piwik no script img

Leiharbeit in Pflegeberufen vervielfachtSchuften unter der Niedriglohnschwelle

Durchschnittlich 1.600 Euro brutto bekommt ein Leiharbeiter in der Pflegebranche. Ihre Anzahl ist seit 2005 um 400 Prozent gewachsen, so die Bundesagentur für Arbeit.

Schwerer Job: In der Pflege werden deutlich mehr Leiharbeiter eingesetzt. Bild: dpa

MÜNCHEN afp | In Altenheimen und Krankenhäusern werden nach Zahlen der Nürnberger Bundesagentur für Arbeit (BA) deutlich mehr Leiharbeiter eingesetzt als früher. Alleine von 2005 bis 2011 erhöhte sich die Zahl der verliehenen Pflegekräfte um mehr als 400 Prozent auf etwa 16.350, wie eine am Donnerstag von der Süddeutschen Zeitung (SZ) veröffentlichte Antwort der BA auf eine Anfrage der linken Bundestagsabgeordneten Sabine Zimmermann ergab.

Der Durchschnittslohn der verliehenen Pflegekräfte betrug demnach nur etwa 1600 Euro brutto im Monat. Bei zwei Dritteln der Leiharbeiter lag das Gehalt unter der bundeseinheitlichen Niedriglohnschwelle von 1802 Euro für einen Alleinstehenden pro Monat. Im Gesundheits- und Sozialwesen betrug der Durchschnittslohn Ende 2010 dagegen 2456 Euro. Zimmermann nannte die Gehaltsunterschiede bedenklich.

Die Linken-Politikerin sagte der Zeitung, Teile der Gesundheits- und Pflegebranche sähen Personal „ausschließlich als belastenden Kostenfaktor, den es möglichst klein zu halten gilt“. Die SZ zitierte das Gelsenkirchener Institut für Arbeit und Technik, wonach die Leiharbeiterzahl im Pflegebereich noch weiter wachsen werde, weil die Personaldecke nach den Stellenkürzungen der vergangenen Jahre so dünn sei.

Arbeitsmarktexperten verwiesen im Gespräch mit afp darauf, dass Leiharbeit dann bedenklich werde, wenn eigene Zeitarbeitsfirmen nur zu dem Zweck aufgebaut würden, Mitarbeiter an Krankenhäuser oder Pflegeheime zu verleihen.

Dies sei dann ein Mittel, um Löhne zu drücken. Wenn hingegen nur einzelne Leiharbeiter von auch in anderen Branchen aktiven Zeitarbeitsfirmen beschäftigt werden, ergebe sich für die Krankenhäuser und Pflegeheime keine Kostenersparnis.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

4 Kommentare

 / 
Kommentarpause ab 30. Dezember 2024

Wir machen Silvesterpause und schließen ab Montag die Kommentarfunktion für ein paar Tage.
  • SI
    So ist das

    Alle Pflegefachkräfte ab in die Schweiz! Für Berufseinsteiger gibts 4000 € netto, für erfahrene Kräfte deutlich mehr. Die Arbeitsbedingungen sind deutlich besser, da wesentlich höhere Personaldichte und keine "Akkordpflege".

     

    Wenn Deutschland einen Pflegefachkräftemangel will, dann kann es diesen haben!

  • JH
    Jürgen Hollick

    Mit Ihrer Schilderung haben Sie, liebe TAZ-redaktion einen Teil des Problems erfasst.

    Ausgespart haben Sie, dass parallel zur Lohndrückerei in der Leiharbeit für Pflege, aber nicht unbedingt identisch in den Personen,auch ein rapider Abbau der Qualität stattfindet.

    Auf Druck der Arbeitgeber und mit Unterstützung durch die Gewerkschaft Ver.Di werden notwendige Anpassungen an die Bildung der Pflegepersonen unterbunden. Hier werden im Weiterbildungsbereich Kürzungen vorgenommen, die europaweit übliche allgemeine Akademisierung wird verhindert.

    Eine mögliche sachgerechte Regulierung der pflegerischen Qualität wird ebenfalls von der Allianz aus Arbeitgeber und Ver.Di behindert. Der Verzicht auf die Errichtung von Pflegekammern in den Bundesländern verhindert sowohl Informationen über die genauen Zahlen der aktiven Pflegenden und deren Qualifikation, als auch eine Fort- und Weiterbildung, die den Anforderungen angemessen ist. Eine Beteikligung der Pflegenden in den Selbstverwaltungsorganen des Gesundheitswesen wird dadurch ebenfalls verhindert.

    Ein Blick auf die Demographie und die Arbeitsmarkdaten der Pflege zeigt, wie abartig dieses Verhalten ist. In einer Zeit, in der zunehmend Pflegebedürftige auf Hilfe warten und immer weniger Menschen den Pflegeberuf erlernen wollen, glauben Juristen, Sozialpädagogen und andere Vertreter der Arbeitgeber, sie müssten den Pflegenden sagen, was gut für sie ist.

    Die Herablassung kennt kaum Grenzen und schaden im wesentlichen den Pflegebedürftige selbst, die für eine angemessene Pflege enorme Summen aufbringen müssen.

    Ausgenützt werden also sowohl Pflegende als auch Pflegebedürftige.

    Aber vergesst nie: Wir Pflegende kriegen Euch alle.

    Jürgen Hollick

    Krankenpfleger

  • A
    aurorua

    War doch schon immer so, wirkliche Berufsaltruisten werden aufs Übelste und Schamloseste ausgebeutet. Hauptsache die Vorstände und Bosse haben ihre 50.000 Euro und mehr im Monat.

  • JK
    Juergen K.

    Wer hats gemacht ?

     

    Wir hams gemacht!