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Rentner protestiert gegen schnelle AutosEiner gegen das ganze Dorf

Die schnellen Lkw stören in Kapern alle, doch nur einer unternimmt etwas: Jeden Tag stellt Hugo Hager seinen Transporter auf die Straße. Manche nennen ihn Querulant.

„Von nüscht kommt nüscht“: Hugo Hager und sein Transporter. Bild: Simone Schmollack

KAPERN taz | Morgens gegen sieben fährt Hugo Hager seinen rostbraunen VW-Transporter vom Hof und parkt ihn ein paar hundert Meter weiter am Dorfende wieder ab. Dann hievt er sein Rad von der Ladefläche und radelt zurück zu seinem Haus. Das macht Hugo Hager aus Kapern, einem 160-Seelen-Kaff im Wendland, jeden Morgen so. Abends, wenn es dämmert, rollt er seinen Transporter wieder zurück.

Hugo Hager, 70, nennt das „zivilen Ungehorsam“: Indem er seinen Wagen auf der Straße abstellt, zwingt er alle anderen Autos, die über die B 439 durch das Dorf im Biosphärenreservat Niedersächsische Elbtalaue rauschen, abzubremsen. Und sogar anzuhalten, wenn jemand entgegenkommt. Hugo Hager, graue Haare, schlabbriges T-Shirt, alte Jeans, hat eine Mission: Er will, dass sich die Fahrzeuge an die Geschwindigkeit in Ortschaften von 50 Kilometer pro Stunde halten. „Alle“, grummelt er: „Vor allem die Lkws.“

Das ist das Problem in Kapern: Seit in Deutschland die Lkw-Maut gilt, seit 2005, weichen viele Laster von den Autobahnen auf Bundes- und Landstraßen aus. Dadurch sparen die „Mautflüchtlinge“ viel Geld. Die Leute in Kapern spüren das direkt. Manche Brummis kacheln mit 100 durchs Dorf. Hugo Hager hat das gemessen, er ist ihnen hinterhergefahren. Es ist laut auf der Straße und laut in den Wohnungen, die Häuser kriegen Risse, die Straßen gehen kaputt. An einem Wochentag zählt Hugo Hager schon mal bis zu 40, 50 Brummis.

Serie „nerven + machen“

Hugo Hager stellt seinen Transporter mitten auf die Straße, die durch sein Dorf im Wendland führt, um gegen den Lkw-Verkehr zu protestieren. Seine Nachbarn sind genervt. In Berlin demonstriert ein Türke seit sieben Jahren mit Rad und Tröte für sein Wahlrecht. Und in Baden-Württemberg ist die CDU plötzlich für Transparenz.

Ist Bürgerbeteiligung nur was für die Opposition? Wie buchstabiert sich „Partizipation“ im Alltag? „Nerven + machen“ – die taz-Serie zur guten alten Frage: Was tun?

Mindestens die Hälfte davon sind Mautflüchtlinge, glaubt Hugo Hager. „Wenn die so fahren würden, wie es vorgeschrieben ist, wäre das kein Problem“, sagt Hugo Hager: „Eingebürgert haben sich 80 Stundenkilometer.“ Außer am Wochenende, da ist es fast wieder so ruhig wie vor der Lkw-Maut. Dann haben Großtransporter ohne Lebensmittel und Blumen Fahrverbot. Dann bleibt auch Hugo Hagers Auto auf dem Hof.

Die Großtransporter stören alle Kaperner, sie wollen sie wieder weghaben. Sie haben es versucht mit Anzeigen bei der Polizei, mit Geschwindigkeitskontrollen, mit Anträgen bei verschiedenen Behörden. Keine Chance. Sie haben Verkehrsinseln an beiden Enden des Dorfes vorgeschlagen. Aber die werden an Bundesstraßen wie der B 439 fast nie genehmigt. Außerdem kostet so ein Betonrondell schon mal bis zu 20.000 Euro. Geld, das nicht da ist.

