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Kommentar GriechenlandWeiß Merkel wirklich nicht, was sie tut?

Kommentar von Jannis Papadimitriou

Berliner Regierungspolitiker geben dreimalkluge Ratschläge Richtung Athen. Nicht das Richtige, wenn Merkel und Co eine Linksregierung in Griechenland vermeiden wollen.

V erstehen die europäischen Konservativen die Situation in Griechenland und vor allem die Griechen wirklich nicht oder wollen sie einfach einen Volksaufstand am Fuße der Akropolis und den Austritt des Landes aus dem Euroraum provozieren? Letzteres anzunehmen bringt den Kommentator in gefährliche Nähen zu Verschwörungstheorien. Aber wie sonst soll man erklären, dass ausgerechnet, als in Athen eine richtungsweisende Wahlentscheidung ansteht, Berliner Regierungspolitiker mit beeindruckender Regelmäßigkeit dreimalkluge Ratschläge von oben erteilen und dadurch einen Linksruck bewirken, den sie offiziell ja verhindern wollen?

Erinnern wir uns an den letzten Urnengang: Pünktlich zur Athener Wahlkundgebung des linken Parteichefs Alexis Tsipras warnte der deutsche Finanzminister, die Griechen hätten mit Konsequenzen zu rechnen, falls sie nicht das gewünschte Wahlergebnis lieferten. Worauf Tsipras donnerte, nach der Wahl werde Griechenland von neuen Politikern regiert, „die nicht auf den Bestechungslisten von Siemens stehen“. Allein diese Replik durfte ihm ein paar zehntausend Stimmen beschert haben.

Damit nicht genug: Nach der Ankündigung von Neuwahlen hielt es Angela Merkel für eine gute Idee, den griechischen Staatspräsidenten Karolos Papoulias auf ein Referendum über den Verbleib Griechenlands in der Eurozone anzusprechen. Logischerweise waren die Griechen davon wenig begeistert; die Deutschen fänden es ja auch unangebracht, wenn Papoulias ein Referendum anregte über die Frage, ob Merkel weiter regieren soll oder nicht. In der darauf folgenden Woche kletterte die griechische Linkspartei in den Umfragen auf über 25 Prozent.

JANNIS PAPADIMITRIOU

ist taz-Korrespondent in Athen.

Die Erwerbslosen in Griechenland summieren sich bereits auf über eine Million, und jeden Tag geht weiteren 600 bis 700 Menschen ihr Job flöten. Diese Menschen sind verzweifelt, und sie können leider auch nicht viel mit langfristigen Wachstumsprognosen seitens der aus EU, IWF und EZB bestehenden Troika anfangen.

Mag sein, dass Tsipras ein Volkstribun ist und falsche Antworten gibt. Aber da kann man nur sagen: Wer die richtigen Antworten hat, der soll sich bitte schön melden und den Menschen Hoffnung geben. Wenn Merkel und Co eine Linksregierung in Griechenland vermeiden wollen, sollten sie jedenfalls dringend aufhören, die Griechen zu beleidigen.

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11 Kommentare

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  • K
    Kaboom

    @Wolfgang Meyer:

    LOL, nur mal so gefragt: Sie hatten nicht mitbekommen, dass Merkel sich massiv in den Wahlkampf in Frankreich eingemischt hat, um den "Linken" Hollande zu verhindern? Mutti Merkel fühlt sich berufen, überall in Europa in der Innenpolitik "mitzumischen". Selbstverständlich will Merkel keine linke Regierung in Griechenland. Ich würde sogar noch weiter gehen: Merkel will keine DEMOKRATISCHE Regierung in Griechenland. Der Beweis wurde vor einem halben Jahr erbracht, als der damalige griechische Regierungschef auf die - offenkundig in den Augen Merkels äusserst schlimme - Idee kam, über die "Reformpolitik" das Volk abstimmen zu lassen.

