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Genossen machen die taz„Lohnarbeit ist Sklaverei“

Tom Hodgkinson ist Müßiggänger von Beruf. Im Bett liegen zu bleiben, sei genau so gut, wie zur Arbeit zu gehen, findet er – und kritisiert unsere Einstellung zur Arbeit.

Das Faultier im Menschen. Bild: Nordreisender / photocase.com
Interview von Sören Sieg

taz: Mr Hodgkinson, Sie sind schwer zu erreichen.

Tom Hodkinson: Ja, ich habe gestern noch in Frankreich einen Vortrag gehalten und zehn Songs zur Ukulele vorgetragen. Natürlich über Faulheit.

Ist es nicht merkwürdig, so hart dafür zu arbeiten, dass andere Leute nicht mehr hart arbeiten?

Ja, das fragt man mich, seit ich die Zeitschrift Der Faulenzer gegründet habe. Das war auch sehr viel Arbeit für sehr wenig Geld. So wie meine Faulenzer-Akademie hier. Ich träume davon, vom Buchhandel zu leben, weil ich Bücher liebe. Aber in Zeiten von Amazon ist das fast unmöglich. Auch das Café und die Kurse bringen fast nichts ein. Ich konnte letztes Jahr nur durch einen Buchauftrag überleben, von einer Firma, die Elektro-Autos herstellt.

Warum tun Sie sich diesen Stress an?

Das frage ich mich auch. Es ist verrückt. Aber auch ein großes Missverständnis. Beim Müßiggang geht es nicht um ein angenehmes Leben. Nicht mal um ein leichtes Leben. Vielleicht ist dein Leben sehr hart und du hast kein Geld. Aber du bist frei. Du tust, was Dir Spaß macht. Darum geht es, das hat schon Sokrates gelehrt. Auch Jesus hatte keinen Job. Lohnarbeit ist Sklaverei.

Ihr Motto ist: Never, ever work! Muss das nicht zynisch klingen für all die Leute in Spanien und Griechenland, die gerade ihre Jobs verloren haben?

So ist der Kapitalismus. Wer sich mit ihm einlässt, kommt darin um. Ich habe immer gesagt: Verlasst euch nie auf euren Job. Euer Chef wird euch bei der ersten Gelegenheit feuern. Unternehmen kennen keine Moral. Deshalb geben wir hier auch Kurse für Existenzgründer. Schaffe dir deine eigene Geldquelle!

Bild: Verlag
Im Interview: TOM HODGKINSON

(44) gab vor zwanzig Jahren seinen gutbezahlten Job bei einer englischen Tageszeitung auf, um die Zeitschrift The Idler (Der Faulenzer) zu gründen. Er schrieb den Weltbestseller „Anleitung zum Müßiggang“ und zog mit seiner Familie aufs Land. 2011 gründete er in London die Idler Academy.

Ich habe immer sehr viel gearbeitet. Und dann lese ich in Ihrem Buch: Du hättest lieber im Bett bleiben und weiterschlafen sollen!

Na ja, ich bin Anarchist, ich sage niemandem, was er tun soll. Aber es gibt in unserer Kultur nur noch eine einzige Einstellung zur Arbeit. Und das ist falsch. Es ist genau so gut, im Bett liegen zu bleiben wie zur Arbeit zu gehen. Faulheit ist menschlich – und produktiv. Denken Sie an John Lennon. Er war sehr faul. Und sehr produktiv. Im Mittelalter wurden Leute verachtet, die zu viel gearbeitet haben. Das ist uns völlig verloren gegangen.

Vor der Reformation war alles besser?

Vieles. Es wurde weniger gearbeitet und mehr gefeiert. Es war verboten, nachts zu arbeiten oder an den zahllosen Feiertagen. Bettler waren heilig, keine Parasiten. Und dann kam Calvin mit seiner Arbeitsmoral. Damit begann das ganze Elend.

Sie loben den Buddhismus. Ist nicht auch den Buddhisten Disziplin extrem wichtig?

