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Film „Das Leben gehört uns“„Sie brennen vor Energie“

Ein Kleinkind erkrankt an Krebs. Was machen die Eltern? Jérémie Elkaïm und Valérie Donzelli verwandelten ihre eigene Geschichte in einen Film: „Das Leben gehört uns“.

Die Szene aus „Das Leben gehört uns“ zeigt Valérie Donzelli in der Rolle der Juliette sowie Jérémie Elkaïm in der Rolle des Romeo, zusammen mit ihrem Filmsohn Adam. Bild: prokino
Interview von Claudia Lenssen

taz: Frau Donzelli, Herr Elkaïm, Ihr Film basiert auf der authentischen Geschichte der Krebskrankheit Ihres Sohnes. Was sagt Ihr Sohn zu dem fertigen Film?

Valérie Donzelli: Eigentlich sollte er ihn nicht sehen, vielleicht in ein oder zwei Jahren Die Erinnerung, die er an sein Leben hat, wollten wir nicht durch Kinobilder ersetzen. Aber der Film war ein gewisser Erfolg, und Kinder aus seiner Schule sahen ihn. Es wäre lächerlich gewesen, ihm das zu verbieten. Er wollte dann mit seiner Großmutter ins Kino und fand den Film gut, mehr hat er nicht gesagt.

Ich finde es heikel, die Krankheit eines nahestehenden Menschen zum Thema zu machen. Hatten Sie kein Problem mit dieser Indiskretion Ihrem Kind gegenüber?

Jérémie Elkaïm: Sie haben recht. Als wir das Drehbuch schrieben, war uns vollkommen klar, dass wir keinen autobiografischen Film wollten, keinen Dia-Abend über unser kleines Leben. Wir wollten einen Kinofilm, der von der Sehnsucht nach Leben und viel Energie erzählt. Die Form war uns sehr wichtig. Ein intimes Objekt sollte entstehen, wie wenn man eine Tür öffnet und universelle Dinge berührt.

Geht es Ihnen dabei um Lebensmut?

Valérie Donzelli: Nein, ich glaube nicht. Es geht darum, Hoffnung zu machen und zu zeigen, dass man sich nicht geschlagen gibt.

Der Film

Valérie Donzelli, 1973 geboren, studierte Architektur, später Schauspiel in Paris. Bekannt wurde sie durch Auftritte in Fernsehserien. 2010 realisiert die Schauspielerin, Drehbuchautorin und Regisseurin ihren Debütfilm „La reine des pommes“, in dem sie die Trennung von Jérémie Elkaïm thematisiert. Den Vater ihrer zwei Kinder inszeniert sie in vier Rollen, die ihre unterschiedlichen neuen Liebhaber darstellen. Zusammen mit Elkaïm als Ko-Autor und Ko-Darsteller ist „Das Leben gehört uns“ ihr bislang größter Erfolg. Die Geschichte eines Paares, das den Kampf gegen den Gehirntumor seines Kindes aufnimmt, fußt auf wahren Begebenheiten.

Jérémie Elkaïm, 1978 geboren, schrieb mit 17 sein erstes Drehbuch. In Filmen, die schwules Coming-out thematisierten, wurde er als Schauspieler bekannt, u. a. in „Scènes de lit“ (R: François Ozon, 2000). Elkaïm tritt auch in Fernsehserien auf. 2011 spielte er in „Polisse“ („Polizei“, Regie: Maïwenn le Besco) einen Polizisten der Jugendschutzpolizei. „Main dans la main“, wieder mit Valérie Donzelli geschrieben, ist eine komplett getanzte Liebesgeschichte, in der die beiden ein Geschwisterpaar verkörpern.

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„Das Leben gehört uns“

Roméo (Jérémie Elkaïm) und Juliette (Valérie Donzelli) begegnen einander in einem Club. Es ist Liebe auf den ersten Blick, aber als sie einander ihre Namen sagen, vermutet Juliette, dass eine Katastrophe auf sie zukommen könnte. Valérie Donzellis Film „Das Leben gehört uns“ setzt dem Unglück denselben vitalen Schwung entgegen, mit dem sich das Paar auf der Tanzfläche begegnet. Der Film handelt von der im Kino grassierenden Krankheit Krebs, aber Valérie Donzelli hat mit Leiden und Abschiedsschmerz nichts im Sinn. Schnell geschnitten, in bunten Bonbonfarben, unterlegt mit vorwärtstreibender Musik und romantischen Chansons, feiert der Film die Liebe in Zeiten höchster Gefahr. Wie im Märchen nehmen die widerborstigen Helden in wilder Laune den Kampf gegen ihren Widersacher Krebs auf. Sie gewinnen ihn zusammen mit dem kleinen Adam, der nach mehreren Operationen und acht Jahre währender Behandlung gesund ist. Seit der Premiere bei den Filmfestspielen in Cannes gewann "Das Leben gehört uns" mehrere Preise und war als französischer Beitrag für einen Oscar nominiert.

„Das Leben gehört uns". Regie: Valérie Donzelli. Mit Valérie Donzelli, Jérémie Elkaïm u. a. Frankreich 2010, 100 Min.“

Elkaïm: Unsere Generation ist nicht auf Krankheit und Tod vorbereitet, aber wir suchen permanent nach Wahrheit. Es geht also um die Geschichte eines modernen Paares, das sich immer wieder findet. Wir wollten auch von Familie und Solidarität erzählen. Das sind Werte, die uns wichtig sind. Ingmar Bergman sagte: In allen Filmen stellt sich die Frage, ob Liebe wirklich existiert. Unserer Meinung nach existiert sie, sie hat sogar etwas Revolutionäres.

