Ein neues Gedicht von Günter Grass: Deutschlands Scham
Günter Grass prangert Europas Umgang mit Griechenland an. Das neue Gedicht löst nur ein schwaches Echo aus. Jetzt wagt er sich an ein neues Thema: Das Urheberrecht.
Mutter Deutschland frisst weinend ihre kleinen Künstlerkinder, am Kopfe drückt die harte Mündung der Piraten.
Diebe, die, weil sie es sind, denken doch zu glauben, dabei glaubend denken, nur der Glaube fehlt und auch Gedanke.
Schlecht denkt, doch um so besser dünkt sich’s voller Drogen, den Blinker aufgeblendet auf der Datenautobahn:
Günter Grass, geboren am 16. Oktober 1927 in der Freien Stadt Danzig, frühere Mitgliedschaften in Gruppe 47 und Waffen-SS, Nobelpreisträger 1999, ist eher für seine Prosawerke bekannt. Grass sagt aber, er komme eigentlich von der Lyrik. Den Weg dorthin zurück erleichtert ihm sein Berliner Kollege
Uli Hannemann als Ghostwriter des hier abgedruckten Poems. Sonst eher Heimatdichter, fußt das Werk Hannemanns üblicherweise im Berlinischen, genauer im Bezirk Neukölln.
Der Diebstahl unsrer Seele, unsres Weltenplans, der Diebstahl eines Gutes, das selbst uns nicht gehöre.
Dem Künstler neidig wie ein Jude, der saubere Christenmenschen sieht, so will er ihn zerstören.
Als sich Günter Grass mit seinem Gedicht „Was gesagt werden muss“ vor fast zwei Monaten in der Süddeutschen Zeitung an die Welt wandte, reagierten die Medien routiniert und steckten bald auch das Publikum mit ihrer Aufregung an. Antisemitismus, Waffen-SS, Präventivkrieg, diese Debatte hatte alles, was eine Debatte braucht.
Grass selbst ließ zum vergangenen Wochenende hin „Europas Schande“, ein Gedicht zur Lage Griechenlands, folgen. Er stellt sich in die europäische Tradition aufgeklärter Streitbarkeit, die von den großen Griechen über die Humanisten der Renaissance bis hin zum Bild-Kolumnisten Franz-Josef Wagner reicht. Gerade mit Letzterem verbindet Grass – inzwischen oft als „intellektueller Wagner“ gehandelt – das altersweise Intervenieren in die Zeitläufte. Die publizistische Frequenz trennt sie. Noch.
Ein wöchentlicher ARD-Talk mit Thilo Sarrazin, Arbeitstitel „Schnauzer der Woche“, ist geplant, weitere Poeme ebenso. Das zum Urheberrecht hat die taz veröffentlicht, nächste Themen: Schlecker, Eurovision Song Contest, Syrien. (das)
Törichtei und Frevelmut in einer Welt voll leeren Komputergebrumms gebiert Kopie, Betrug, Betrugskopie.
Hinein das Poem in den Komputerkasten und tausendfach hinaus, Gorgonenhaupt, ich weiß nicht, wie das geht.
Das edle Dichterwort, geschändet von einer grölenden Meute Kartoffelchips nagender Hornbrillenträger.
Liegt wehrlos, nackt im Staub und wartet bange auf den nächsten Rotarmisten einer Fälschergeneration.
Manch mutiger Mann, Sven Regener, Charlotte Roche und Manuel Andrack, trat dem Pack entgegen.
Sprach „Halt“, „So nicht“ und „Nehmt uns nicht noch unser Geld, sonst leiden unsre Kinder Hunger!“
Umsonst. Umsonst ist nur der Tod, man will uns nicht, man will den Künstler liquidieren.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Greenpeace-Mitarbeiter über Aufrüstung
„Das 2-Prozent-Ziel ist willkürlich gesetzt“
Keith Kelloggs Wege aus dem Krieg
Immer für eine Überraschung gut
Rücktritte an der FDP-Spitze
Generalsekretär in offener Feldschlacht gefallen
Ampel-Intrige der FDP
Jetzt reicht es sogar Strack-Zimmermann
Stellungnahme im Bundestag vorgelegt
Rechtsexperten stützen AfD-Verbotsantrag
Antisemitismus in Berlin
Höchststand gemessen