Na ja, inzwischen stehen meine Texte in buddhistischen Lehrbüchern. Moslems sagen mir, ich wäre ein Sufi. Eigentlich bin ich ein mittelalterlicher Christ. Aber inzwischen möchte ich ein römischer Stoiker sein: Lernen, das Leben zu ertragen. Das wäre schon sehr viel.

Sie sagen, man soll seinen Wecker wegwerfen. Wie soll das gehen, wenn man arbeitet und Kinder hat?

Ich habe 15 Jahre ohne Wecker gelebt. Aber ich muss beichten: Heute morgen um halb sieben ging mein Wecker. Manchmal muss man auch die eigenen Regeln brechen. Im Moment ist einfach höllisch viel zu tun.

Muss man nicht nach Tahiti auswandern, um unserer Arbeitsmoral zu entkommen?

Ich glaube nicht. Man würde sich langweilen. Und unendlich fremd fühlen. Ich bin ausgestiegen, indem ich mir dieses Bauernhaus in Devon in Süd-England gemietet und Gemüse angepflanzt habe.

SÖREN SIEG

ist taz-Genosse und lebt als freier Autor und Komponist in Hamburg. Im Juni erscheint sein Roman Superdaddy bei List.

Sie empfehlen das Leben auf dem Land. Ist die Kulturlosigkeit dort nicht schrecklich?

Sie ist schrecklich. Ein Nachbar von mir war noch nie in London. Und mein großer Sohn wollte immer zurück in die Stadt. Seit er zwei war. Es war ein Schock, als ich nach zehn Jahren auf dem Land meinen Buchladen hier in London aufmachte. Ich stellte fest: Mit den Leuten, die hier reinkommen, verstehe ich mich auf Anhieb. Ich war auch in einer Anti-Flughafen-Kampagne, bis mir klar wurde: Hallo, Tom, du liebst es, nach Berlin zu fliegen oder nach Paris. Was machst du hier?

In Ihrem Buch Leitfaden für faule Eltern schreiben Sie: Das Hauptproblem mit unserer Kleinfamilie ist, dass sie einfach zu klein ist. Gibt es einen Weg zurück zur mittelalterlichen Großfamilie?

Leider habe ich herausgefunden, dass die Familien im Mittelalter genau so klein waren wie unsere.

Wie bitte?

Nicht auf dem Land. Aber in der Stadt. In Florenz um 1350 hätten wir dasselbe Gespräch geführt wie jetzt. Ich dachte auch, in Südamerika würde das Paradies der Großfamilie andauern. Bis mir ein Journalist aus Paraguay erzählte, dort hätten sie auch alle nur zwei oder drei Kinder. Es ist ein globales Problem.

Und wie kommen wir da raus?

Keine Ahnung! Ich hab’s versucht. Ich bin gescheitert.

Was passiert mit Sex in der Ehe? Vor allem, wenn man Kinder hat?

Darüber denke ich jetzt seit zehn Jahren nach. Frauen können mal so eben vier, fünf Jahre ohne Sex auskommen. Wir nicht. Und dann schauen wir uns um. Mit schlechtem Gewissen.

Und haben Affären.

Frauen haben auch Affären. Sie können sie nur besser verheimlichen. Und haben kein schlechtes Gewissen dabei.

Ist die Ehe eine Fehlkonstruktion?

Absolut. Wir erwarten viel zu viel. Die Griechen unterschieden vier Arten von Liebe: Eros, die Leidenschaft, Ludus, spielerische Liebe, Pragma, gemeinsame Arbeit, und Philia, geschwisterliche Freundschaft.

Und unsere Ehe soll alles vier enthalten.

Genau. Das kann nicht klappen. Ich kenne keine einzige glückliche Ehe. Im Mittelalter war Prostitution eine akzeptierte Lösung.

Nicht nur damals. Noch der Filmemacher Luis Buñuel hat offen von den Bordellen Madrids in den zwanziger Jahren geschwärmt.

