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Filesharing als GlaubensgemeinschaftGeheiligte Informationsfreiheit

In Schweden wird Filesharing als Religion anerkannt und ist damit verfassungsrechtlich geschützt. Die Mission lautet: Freier Zugang zu Wissen und Kultur.

Gottesdienste feiern die Kopimisten ganz easy ... im Internet. Bild: imago/Schöning

STOCKHOLM taz | "Kopiere und teile. Von einem zu allen, von allen zum einen. Austausch ohne Anfang und ohne Ende. Alles zu jedermanns Freude und jedermanns Freude an allem." Das klingt religiös und ist es auch: In Schweden ist der Kopimismus vom Staat als Glaubensgemeinschaft anerkannt worden - und fällt damit nun unter die verfassungsrechtlich geschützte Religionsfreiheit.

Die Information ist ihr heilig, der Code ist das Gesetz, und Kopieren und Filesharing sind Sakrament der Kopimistischen Missionskirche (Det Missionerande Kopimistsamfundet). So wie die Bibel durch die Druckpresse zugänglich wurde und der Reformation den Weg bahnte, will der Kopimismus allen Menschen gleichen Zugang zu Wissen und Kultur eröffnen und versuchen, "de Widersacher" - also all jene, die nach dem Verständnis der Kopimisten Informationen begrenzen und das Internet zerstören wollen - zu missionieren.

Ein Jahr hat es gedauert und dreimal musste der Antrag nachgebessert werden, bevor die zuständige Behörde, das Stockholmer Kammarkollegiet, die Registrierung akzeptierte. Gustav Nipe, Aufsichtsratsvorsitzender der Glaubensgemeinschaft und gleichzeitig Vorsitzender des Jugendverbands der schwedischen Piratenpartei, macht einen "in der öffentlichen Verwaltung stark verbreiteten Copyright-Extremismus" für diese Schwierigkeiten verantwortlich.

Ein Knackpunkt: Das schwedische Gesetz verhält sich zwar neutral zum Inhalt des jeweiligen Glaubens, allerdings fordert es das regelmäßige Abhalten von "Gottesdiensten". Das löste man dadurch, dass die "Interaktionstreffen" der KopimistInnen sowohl in einem "geweihten" Lokal als auch im Internet stattfinden können.

Juristisch möglicherweise recht kompliziert könne es werden, wenn demnächst in einem Gerichtssaal das Urheberrecht und die Religionsfreiheit aufeinandertreffen, meint Anna Troberg, Vorsitzende der schwedischen Piratenpartei. Als "Freiheit, allein oder zusammen mit anderen seine Religion ausüben zu können", definiert die schwedische Verfassung Religionsfreiheit.

Als Kopimisten können sich laut Statut des Missionerande Kopimistsamfundet grundsätzlich alle ansehen, die sich im kopimistischen Glauben wiedererkennen. Per Onlineantrag auf der Homepage der KopimistInnen kann man dann auch formal Mitglied der Glaubensgemeinschaft werden.

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8 Kommentare

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  • MM
    Müllers Meinung

    Noch ein Nachsatz, auch zu Johnny:

     

    Der kulturelle Verfall hat doch in der Musik schon längst begonnen, parallel zur gewonnen Vielfalt(ja, es gibt auch sie im modernen Zeitalter die Kopiisten):

     

    Mein Beispiel, und ihr dürft gerne spotten:

     

    mp3 128 kbit wäre vor 15 Jahren niemandem in die Ohren gekommen. Einfach zu schlecht. Es findet eine Verarmung des guten hörens statt. Denn wer den ipod klanglich gut findet, hat noch nie guten Sound gehört. Und der kostet eben. Aber macht nix: man bezahlt heute doch nicht für guten Sound, sonder lieber 150 bis 500 Euro für ipod hippness und Anerkennung im Rudel.

     

    Dass man philosophisch einen freie Welt des Wissens erdenken und real werden lassen will, seh ich gerne aber nicht kopflos und auf Kosten meines Brotes.

  • MM
    Müllers Meinung

    ein beispiel:

     

    viele finden eine musik toll. niemand bezahlt, dank freier datenzugänge ohne preis.