Aussichtslos? So sehen das die Kaperner. Nur Hugo Hager will nicht klein beigeben. Er ist wütend: „Jeder hat eine andere Ausrede, warum er nichts mehr machen will.“ Aber: „Von nüscht kommt nüscht.“ Also setzt Hugo Hager seine eigene Methode ein. Mit Erfolg: Dort, wo sein Transporter parkt, rollt der Verkehr langsamer und leiser.

Prügeldrohung und Müll im Briefkasten

Aber es gibt neuen Krach, im wahrsten Sinne des Wortes: Vorbeifahrende Auto hupen, manche langanhaltend, es fliegen auch schon mal Steine gegen Hagers Scheunenfenster. Ein Fahrer soll gebrüllt haben: „Wenn ich einen Lkw hätte, würde ich deine Dreckskarre in die Elbe schieben.“ Dem Rentner wird Prügel angedroht, er findet Müll in seinem Briefkasten. Diejenigen, die das machen, sagt er, sind keine Ortsfremden, keine, die zufällig vorbeikommen: „Das sind alles Leute aus dem Dorf und aus den Nachbargemeinden.“

Warum tun die das? Hugo Hager ahnt es: „Auch Mähdrescher und Trecker müssen langsamer fahren.“ Das nerve die Bauern aus dem Ort, sagt Hugo Hager. Denn auch sie rasten, was das Zeug hält.

Hagers Hof sieht aus wie die Verwirklichungsstätte eines Bastlers, der nie fertig wird. Manche im Dorf nennen ihn einen Spinner, andere einen Querulanten, und für wiederum andere ist der Zugereiste aus Hamburg einfach nur ein Störenfried. Ein Kaperner sagte mal zu ihm, er brauche sich nicht zu wundern, wenn ihn „niemand mehr mit dem Arsch anguckt“.

Als Hugo Hager im vergangenen November morgens aus dem Haus trat, traute er seinen Augen nicht. Dort, wo sonst stets sein rostiger VW-Transporter parkte, in der Mitte des Dorfes und direkt vor seinem Hof, stand jetzt plötzlich ein Verkehrsschild: Halteverbot. Die Polizei hatte sein Auto als „Gefahrenpotenzial“ ausgemacht. Das scheint Hugo Hager egal zu sein. Er fährt seinen Transporter jetzt ans Dorfende, an eine schilderfreie Stelle.

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16 Kommentare

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  • HL
    Hermann L.

    Respekt!

     

    Besonders der Abschnitt, daß jetzt die Bauern seiner Gegend sauer sind, ist mir aufgefallen. Kenne ich auch von hier. Bauern mit ihren Traktoren kennen nur Bleifuss. Und ein Traktor mit 50 Sachen (einige schaffen auch mehr) macht Krach wie 5 LKWs mit 80. Dabei stösst er ein mehrfaches an Ruß und Dreck aus. Doch wir subventionieren ihnen den Sprit, zum Dank werden diese Panzerartigen Geschosse immer grösser. Schon gewusst, daß Traktoren nicht zum TÜV müssen, in der Mehrzahl keinerlei Abgasfilterung haben, oft noch nicht mal die minimalsten Schalldämpfer funktionsfähig an Bord sind? Mit den ältesten schrottreifen, öltropfenden, stinkenden und lärmenden Kisten wird gerast was das Zeug hält.

     

    Respekt, daß sich der Herr nicht von diesem Pack, das weder an den Umweltschutz noch an seine Mitmenschen denkt, unterkriegen lässt. Weiter so!

     

    PS: Die ersten Atomkraftgegner waren auch "Querulanten". Und heute?

  • RT
    Rasende Trecker bekämpfen!

    Zugezogener Blockwart bekämpft rasende Mähdrescher. Ein echter Held unserer Zeit. Er hat natürlich Recht also total Recht. Rechthaben ist das Allerwichtigste überhaupt wie die taz als Fachblatt der ergrauten Rechthaber weiß. Viel Glück also bei der gemeinsamen Bekämpfung rasender Mähdrescher, Trecker und all der 50 Brummis am Tag.

  • S
    Slobo

    Jawoll, ich find den Typen voll knorke. Akzeptieren oder verändern. Er hat sich meiner Meinung nach richtig entschieden.