Das ist heute das größte Tabu überhaupt. Damit machen wir uns das Leben unnötig schwer. Aber Eifersucht ist ein mächtiges Gefühl.

Lassen Sie uns über die Piraten sprechen. Was halten Sie davon, im Netz solle alles umsonst sein?

Die Nerds, die das fordern, haben selber hochbezahlte Jobs als Webdesigner. Und erwarten, dass wir Künstler umsonst arbeiten. Es ist grotesk. Diese Typen geben sich libertär, aber eigentlich sind sie bloß Parasiten.

Lässt sich diese Bewegung noch aufhalten?

Na ja, historisch gesehen ist das Urheberrecht sehr jung. Der englische Schriftsteller Samuel Johnson bekam regelmäßig Geld vom englischen König. Voltaire war Aktienhändler. In Zukunft werden wir wohl vom Sponsoring leben müssen. Und von Live-Auftritten.

Zuletzt noch eine Frage meiner Tochter, mit der ich über Ihre Bücher gesprochen habe. Sie möchte wissen, was die glücklichsten Momente Ihres Lebens waren?

(lacht) Sex, trinken, schreiben, reden. Manchmal hatte ich auch nach drei Stunden Tanzen ein tiefes Glücksgefühl. Oder mit meinen Kindern. Am besten ist das Lesen, weil man es – anders als Sex oder Trinken – den ganzen Tag machen kann, sein Leben lang. Aber das ist eine gute Frage. Ich weiß gar nicht, ob ich überhaupt noch an Glück glaube. Es gibt kein irdisches Paradies. Es wird nie eins geben. Dein bester Freund kann morgen sterben, und dein Leben ist zerstört. Das ist mir vor 15 Jahren passiert. Früher dachte ich auch, meine Bücher würden eine Revolution auslösen. Leider ist sie ausgeblieben.

Dies ist ein Text aus der Sonderausgabe „Genossen-taz“, die am 14. April erscheint. Die komplette Ausgabe bekommen Sie am Samstag an Ihrem Kiosk oder am eKiosk auf taz.de.

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25 Kommentare

 / 
  • TS
    Thomas Sch.

    Ion, ist das so das Niveau, auf dem Sie sich bewegen wollen ? Erstens tun Sie so, als ob Sie mein Beispiel nicht verstanden hätten. Dann dichten Sie mir einen Habitus an, den Sie per PC überhaupt nicht beurteilen können und beschimpfem mich zudem auch noch und zwar als neurologischen Loser. Sie meinten wahrscheinlich notorisch, aber offensichtlich ist das mit dem korrekten Sprachgebrauch auch so Ihre Sache nicht. Dann sagen Sie, daß Ihnen Ihre Zeit zu schade sei, auf meine Beispiele einzugehen, finden aber Zeit, sich über meinen Namen lustigzumachen. Sagen Sie mal Ion, was ist denn mit Ihnen überhaupt los ? Anstatt hier wie wild rumzuhüpfen, würde ich es vorziehen, Ihre Argumente zu lesen. Und es ist auch wirklich nicht nötig, hier mit einem etwas albern erscheinenden Wortgeklingel wie „Proll-Gaga-Bling-`Lüxüs´-Linern, unterkomplex albernes Setting-Beispiel u.a.“ herumzutanzen. Das wirkt doch kindisch, Mann. Also, können Sie sich jetzt vielleicht mal anständig äußern, bitte ?

  • I
    ion

    @ Thomas Sch.;

     

    Wusst´ ich `s doch, dass Sie reagieren werden (müssen!); Und das dann – ebenso antizipierbar – vollkommen neben der (Themen-) Spur; Außerdem: im Gegensatz zu Ihnen hätte ich es nicht nötig auf Proll-Gaga-Bling-Bling-'Lüxüs'-Linern wie z.B. der "Costa Concordia" einzuchecken – auf der Sie ja der Kapitän waren, wenn ich mich recht erinnere(?) – und würde infolgedessen auch nie mit Ihnen auf einer Insel landen u./o. (, besser:) verenden – lol !

