Prozess um den Feuertod Oury Jallohs: Die Sache mit dem Feuer
Erst wollte es kein weiteres Brandgutachten, nun will das Gericht im Prozess um den Feuertod Oury Jallohs doch noch einen Experten hören. Allerdings nur „informell“.
BERLIN taz | Im Prozess um den Tod des Asylbewerbers Oury Jalloh will das Magdeburger Landgericht nun doch einen weiteren Brandexperten anhören. Das bestätigte ein Gerichtssprecher am Mittwoch. Demnach soll am 27. März vor Gericht ein bislang noch nicht gehörter Sachverständiger zunächst danach befragt werden, ob ein neues Brandgutachten überhaupt noch neue Aufschlüsse zu dem Feuer liefern könnte, durch das Jalloh 2007 unter bis heute ungeklärten Umständen in einer Dessauer Polizeizelle ums Leben gekommen war.
Vor dem Gericht wird derzeit verhandelt, welche Schuld den damaligen Dienstgruppenleiter Andreas S. trifft, der als zuständiger Beamter auf der Polizeiwache mehrmals das Alarmsignal des Brandmelders aus Jallohs Zelle ignoriert haben soll. Während des Feuers war Jalloh in der Polizeizelle an ein Bett gefesselt. Die Staatsanwaltschaft und das Gericht gehen davon aus, dass sich Jalloh trotz seiner Fesseln selbst anzündete. Ein erstes Brandgutachten hatte ergeben, dass diese Möglichkeit denkbar sei.
Die Familie Jallohs und Freunde aus seinem Umfeld glauben dagegen, dass Jalloh von Polizisten ermordet worden sein könnte und halten das vorliegende Gutachten für nicht ausreichend: Das Gutachten, so deren Anwälte, habe lediglich die Selbstmordthese geprüft und unbeachtet gelassen, welche anderen Ursachen der Zellenbrand noch gehabt haben könnte. Sie beantragten daher, ein neues Gutachten erstellen zu lassen. Dies hatte das Gericht aber erst kürzlich abgelehnt – weil es sich keine Aufklärungskraft davon mehr versprach.
Nun soll also doch noch ein Sachverständiger angehört werden – allerdings „informell“ wie der Gerichtssprecher sagte. Das heißt: Es wird zunächst kein neues Brandgutachten geben, sondern nur eine mündliche Anhörung zu der Frage, ob ein neues Gutachten noch neue Erkenntnisse versprechen könnte.
Dass dies eine Wende im Prozess darstellt, darf jedoch bezweifelt werden. Zuletzt hatte die vorsitzende Richterin vorgeschlagen, den Prozess gegen eine Geldauflage einzustellen. Auch sind derzeit keine weiteren Zeugenvernehmungen geplant. Dementsprechend könnte das Gericht nach Anhörung des Brandsachverständigen Ende März ein zügiges Ende des Verfahrens beschließen und die Termine für die Plädoyers festlegen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Umweltfolgen des Kriegs in Gaza
Eine Toilettenspülung Wasser pro Tag und Person
Putins Atomdrohungen
Angst auf allen Seiten
BGH-Urteil gegen Querdenken-Richter
Richter hat sein Amt für Maskenverbot missbraucht
Streit in der SPD über Kanzlerkandidatur
Die Verunsicherung
+++ Nachrichten im Ukraine-Krieg +++
Biden genehmigt Lieferung von Antipersonenminen
Hype um Boris Pistorius
Fragwürdige Beliebtheit