  • O
    ohno

    Regelgerechtes Parken auf einer Bundesstraße ist weder Nötigung (geht's noch?) noch Blockwart-Gehabe.

     

    Aber wenn jemand die Autofahrer stört, ist das ungeheuerlich furchtbar.

  • M
    Moxie

    Es handelt sich bei den taz-Lesern zum größten Teil nicht um Dreijährige, also könntet Ihr doch sicherlich auf kindische Journalistenphrasen wie den westdeutschen 1970-er Lobbyisten-Euphemismus "Brummi" verzichten. Oder ist man weniger tot, wenn man von einem "Brummi" überfahre wird?

     

     

    Brummi, Brummi, brumm brumm brumm

  • H
    heinzl

    Und dann freut sich der Blockwart wahrscheinlich über die abbremsenden und anfahrenden LKWs. Das macht die Sache natürlich wesentlich angenehmer für die Anwohner.

  • HM
    Herr Mann

    Kein Mähdrescher schafft 50km/h. Und 50 LKW pro Tag sind unerträglich viel? Nun ja: Immerhin zwei Fahrten pro Tag gehen schon mal auf seine eigene Kappe.

  • M
    Marc

    Erinnert mich eher an Nötigung, als an zivilen Ungehorsam, schlimmstenfalls an Altersstarrsinn.

  • F
    Fofi

    Haben oder machen? Jeder will ein ruhiges Dorf haben, aber nur einer macht etwas. Jetzt müssten ihm alle Untätigen dankbar sein. Weit gefehlt! Diffamieren ist viel billiger. Damit gehört man am Ende zu den Rechthabern, egal wie das Problem endet. Solidarität ist ein ganz schwieriges Geschäft. Es ist riskant, kostet viel Nervenkraft, oft die Gesundheit, und der Dank der Mutznießer hält sich in engen Grenzen. Es ist eine offenbar alte Erkenntnis: dem Ersten der Tod, dem Zweiten die Not, dem Dritten das Brot. Oder "Hohn für Lohn - Stank für Dank". Allerdings 'ist Dankbarkeit kein Problem mehr, seit die Phönizier das Geld erfunden haben'.

  • O
    Odinus

    Da sieht man die Letargie der Deutschen und die Dummheit unserer Gesetzgeber und -hüter.

    Dieses Dorf ist kein Einzelfall. Im schönen, klugen und schlauen Bayer (sagt Ede Stoiber)leben die Eingeborenen auf den Dörfern ebenfalls so gefährlich wie in Kapern. Nur in der heimat des verkehrsministers wird nicht gemurrt, sondern weitergeschlafen.

  • E
    emil

    hut ab für den mensch, der sich mit dem stumpfen dorfmob anlegt.

  • S
    standardname

    halte durch Hugo!

  • D
    Demokrat

    Ich kenne dieses Dorf, ich halte mich an die Geschwindigkeitsbeschränkung dort, hupen tu ich trotzdem, ich nenne es zivilen Ungehorsam.

  • K
    KlausTheo

    LKW fahren nicht 100 - die werden bei 88 elektronisch abgeriegelt (Pflicht!!!). Nur ungeeichte Tachos in Uraltautos zeigen beim Hinterherfahren Tempo 100 an.

     

    Mautpreller sparen nur gefühlt, denn durch Ortsdurchfahrten, anfahren, halten, die geringere Durchschnittsgeschwindigkeit erhöhen die Abnutzung und den Verbrauch. Ergo: Maut gespart, Abnutzung und Sprit erhöht. Ergebnis: Ärger für alle, Einsparung gleich null.

  • DA
    Die Anderen Störenfriede

    Weil wir wissen wie man sich in einer solchen Situation fühlt, Hugo: Respekt und Solidarität aus Köln/Bonn. Halt Dein Rückrat gerade.("freie Fahrt für freie Bürger!"-F.J. Strauß) -nix da!

     

    Bis bald, spätestens zum Castor!

  • T
    Tolomir

    Da kommt ein Blitzer hin und gut ist.

     

    Verstehe nicht wo das Problem ist. Wenn an der Stelle rasen amortisiert sich der Blitzer ganz schnell.