     

    Sorry, aber mir ist meine Zeit zu schade, noch näher auf Ihren von Menschenverachtung strotzenden Habitus u./o. auf Ihr "leichtes", überaus unterkomplex albernes Setting-'Beispiel' näher einzugehen.

    Und darüberhinaus sind Sie offenbar auch noch ein echter neurologischer Loser, was aber ja auch eine: "bestimmte Fähigkeit" ist. Warum Loser(?!): Hätten Sie sich Ihre 'lustige' Forderung an mich: "Überweisen Sie mir doch bitte jetzt einfach mal fünfhundert Euro.", nicht selber an meiner statt verneinend beantwortet, ...., wer weiß, Herr Sch.**ß !?

  • TS
    Thomas Sch.

    Na, Ion, so richtig begriffen haben Sie´s wohl nicht. Es geht doch hier nicht um Auswüchse des Kapitalismus, die Sie -übrigens völlig zurecht- beklagen. Es geht darum, daß sich jemand auf unsere Kosten das Leben gutgehen läßt. Solange Sie persönlich den faulen Sack unterstützen, ist ja nicht dagegen einzuwenden. Aber ich wende mich dagegen, daß dafür meine Steuergelder verwandt werden. Vielleicht mal ein leichtes Beispiel für Sie: Stellen Sie sich vor, zwanzig Personen leben auf einer einsamen Insel und dadurch, daß jeder bestimmte Fähigkeiten hat, schaffen wir es zu überleben. Warum sollten die anderen Ihnen etwas abgeben, wenn Sie nicht zu deren überleben beitragen ? Warum sollten wir dem Penner was geben ? Anderherum gefragt, lieber Ion: Überweisen Sie mir doch bitte jetzt einfach mal fünfhundert Euro. Wollen Sie nicht ? Warum denn nicht ? Wo ich doch keine Lust zur Arbeit habe aber Geld brauche, könnten Sie doch was springen lassen. Schätze mal lieber Ion, jetzt, wo Sie mir kein Geld schicken wollen, sollten Sie sich die Begründung dafür, die Sie im Kopf haben, merken, aufschreiben und sich laut vorlesen. Capito ?

  • I
    ion

    François Truffaut läßt in seinem (Nouvelle Vague) Spielfilm:

    'Der Mann, der die Frauen liebte',

    aus dem Jahre 1977 sagen:

    „Die Arbeit hat man ja auch nur erfunden, weil man nicht Tag & Nacht miteinander schlafen kann.“;

     

    Und zeitgenössische taz-Leserkommentatoren machen sich signifikant häufig Sorgen um (ihre) allmorgendlichen "Brötchen" vom "Bäcker"(!), deren traditionell nächtlich betriebene Knet-'Zunft' nach der Invasion von industriell gefertigten Backmischungen jetzt endgültig das Aus durch Backautomaten an jeder Kreuzung bevorsteht, die jede/-r lohngedumpte Depp/-in on-demand bedienen kann, will u./o. auf Weisung einer Hartz-IV-Behörde: muss! — lol — das ist also das neue teutsche Niveau, auf dem affektiv gebrabbelt wird, wenn es um das Thema (fremdbestimmte, Lohn-) 'Arbeit' geht?!

    Poor christian occident.

     

     

    @ Thomas Sch.;

     

    Aber Ihr Sch.**ß-Maul würden Sie schon noch "rühren", um (zu versuchen,) jemanden zu "zwingen", Sie "zu bedienen oder so" — WA !?!!

  • T
    Towanda

    Jemand, der die moderne Arbeitskultur kritisiert, aber gleichzeitig Menschen als Parasiten bezeichnet, hat wohl etwas Entscheidenes nicht verstanden.