Was meinen Sie damit?

Elkaïm: Damit will ich sagen, dass Liebe keine Gesetze kennt und über allen Konventionen steht. Die Gesellschaft versucht uns einzuimpfen, wie man zu leben und zu lieben hat. Dass man eine Familie zu gründen hat. Zumindest ist das eine sehr starke Idee in unserer westlichen Kultur. Ich glaube, dass Liebe alles das nicht ist. Sie muss nicht solchen Regeln gehorchen, vor allem nicht nach diesem Abenteuer, von dem der Film erzählt. Die beiden im Film verlassen sich am Ende, um etwas Neues zu finden, auch eine neue Form der Liebe zueinander.

In Ihrem privaten Leben haben sie eine künstlerische Zusammenarbeit gefunden. Ist das Ihre Form, die romantische Liebe zu transformieren?

Donzelli: Vielleicht. Wir suchen gemeinsame Projekte, wir arbeiten gern zusammen. Als Paar haben wir wichtige Dinge zusammen geschafft. Wir haben zwei Kinder und konnten die Krankheit unseres Sohnes gemeinsam durchstehen. Jetzt führen wir die Beziehung anders weiter – als Arbeitspaar. Sicher ist das eine andere Form von Liebe.

Elkaïm: Das Schlimme an der Krankheit ist, dass sie einem die Identität nimmt. Wir waren keine Individuen mehr, nur noch die Eltern eines kranken Kindes. Der Film gab uns die Möglichkeit, zu diesem Etikett nein zu sagen. Ich will mir nicht nehmen lassen, Wünsche und Sehnsüchte zu haben, ich will weiter lieben und lachen dürfen.

Sie vermeiden es, ein Milieu der Betroffenen zu zeigen.

Donzelli: Man muss zwischen unseren Erfahrungen und dem Film unterscheiden. Wir wollten vor allem Kino machen, junge Eltern zeigen, die den Kampf aufnehmen, sich das Leben einfach nicht versauen lassen. Das hat viel mit Action zu tun. Sie rennen viel und brennen vor Energie.

Elkaïm: Valérie wollte Kontraste zu ihrem ersten Film probieren. „Das Leben gehört uns“ stellte sie sich wie einen Western vor, deshalb gibt es am Ende eine Zeitlupe, wenn die Eltern am Strand mit ihrem Sohn spielen. „La reine des pommes“ war ganz anders, kein knallig buntes Cinemascope, sondern ausgewaschene Farben.

Knüpfen Sie an musikalische Filme an, etwa an Agnès Vardas „Cléo – Mittwoch zwischen 5 und 7“? Da drücken Chansons die Gefühle einer Frau aus, die auf ihre Krebsdiagnose wartet.

Elkaïm: Ein toller Film, einer meiner Lieblingsfilme aus der Epoche …

Donzelli: Nein, diese Tradition hat mich nicht inspiriert. Aber die Musik ist bei uns wirklich essenziell. Wir haben beim Schreiben instinktiv immer Musik gehört, die Jérémie ausgesucht hat. Manche Szenen bestimmten die Musikauswahl, und umgekehrt beeinflussten manche Musiken das Drehbuch. Das war eine intensive Mélange.

Elkaïm: „Das Leben gehört uns“ ist ein musikalischer Film, weil Musik unter die Haut geht und unwillkürlich berührt. Auf die emotionale Wirkung kam es an.

Sie persiflieren die Eltern beziehungsweise Großeltern der Protagonisten. Wie wichtig ist die Beziehung über mehrere Generationen?

Donzelli: Ich wollte unterschiedliche soziale Klassen zusammenführen. Die Eltern von Juliette sind konformistisch und kleinbürgerlich, Romeos Mutter lebt mit einer Frau zusammen. Sie werden durch ein dramatisches Ereignis vereint, als der Tumor bei ihrem anderthalbjährigen Enkel festgestellt wird. Konflikte, die normalerweise zwischen ihnen entstehen könnten, kommen nicht auf. Wenn sie sich im Krankenhaus plötzlich treffen, hat das zwar komische Untertöne, aber in der Situation finden sie zusammen.

Im Original heißt der Film „La guerre est déclarée“, der Krieg ist erklärt. Was bedeutet Ihnen der Titel?

Donzelli: Der Krieg, wie wir ihn meinen, löst unmittelbar Action aus. Er ist längst ausgebrochen, man muss handeln. Und der Krieg, den wir meinen, verspricht einen Sieg. Der Feind ist ganz konkret die Krankheit, man will gegen das große Malheur ankämpfen, was da über einem hängt. In diesem Fall hat Krieg für mich einen Sinn.

Elkaïm: In einem gewissen Moment ist es klug, die Fatalität einer Krankheit anzuerkennen. Aber die Weisheit hat auch etwas Morbides. In unserem Fall wollten wir die idealistische Seite des Kämpfens zum Ausdruck bringt.

Der reale Tod wird in unserer Gesellschaft verdrängt. Wie unterscheidet sich Ihr Idealismus davon?

Donzelli: Ich wurde sehr früh mit Krankheit und Tod konfrontiert, das war mir nicht fremd, meine Mutter war sehr krank.

Elkaïm: Bei mir war es anders. Wir wollten unsere unterschiedlichen Sichtweisen nutzen, um etwas über unsere Zeit herauszufinden. Es ist eigentlich faszinierend, mit wie viel Angst wir reagieren. Wir haben Angst, weil wir den Tod verdrängen, und je mehr wir verdrängen, desto mehr Angst macht er uns. Ich glaube, dass dieser Teufelskreis deutlich macht, wie unsere Gesellschaft permanent die Angst kultiviert.

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