  • I
    Illoinen

    Deutschland trägt eine Mitschuld an den Problemen in der EU. Alles andere ist Propaganda. Im Übrigen suchte bisher immer Deutschland die Schuld bei Anderen, statt erst einmal bei sich anzufangen. Deutschland als größte Volkswirtschaft in Europa sollte doch klar sein, dass mit seiner Lohndumping und Subvention Politik in der EU, die Wettbewerbsfähigkeit anderer Länder massiv untergraben. Deutschland kann nicht alle in der EU nieder konkurrieren, und anschließend sich hinstellen und sagen die anderen seien schuld. Das ist einfach schäbig. Ursachen und Wirkung nicht verwechseln. Prächtige Gewinne zu Lasten anderer Länder machen, aber sobald dies schief geht, sind für die Verluste die kleinsten Länder in der EU selber verantwortlich? Ich möchte noch einmal daran erinnern, Deutschland hatte die Finanzmärkte unter rot/grün dereguliert, und danach kam erst die Finanzkrise, und diesen Fehler sollen jetzt andere ausbaden?

  • WM
    Wolfgang Meyer

    Herr Papadimitriou,

     

    Ich muss mich korrigieren. Sie scheinen mit ihrem Kommentar ja doch eine Menge Leser anzusprechen, die weitgehend eine beeindruckende Diskussionkultur pflegen...

     

    Na, dann ist halt Merkel um der Kapitalismus doch an allem Schuld. Dann lassen sich die Probleme ja leicht lösen...

     

    Wolfgang Meyer

  • D
    derherold

    "und brav ihre Schulden zahlen, auch dann noch wenn sie nichts mehr zu fressen haben. Ganz nach neoliberaler Manier."

     

    Lieber @Sonnenschein, Griechenland hat noch nie einen Cent an "Schulden gezahlt", sondern hat seit zehn Jahren ein nettes primary deficit.

    ... ganz abgesehen davon, daß rd. 30%(?) der Zinszahlungen in die Kassen der griech. Versicherten, etc. fließen.

     

    "...das der ursächliche Auslöser der sogenannten Staatsschuldenkrise eine Bankenkrise ist..."

     

    Das ist falsch und wir nicht dadurch besser, daß es permanent wiederholt wird. Und die "Finanzmärkte" zu kritisieren, wenn man gleichzeitig deren Kohle haben will, hört sich für mich ziemlich lustig an.

  • S
    Stag

    Griechenland braucht m.E. ein neues "Selbstverständnis" von seinem Staat. Ist der Staat das Böse, das es zu betrügen und bekämpfen gilt oder identifiziere ich mich als Grieche mit meinem Staat. Zurzeit habe ich den Eindruck, dass die Erklärungen für die Misere im Land immer mit der Schuld anderer zu tun haben, kritische Selbsreflexion jedoch kaum vorkommt. Solange es kein verbrauchter oder unverbrauchter Politiker wagt, an die korrupten Strukturen der Verwaltung heranzugehen, solangen griechische Reeder(!) keine Steuern zahlen müssen und solange jeder Einzelne versucht dem Staat eine Nase zu drehen, solange wird sich nichts ändern. Und die Hilfsbereitschaft der übrigen Europäer wird das auch nicht beflügeln.

  • BK
    Basti Knasti

    Deutschland hat den Ball flach zu halten. Punkt.

    Es geht hier nach wie vor um einen souveränen Staat innerhalb der EU Staatengemeinschaft. Großmachtsfantasien à la 'Protektorat GR' (Straubhaar/Kauder), klugscheisserische Bevormundungen à la 'macht's wie wir, sonst..' (Schäuble/Rehn/Merkel/Westerwelle) haben gefälligst zu unterbleiben. Ansonsten wird nur das im Kern undemokratische Selbstverständnis der BRD entblösst.

    Was in GR niemand, auch nicht Tsipras, bisher auszusprechen gewagt hat, ist das unübersehbare Demokratiedefizit in der EU und vor allem in der BRD.

    GR sollte aus der EU austreten, nicht aus wirtschaftlichen Gründen, sondern aus politischen.

    Nämlich mit der zutreffenden Begründung nicht länger Teil eines solchen völlig undemokratischen Gebildes sein zu wollen. Und schon gar nicht der Buhmann für marktkonforme Träume einer schon bald redundanten Elite.

     

    @wolfgang meyer: nur weiter so im Stechschritt.. in der Tat, kali nichta..