  • I
    ion

    @ Marius Brauer;

     

    Nun lassen Sie doch dem Franz sein 'ss' im Nachnamen – sowas wirft auch kein vertrauenswürdiges Licht auf Ihre 'Erkenntnis', die Sie einem Bettelmönch zuschreiben.

    Und: Brot "entsteht" nicht, sondern wächst an Bäumen: den 'Brotbäumen'!

    Wie auch immer, könnte es sein, dass Sie nicht recht verstanden haben, worum es Tom geht?

    Jedenfalls dürfte "die Arbeit der anderen" heutigentags überwiegend zur Zerstörung diese Planeten beitragen (– aber 'Geld' kann man ja auch essen, oder nicht?).

    Schönen Tag noch.

    (15.04.2012 00:35)

  • M
    molto

    uch die Ärzte, Busfahrer etc. Darum geht es nicht. Lohnarbeit ist Sklaverei, nicht für alle, aber für sehr viele. In Haching lebt es sich wohl vergleichsweise bescheiden.

  • TS
    Thomas Sch.

    14042012Was für ein grenzenloser Dussel. Hören Sie zu: Wenn Sie jedem Bürger ab 1. Mai 2012 ein bedingungsloses Grundeinkommen von -na, sagen wir mal 1500 Euro- überweisen, was glauben Sie, wer da noch früh aufsteht und Ihre Brötchen backt. Glauben Sie im Ernst, der Kioskbesitzer macht seinen Laden um sechs Uhr in der Früh für Sie auf, weil er das so gern macht ? Glauben Sie, der U-Bahn-Fahrer kommt zum Dienst, wenn er ausschlafen kann und nicht arbeiten muß; voraussetzungslos ? Lieber Tom Hodgkinson, Sie sind echt ein -sorry- hirnloser Vollpfosten. Ihr Schmarotzertum funktioniert nur, solange andere noch für Sie arbeiten. Vermutlich aus Mitleid. Ich kündige hier hiermit an, falls Sie mir im Leben mal über den Weg laufen sollten, nicht einen Finger für Sie zu rühren. Vielleicht zwinge ich Sie, mich zu bedienen oder so.

  • M
    Mirko

    Ich möchte mich kunstname anschließen. Im Artikel wirken die Aussagen recht inkonsistent, wie wenig schlüssige, oberflächliche und plakative Phrasen.

     

    Hodgksinon propagiert außerdem die Existenzgründung - jeder halbwegs erfolgreiche Unternehmer (d.h. Produkt/Dienstleistung erfreut sich einer gewissen Nachfrage) braucht auch irgendwann Angestellte (z.B. Spezialisten oder einfach zum Skalieren) - wie passt z.B. das dann mit Hodgkinsons "Philosophie" zusammen?

     

    Lennon war "faul", aber "produktiv" - wie der Wortlaut von "faul" im vermutlich englischen Original lautete, ist fraglich, aber zumindest mit "produktiv" ist wohl das Erschaffen von etwas (von gewisser Quali- und Quantität) gemeint. Soll das also heißen, produktiv sein/etwas erschaffen (Wertschöpfung) ist ok, solange man dafür keinen Finger krumm macht? Dann kann ich das Existenzgründungsargument verstehen. Chef sein und andere für sich ackern lassen wäre also für H. z.B. in Ordnung?

     

    Aus dem Artikel geht auch hervor, dass die von H. postulierten Lebensweisen realitätsfern/nicht praktikabel sind/nicht funktionieren (Bsp. Wecker, Fliegen) und "schrecklich" seien (Leben auf dem Land). Unter dem Strich könnte man also sagen, H., ein gescheiterter und desillusionierter Möchtegernrevolutionär, vertritt mit seiner Meinung einen Absolutheitsanspruch (m.E.) und hat dabei nicht mal eine klare Linie oder sinnvolle Antworten zu bieten.

