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Aktion gegen Beschneidung in StockholmIhr Stück vom Kuchen

Die schwedische Kultusministerin wollte auf Klitorisverstümmelung aufmerksam machen. Jetzt hagelt es Vorwürfe wegen Rassismus und Rücktrittsforderungen.

Das fehlende Stück Kuchenklitoris hat die schwedische Kultusminsterin verspeist. Bild: screenshot: youtube

Lena Adelsohn Liljeroth macht keine gute Figur. Die schwedische Kulturministerin schneidet in einen Kuchen, der dem Torso einer schwarzen Frau nachempfunden ist – oder besser: dem im 19. Jahrhundert gängigen Stereotyp einer schwarzen Frau. Schwarze Schokolasur, darunter blutroter Teig, das Messer setzt dort an, wo die Vagina wäre. Der Kopf der Frau ist nicht aus Kuchen, sondern gehört dem Künstler Makode Aj Linde, der, auf groteske Weise geblackfaced, vor Schmerzen stöhnt. Lena Adelsohn Liljeroth ist längst nicht die Einzige, die an diesem 15. April im Stockholmer Museum für Moderne Kunst ihr Stück vom Kuchen will. Anschauen kann man sich das auf YouTube.

Afroschwedische Aktivisten und Aktivistinnen verlangen den Rücktritt der Ministerin. Berichte im englischen Guardian und auf Websites wie honestlyabroad.tumblr.com sowie das YouTube-Video werden von empörten Kommentaren begleitet. Ähnlich wie bei der Debatte über Blackfacing an Berliner Theatern sind viele Leute nicht gewillt, es hinzunehmen, wenn ein Arsenal rassistischer Stereotype aufgefahren wird. An der Stockholmer Performance ist besonders unappetitlich, dass sie angeblich dazu dient, Klitorisverstümmelung anzuprangern. Naivität und Helfersyndrom gehen eine grausliche Verbindung ein.

Aber wer weiß (und anhand eines YouTube-Videos lässt sich das kaum beantworten) – vielleicht geht’s genau darum, dass ein sich seiner guten Absichten gewisses Publikum sich selbst demontiert. Makode Aj Linde wäre dann ein Trickster, der den latenten Rassismus der Mehrheitsgesellschaft mit den Mitteln der Groteske zum Vorschein bringt. Für ein Stück Kuchen nehmen die Ausstellungsbesucher schafsblöd an einer Inszenierung teil, die aus den rassistischen Bildwelten vergangener Zeiten schöpft. Insofern geht die Kulturministerin doppelt in die Irre, wenn sie jetzt jedwede rassistische Intention ihrerseits abstreitet und den Künstler verantwortlich macht.

Was Makode Aj Linde dabei nicht bedenkt, ist, wie heikel die Arbeit am Stereotyp ist. Ob man es überwindet oder es bekräftigt, indem man es überzeichnet zur Schau stellt, ist unklar und vor allem nicht steuerbar. Gar nicht zu reden davon, dass es Makode Aj Linde – darin ein Waffenbruder des polnischen Videokünstlers und Berlin-Biennale-Kurators Artur Zmijewski – hinnimmt, eine ganze Menge Leute zu verletzen, deren Sensibilität er besser nicht mit dem Messer traktieren sollte.

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6 Kommentare

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  • C
    Carsten

    Interessant ist, dass im Artikel behauptet wird, das Kunstwerk solle Genitalverstümmelung anprangern. Das stimmt so nicht, der Werk wurde ja zum Thema "Provokation/Kunstfreiheit" ausgestellt nicht "Genitalverstümmelung"! Der Künstler, der schwarz ist und sicherlich für das Thema Rassismus sensibilisiert ist und bereits seit Jahren zum Thema "Blackface" arbeitet, sieht sein Werk auch eher im Zusammenhang mit Fragen nach der schwarze Identität und der weißen Sicht. In diesem Zusammenhang sollte man das Werk noch einmal überdenken und nicht einfach reflexartig auf ein Youtube-Video reagieren und sich in allem bestätigt sehen, was man eh schon wusste...

  • D
    Dany

    Die Aktion ist skurril und albern, aber die Aufregung erscheint mir doch sehr übertrieben. Ein Ausrutscher ist kein Grund für einen Rücktritt. Ob der Auftritt Schule machen wird? Vielleicht tauchen bald Bilder auf, die andere Prominente die Mösen abschneiden zeigen.

  • D
    dielendieb

    Unter der Prämisse, dass, werimmer um die Problematik weiß und nichts dagegen tut, intellektuell noch im 19. Jahrhundert beheimatet ist, erweist sich die Darstellung als weniger grotesk und vielmehr als Appell, der seinen Adressaten dort abholt, wo er steht und ihn mit den Mitteln anspricht, die er versteht.

  • S
    Stefan

    MIch würde mal interessieren, ob unter den KritikerInnen der Aktion denn auch beschnittene Frauen sind.

    Falls nicht, dann sollten alle anderen doch einfach das Maul halten.

  • T
    Teermaschine

    Unentwegt feuert das von Deniz Yücel an anderer Stelle in dieser Zeitung identifizierte "im Zweifel Deutsch(e)" rassistische Nebelkerzen. Jetzt auch in Schweden. Das Heer der selbsternannten Neusprechschützer kann der doppelplus-schnellen Ausbreitung des deutschen Unwesens nicht mehr Einhalt gebieten. Was dieser Tage bei Sarrazin, Grass und Anderen eitrig hervorbricht hat längst schon die Nachbarn infiziert.

    Inzwischen erreichen täglich unzählige Meldungen über verübte Gedankenverbrechen die Redaktionsstuben der wenigen Aufrechten. Die Zeit ist reif für eine staatliche Überwachung!

  • A
    Andreas

    Erst dachte ich: Eigentliche eine gute Aktion, weil es aufrüttelt.

    Wenn ich mir das Video ansehe, finde ich es nur erbärmlich...

     

    Aber vielleicht läuft es genau so: Der Westen ergötzt sich am Elend, macht ein Foto davon, regt sich ein wenig auf und fühlt sich gut dabei.