     

    davon abgesehen, dass man material und zeit braucht, skripte und kompositionen und dergleichen herstellen muss:

     

    wie soll ein musiker (inklusive rattenschwanz hoch motivierter tonkünstler), zeichner, schriftsteller oder was auch immer in daten verbreitet werden kann, überleben:

     

    ein rechenbeispiel: ein tonstudio mit hochwertiger ausrüstung für gute aufnahmen kostet zwischen 80 000 und 2 000 000 Euro... mit allem pipapo: Maschinen Räume Mikrofone... Stative, Notenpulte Instrumente etc...

     

    daraus folgt: wer eine produktion machen will, muss bezahlen. Exemplarische Schätzung:

    Tagesgage am Rande der existenz 200 - großzügige >600 Euro auf Rechnung (also BRUTTO ohne sämtliche ach so oft diskutierten Abzüge).

    Studiomiete zwischen inflation 150 und >500 Euro ebenfalls Brutto.

     

    Einen Song mit grösserer Instrumentierung aufzunehmen nimmt mit hoher Wahrscheinlichkeit zwischen 1 (lowest budget) und (big budget)10 Tagen (exemplarisch) in Anspruch:

     

    Also: ein Song kostet, nur als Aufnahme ohne Mischung zwischen 350 und 11000 (hi end geht auch noch teurer)

    Euro.

     

    Und alle finden das so super, wenns den Kram um sonst gibt. Mal ganz davon abgesehen, dass Masterlabels die Künstler mit max 1 Euro von 15 pro Album abstempeln, frage ich mich, wie weiterhin noch hochwertige Musik produziert werden soll , geschweige denn jemand überleben will. Für keinen Euro gibts nur an der Tafel was zu essen. Nur nebenbei: das Studium, inklusive viele Jobs ohne bezahlt zu werden, hat mich (ohne Hotel und Bank Mama) aus eigener Kraft >30 000 Euro, inklusive Lebenshaltung, gekostet.

     

    Ich glaube den meisten fehlt der Blick auf das Ganze. Wer an Madonna und Co denkt, denkt an der Realität in der Kunst vorbei...

     

    Seit ich studiert habe und wieder Geld verdiene, wird Geld für Musik bezahlt. Das geht in meinem Fall so weit, dass ich mir kopiertes wieder kaufe.

     

    Ich weiß, was man mit freiem Wissen meinen will, aber das handeln der meisten Beführworter führt(e) zu einem Verfall der Anerkennung einer künstlerischen Leistung. Viele arbeiten heute für umme, damit sie wenigstens noch Kunst machen können. Wer alles für umme will, läuft Gefahr, dass er ggf in ferner oder naher Zukunft nix mehr hat, was er kopieren kann.

     

    wers nicht so sieht:

    solange wir Geld als Tauschmedium für eine Leistung benutzen, muss auch die Kunst bezahlt werden. wers anders sieht soll mir bitte ohne Madonna-Argumente erklären, wie "freier Zugang" funktionieren kann. Das würde bedeuten, dass alle Menschen nur selbstlos und gütig jede Leistung erbringen, die es gibt. So weit sind die Menschen dieser Zeit aber ganz bestimmt noch nicht.

     

    Schön, dass es so viele gibt, die es supercool finden, umsonst Kunst zu konsumieren, aber schade, dass sie den Künstlern dabei das Brot aus dem Mund nehmen.

     

    Wenn Brot um sonst zu haben ist, die Orange mir in die Hand fliegt und ich das Land, in dem Milch und Honig fließt, gefunden habe, produziere ich für jeden, der will ein Album. Für umme. ;~]

  • D
    daweed

    die Nachricht des Tages.

     

    @jonny: Kulter besteht nicht aus Plastik oder Vinyl.

  • J
    jonny

    ganz schön kurzsichtig. wenn für kultur nichts mehr bezahlt wird, zerstört diese religion die kultur und damit sich selbst. schneller als es die katholiken schaffen!

  • R
    Rufus

    Frage:

    Gibt es von dieser Kirche auch schon Gemeinden in Deutschland?

  • R
    RedHead

    Gute Aktion!

  • S
    Steffi

    Sind Doppelmitgliedschaften mit der Pastafari-Religion möglich?

  • AB
    Arne Babenhauserheide

    Aye, da würde ich direkt beitreten!