     

    Seine glücklichsten Momente: "Sex, trinken, schreiben, reden." Ein ganz simpel strukturierter Ottonormalmensch also. Nicht, dass das was schlechtes wäre, aber für mich hatte der Artikel so gesehen keinen Mehrwert. Wenn der Typ wirklich was Denkwürdiges zu sagen hat, so hat es das leider nicht in den Artikel geschafft.

  • H
    HeinerSelassi

    Mister Hodgkinson spricht mir aus der Seele. Die protestantische Ethik hat die meisten Menschen zu Lohnsklaven gemacht. Das passte sehr gut zur Industriealisierung. Sowie man in diesem Hamsterrad steckt ist die Kreativität futsch. Die Prädestinationslehre von Calvin treibt die Perversion auf die Spitze. Wer reich ist, wurde von Gott prädestiniert (ausgesucht), um in den "Himmel" zu kommen. Das Bekloppte daran ist das Verbot, diesen Reichtum zu genießen in Form von diversen Vergnügungen. Man soll das Kapital investieren, um noch reicher zu werden.

    Der Lohnsklave hat den Müßiggang verlernt. Er weiß nicht einmal, wie das funktioniert. Statt einmal etwas Wertfreies passieren zu lassen, packt er seine knappe Freizeit mit "Hobbys" voll und nennt es dann "Freizeitstress". Meist kostet dieses Vergnügen etwas. Deshalb muss er wieder ins Hamsterrad, um sein Hobby zu finanzieren. Nein, das kann nicht der Weg sein. Ich für meinen Teil habe alle kreativen, kulturellen Leistungen nur mit Selbstbestimmung erreicht. Weil ich es wollte. Lohnarbeit tötet durch ihren Zwang den inneren Kern des Selbst ab.

  • F
    Fragesteller

    Das Interview ist wirklich erfrischend anders. Eines sollte man aber nicht vergessen. Viele Kulturen welche diese "Nichtarbeit" praktizierten, hielten sich Sklaven. Einer muss nämlich immer arbeiten ;) Aber da könnte man ja fast reininterpretieren, dass die heutigen Angestellten im Grunde die Sklaven der Sozialhilfeempfänger sind...

  • D
    Durutti

    Genau.

    und der liebe Tom muss sicherlich niemals zum Arzt, kauft nie Brötchen und... wie war das mit dem Fliegen?

     

    Spaß beiseite. Es geht ja offenkundig nicht um "garnicht" arbeiten... schließlich lebt der Gute von was, und berichtet ja auch von eigener Arbeit, von Flugreisen, von Kindern die ernährt und gehätschelt werden wollen.

    Es läuft doch wiedermal auf die selbe alte Krux der Anarchie hinaus:

    das würde unter Umständen schon klappen. besonders dann, wenn es alle so machen würden.

    Aber bis dahin muss halt jemand den Arzt, die Feuerwehr und die polizei bezahlen, die bekommen nämlich ihre Semmeln auch nicht vom Bäcker geschenkt.

     

    Anarchie ist schön und gut. Und wenig arbeiten auch.

    Aber manche arbeiten sogar gerne!?

    das wäre doch was... wenn man einfach das machen könnte was einem Spaß macht...

     

    ...übrigens: in der Antike und in der HighSociety funktioniert das so gut, weil andere (Sklaven!) den Dreck wegputzen, den man beim Feiern und Faulenzen hinterlässt...

  • MB
    Marius Brauer

    Vielleicht kann man ja mal zwischen heutiger Leistungsgesellschaft und früheren Arbeitskulturen unterscheiden. Wenn man schon so schön die Arbeitsmoral aus der Antike oder aus dem Mittelalter selektiv zitiert, dann sollte man wenigstens nicht Franziskus von Asisi übergehen, der sehr wohl erkannt hat, dass sein Bettelmönchdasein nicht ohne die Arbeit der anderen möglich wäre. Ganz zu schweigen übrigens von der Arbeitsmoral der Benediktiner, oder wahrscheinlich auch von der großen Masse Bauern auf dem Land...

