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Motorschäden in der Megamaschine

FORTSCHRITTSMYTHEN Der Journalist Fabian Scheidler sucht die Anfänge der Zerstörungskräfte, die unsere Gegenwart prägen

Die Geschichte der Menschheit auf 271 Seiten beschreiben zu wollen, erscheint verwegen. Doch Fabian Scheidler konzentriert sich in seinem Buch „Das Ende der Megamaschine. Geschichte einer scheiternden Zivilisation“ auf wenige, eng verzahnte Aspekte – und das macht sein Buch überaus lesenswert.

Überzeugend zeichnet er nach, wie unser Gesellschaftssystem weltweit dominierend wurde. Da ist zum einen die Metallgewinnung, die im 4. Jahrtausend vor unserer Zeitrechnung das Ende relativ egalitärer Gesellschaften einleitete. Metalle hatten immer eine zentrale Grundlage fürs Militär – und das nicht nur, weil daraus Waffen hergestellt wurden, sondern vor allem auch Münzen.

Sie ermöglichten eine immense Vergrößerung der Heere, da die Soldaten beim Feldzug nun nicht mehr allein von den Bauern der unmittelbaren Umgebung versorgt werden mussten, sondern Lebensmittellieferungen von weither kommen konnten. So entwickelten sich immer weitreichendere Marktbeziehungen, zugleich wurde die Eintreibung von Steuern einfacher.

Politische und wirtschaftliche Macht durchdringen sich untrennbar gegenseitig. Die Eroberung Amerikas mit Millionen von Toten ist dafür ebenso ein Beispiel wie die Fugger, Wallensteins Privatarmee im Dreißigjährigen Krieg oder die Kriege um Öl. Die Rechtfertigung für die damit einhergehenden Massaker waren stets zivilisatorische „Missionen“ – zunächst im Namen des Christentums, später der Vernunft. Heute heißt der Glaubenssatz, dass Demokratie und Marktwirtschaft untrennbar zusammengehören und zum Wohle der Menschheit verbreitet werden müssten.

Kundig und zugleich zugespitzt beschreibt der Autor die Entwicklungen, die sich durch vielfältige Rückkopplungsschleifen immer weiter verstärkten, und bezieht dabei auch Technik, Wissenschaft, Naturvorstellungen und Produktionsweisen mit ein. Durch eine klare Gliederung gelingt es ihm, Erkenntnisschneisen durch die vielfältigen und sich ständig gegenseitig durchdringenden Bereiche zu schlagen.

Immer wieder gab es Versuche, kooperative Gesellschaftsstrukturen gegen die herrschenden Mächte aufzubauen – angefangen bei den urchristlichen Gemeinden über die Pariser Kommune bis hin zur gegenwärtigen Commons-Bewegung. Und nichts ist so bedrohlich für die „Megamaschine“ wie gelingende Selbstorganisation, ist der Autor überzeugt. Gandhis „aktive Nicht-Kooperation“ war ein Ausdruck von Stärke: Großbritannien musste sich 1947 aus Indien zurückziehen. Dagegen wollten Kapitalismus und Sozialismus die Megamaschine stets verbessern.

Während die Angst vorm Islamismus in den auseinanderdriftenden Gesellschaften des Westens ein neues Wir-Gefühl erzeugt, prognostiziert Scheidler zugleich das Ende der Megamaschine, weil sie aus ökonomischen und ökologischen Gründen immer instabiler wird. Das kann zu Rechtsradikalismus und Krieg führen. Doch zum ersten Mal seit 500 Jahren gibt es auch einen „Möglichkeitsraum“ für vielfältige Selbstorganisationsformen und den Abschied vom universalistischen Denken, so Scheidler. Die durch seine Analyse zu stärken, ist sein Ziel.

ANNETTE JENSEN

Fabian Scheidler: „Das Ende der Megamaschine. Geschichte einer scheiternden Zivilisation“. Promedia Verlag, Wien 2015, 271 Seiten, 19,90 Euro

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