  • KS
    Karl Sonneschein

    @Wolfgang Meyer

     

    "Warum sollte Fr. Merkel eine Linksregierung verhindern wollen?"

     

    Damit die dummen Griechen weiter nach der Pfeife der Troika tanzen und brav ihre Schulden zahlen, auch dann noch wenn sie nichts mehr zu fressen haben.

    Ganz nach neoliberaler Manier.

     

    Und natuerlich damit das liebe Kapital nicht in Frage gestellt wird, weder in Griechenland noch sonstwo in Europa.

     

    Und das die braven Deutschen weiterhin so waehlen wie bisher. Gibt es erst einmal eine Linksregierung in Europa die diesen Namen auch verdient dann koennte auch ein groesserer Teil der Deutschen auf die dumme Idee kommen irgendwann Die Linke zu waehlen. Ich nehme mal an das sich die CDU/CSU, SPD und FDP darueber nicht besonders freuen wuerden.

  • M
    Moebius

    Aus dem Blickwinkel des Kommentars betrachtet: Vielleicht begreift Merkel inzwischen, dass die Austeritätspolitik verhängnisvoll ist und sucht verzweifelt nach einem Weg, ihren Kurs zu korrigieren, ohne dabei völlig das Gesicht zu verlieren. In dem Fall wäre ein Wahlsieg der griechischen Links ein Geschenk des Himmels, weil Merkel dann "aus realpolitischer Notwendigkeit" ein Ende des kurzftistigen Sparkurses und einen Schwenk zur Wachstumspolitik akzeptieren "müsste".

     

    Man darf ja wohl noch träumen, wenn's sonst kaum Grund zur Hoffnung gibt...

  • WK
    Winfried KieserIhr Name

    Weiß ist weiß, und schwarz ist schwarz. Für einen Kommentar ist dieser Artikel ein wunderbares Besispiel, wie unterkomplex Journalismus sein kann.

  • PA
    Peter Adam

    @Wolfgang Meyer.

     

    Falls es Ihnen entgangen sein sollte: Es gibt genug Beispiele dafür das ein Volk mehrmals abstimmen musste, bis das Resultat der Brüsseler Kamarilla genehm war. Ich verweise hier auf Irland im besonderen.

    Man mag zu Tzipras stehen wie man will. Unbestritten ist die Tatsache das es dringend neuer Politiker braucht, unverbrauchte Typen, die eigenwillig zwar, aber mit neuen Ideen, den Karren aus dem Dreck ziehen könnten wenn man sie den ließe.

    Die pauschale Diffamierung eines Parteichefs als " Linksradikal " ist schlechter Geschmack und zeugt von einem etwas verqueren Demokratieverständnis der dauerregierenden Betonköpfe in Berlin, deren Denken und trachten derart verkrustet ist das sie vor lauter Hybris nicht sehen wie mein Volk zugrunde geht. Man muss sich stets dran erinnern das der ursächliche Auslöser der sogenannten " Staatsschuldenkrise " eine Bankenkrise ist, in deren Verlauf schwächere Länder gezwungen waren durch Schulden ihr Bankensysten zu stabilisieren. Deutschland ist dank seiner wirtschaftlichen Größe besser daraus hervorgegangen, unterstützend begleitet durch die unter Rot/Grün entfesselten Finanzmärkte, Niedriglohnsektor, Zeitarbeit und der Beschneidung der sozialen Systeme mit den Hartz-Reformen. Auch spielen die Handelsdefizite- und Gewinne hierbei eine maßgebliche Rolle, denn die Gewinne des einen sind die Schulden des anderen.

  • WM
    Wolfgang Meyer

    Was ist das denn für ein Quatsch?

     

    Herr Papdimitriou scheint ein Vertreter der griechischen Verschwörungstheorien zu sein. Warum sollte Fr. Merkel eine Linksregierung verhindern wollen? Selbst wenn, warum wäre diese Einmischung besser als die beschriebenen angeblichen anderen Einmischungen. Schuld sind natürlich immer die anderen. Vielleicht ist das ein menschliches Verhalten - fundiert ist es deshalb nicht... Aber manchmal tut es ja gut, den Frust rauszulassen. Wenn es zumindest den Zweck erfüllt hat... Kali nichta.