     

    Brot entsteht nicht ohne regelmäßge Arbeit, und auch Müßiggänger wollen essen. Auch vor Calvin. Müßiggang ist also nur was für wenige...

    Ok, das Interview liest sich nicht wirklich ernsthaft, aber man trifft ja häufiger auf derartige Positionen (siehe Gallier)...

  • B
    brikan

    ein zwei nette spinner können wir uns leisten ,-))

  • G
    Gallier

    Ein sehr schöner Artikel, und so erfrischend.

     

    Das Problem ist die Gesellschaft. Zwar galt schon in der Antike das Prinzip der Nichtarbeit für Nichtsklaven - in Griechenland galt Arbeit als unschicklich - aber die Gesellschaft sanktioniert dies heute auf irgendeine Art und Weise. Finden Sie mal eine Frau, die einen Müßiggänger akzeptiert; sie will, daß der Mann anschafft, ein Häuschen für sie baut etc. Unsere Leistungsgesellschaft hält ziemlich viele Fallen parat, damit Fluchtwege für den Ausbruch in den Müßiggang versperrt bleiben.

  • A
    Andy

    Ein "Müßiggänger von Beruf" sollte eigentlich mehr Zeit haben, um sich über eine vergleichsweise junge politische Bewegung zu informieren.

     

    Entweder hat er sich der Mann auf seiner Gemüsefarm ordentlich einen weggekokst, oder er geht den Massenmedien auch außerhalb der Großstadt voll auf den Leim - gerade bei einem Briten sollte mich das wirklich nicht überraschen ...

     

    Da er Webdesigner als "hochbezahlte Nerds" einstuft und Piraten pauschal als pseudolibertäre Parasiten verunglimpft, weil er in seiner eigenen, denkbar außergewöhnlichen Welt weder Mißstände noch Korrekturbedarf im aktuellen Vergütungs- und Rechtssystem für immaterielle Güter sieht, ist mir auch schon wieder die Lust vergangen, mich weiter über seine Idle Acadamy zu informieren, trotz einiger durchaus interessanter oder zumindest zum Nachdenken anregender Gedankenfetzen.

     

    Kundenbeschimpfung ist schlechte Aquise - das gilt auch für Berufsfaulenzer. Schade.

  • K
    kunstname

    Hodgkinson wirft munter alles in einen Topf - Der Stoiker, der Christ, der Mittelaltermann - und von allen können wir etwas lernen, nämlich eine bessere Lebenseinstellung. Vielleicht noch etwas Epikur, Sartre, Sextus Empiricus?

    Der Stoiker kann das Leben ertragen, weil er ihm keinen Wert lässt. Der Christ sieht im Leben die Prüfstufe zum Nachleben. Der Mittelaltermann hat den arbeitenden Mann ausschließlich deshalb verachtet, weil er arm war. Die Ideologie des Mittelalters hat Sühne und Leiden gefordert, um ein passables Nachleben zu ermöglichen. Ich kann nichts über sein Buch sagen (weil ich es nicht lese), aber hier präsentiert Tom Hodgkinson sich als reichlich widersprüchlich.

    Dabei wäre über Arbeit unendlich viel zu sagen - an dieser Stelle einen Verweis auf beispielsweise Hannah Arendt und F. G. Jünger.

  • AH
    Aus Haching

    Ob der Herr es auch lustig fände, wenn Ärzte, Busfahrer und Bauern ihre Arbeit einstellen würden?

    Und ist der Herr auch damit einverstanden, im Alter in Armut zu leben oder erwartet er dann die Solidarität der früheren Sklaven?

  • I
    Ichschmeißmichweg

    Vielen Dank für den schönen Beitrag.

