankenhaus behandelt gehört. Es geht darum, dass Frauen ein schlechtes Gewissen eingeredet wird, wenn sie sich für die angeblich riskantere Hausgeburt entscheiden.

    Frauen wird die Fähigkeit abgesprochen, die beste Entscheidung für sich und ihr Kind treffen zu können, und dann müssen sich auch noch von Männern* erklären lassen, wie es richtig geht, das Kinderkriegen.

  • H
    Hamburgerin

    Wie kann es sein, das Hausgeburten, die es seit Jahrtausenden gibt plötzlich Luxus sind?? Eine Frau darf nicht mehr selbst bestimmen wo sie ihr Kind bekommen möchte.

    Nur weil Kliniken in Sachen Ambiente nachgezogen haben, heißt das nicht das sich da automatisch auch jede wohlfühlen muss. Ich kenne genug Frauen deren Betreuung im Krankenhaus unpersönlich und unbefriedigend und einfach ätzend war.

    Aus welcher Sicht spricht dieser Mann. hier gehts doch nur darum das aus seiner Sicht Krankenhäuser die bessere Wahl sind...

  • O
    Olli

    Natürlich wurde hier ein Arzt befragt, was wäre wohl die Aussage des Artikels wenn es eine Mutter gewesen wäre?

    Warum hat man nicht mich gefragt, ich bin Vater und habe auch keine Ahnung.

    Aber schön das Sommer ist und es sonst keine Meinung zu anderen Themen gibt.

    Für den Artikel zahl ich nicht.

  • HH
    H. H.

    'Abenteuerlust'? Dieser Hebammenausbilder, der für diesen Artikel interviewt wurde redet ziemlich dämlich daher, wie ich finde! Es hat nichts mit Abenteuerlust zu tun, wenn man zu Hause oder im Geburtshaus entbinden möchte! Dieser Vorgang ist völlig natürlich und gehört bei einer gesunden Schwangeren nicht ins Krankenhaus! Zumal die Betreuung durch eine Hebamme um Einiges günstiger für das Gesundheitssystem ist und genauso (!) sicher!

    Man schaue nur mal in die Niederlande. Dort sind Hausgeburten und Hebammenbetreuung Standard. Wenn eine komplikationslose Schwangere dort zur Entbindung ins KH will, muss sie aus eigener Tasche zuzahlen! Richtig so.

     

    LG