     

    Mein persönliches Rezept: Ich habe vor ewigen Jahren den Absprung in den Öffentlichen Dienst geschafft. Ganz bewußt auf Geld verzichtet, aber einen sicheren Arbeitsplatz ergattert: Unbefristeter Vertrag und inzwischen unkündbar. Bedeutet: Wenn ich Bock habe, arbeite ich, wenn ich keinen Bock habe, bin ich krank und das Geld kommt trotzdem. Gearbeitet wird nach Gewissen, also ordentlich. Aber wehe ein Vorgesetzter nervt, dann gibt es Dienst nach Vorschrift oder Migräne. Wenn ich in fortgeschrittenem Alter nicht mehr alles kapiere, wirft mich keiner raus, sondern schlägt mir vielleicht eine Vorruhestandslösung vor. Diesen Job zu nehmen (der nebenbei auch noch Spaß macht!) war die beste Entscheidung meines Lebens.

     

    Lieblingsspruch: Lesen statt Putzen!

     

    Der Film zum Thema: Ferris macht blau. (Der mir bestätigt hat, was ich schon ab der Schulzeit richtig gemacht habe.)

  • O
    Orgi

    Es ist sehr ärgerlich, dass sogar in einem Interview wie diesem immer noch die Mär vom 'Piraten wollen alles umsonst haben' verbreitet wird.

    http://wiki.piratenpartei.de/Urheberrecht

    Es geht dabei nur darum, dass die Rechte bei den Kulturschaffenden liegen sollten, nicht bei Disney, Sony der Gema oder anderen Zwischeninstanzen, die den Schaffenden nur Brosamen ihrwer Arbeit übrig lassen.

    Dabei hatte ich beim Lesen anfangs den Verdacht, dass Herr Hodgkinson ein wacher, lesender, selbst denkender Kopf ist. Irtum. Er fällt auf die Propaganda der Verwerter hinein wie alle anderen auch. Von den Piratenbashern bei der taz will ich gar nicht reden.

    Ärgerlich, ärgerlich, ärgerlich.

  • K
    Kopfschütteln

    "Lassen Sie uns über die Piraten sprechen. Was halten Sie davon, im Netz solle alles umsonst sein?"

     

    Wer hat denn da wieder vom Handelsblatt abgeschrieben?

    Mittlerweile muss doch klar sein, dass es um eine Reformation der Urheberrechte geht und nicht um deren Abschaffung.

  • M
    Markus

    "Bettler waren heilig, keine Parasiten." Ja, sicher. Und Florenz 1350 als Beispiel fürs Mittelalter. Klare Sache.

     

    Selten zuvor habe ich hier einen Text gelesen, der in einem solchen Ausmaß Wunschdenken, naive Vorstellungen, schlecht recherchierte Informationen und Wischiwaschi-Aussagen über Gott und die Welt kombiniert.

     

    Enttäuschend.

  • B
    berndolius

    Die Piraten hätten "hochbezahlte Jobs als Webdesigner" wahaaaaaaahaaa *schenkelklopf* der war gut.

  • RE
    Rudolf Eglhofer

    Na, dann wartet mal mit einem Blinddarmdurchbruch auf einen Notarzt der gerade keine Lust zum arbeiten hat.

    Oder Eure Hütte brennt und den Feuerwehrleuten ist gerade nicht nach Löschen zumute.

    Oder Ihr wollt einfach nur Brötchen beim Bäcker kaufen und der wollte einfach nicht backen.

    Die Subsistenzwirtschaft ist mittelalterliche Geschichte.

    Jeder ist auf Waren und Dienstleistungen der Gemeinschaft angewiesen und hat im Gegenzug die Pflicht, seine Kraft der Gemeinschaft zur Verfügung zu stellen.

    Das Geschwafel vom "Aussteigen" um dann munter Sozialleistungen und andere Angebote der Gemeinschaft zu beziehen oder zu nutzen ist doch nur hübsch verpackter asozialer Hedonsimus.

  • M
    MomoElektra

    "Frauen können mal so eben vier, fünf Jahre ohne Sex auskommen. Wir nicht. Und dann schauen wir uns um. Mit schlechtem Gewissen. "

     

    Eine dumme Generalisierung, um die eigene Untreue zu rationalisieren, zu rechtfertigen.