piwik no script img

Erfolgsmodell Online-LokaljournalismusBlog mit Seeblick

Wie der Pionier "Heddesheimblog" verdient auch die "Tegernseer Stimme" Geld mit hyperlokalem Onlinejournalismus. Die Macher vermarkten nun ihr Know-how.

Bayrische Idylle: Der Tegernsee in der Novembersonne. Bild: screenshot/tegernseerstimme.de

Peter Posztos hat etwas geschafft, an dem viele Medienmacher verzweifeln: Er verdient Geld mit hyperlokalem Onlinejournalismus. Mit seinem seit April 2010 bestehenden Informationsangebot tegernseerstimme.de erwirtschaftet er nach eigenen Angaben etwa 10.000 Euro Umsatz pro Monat. "Die Zahlen sind zwar noch nicht stabil", sagt Posztos, "aber seit drei Monaten kann ich nicht nur meine Mitarbeiter bezahlen, sondern auch selbst von der Arbeit leben."

Für ein lokal begrenztes Angebot wie die "Tegernseer Stimme" ist das ein Erfolg: Die Webseite berichtet ausschließlich aus den fünf Gemeinden rund um den südlich von München gelegenen Tegernsee, rund 20.000 Menschen leben dort, etwa 1.500 Leser verzeichnet die "Tegernseer Stimme" täglich. "Die Zahlen steigen langsam, aber stetig", so Posztos. "Und die Reaktionen sind gut, die Leser schicken uns immer öfter auch Ideen für Themen zu." Mittlerweile sind in benachbarten Gemeinden drei Ableger des Angebots entstanden.

Gegründet hat Posztos die Webseite aus Unzufriedenheit mit der Tegernseer Zeitung, der einzigen Lokalzeitung der Region. "Anfangs war das nur ein Testlauf, ob so etwas bei uns funktionieren kann", so Posztos. "Aber dann hat sich das Ganze verselbstständigt." Aktuell tragen etwa zehn freie Mitarbeiter zu dem Angebot bei, je nach Auftragslage verdienen sie zwischen 300 und 1.000 Euro monatlich.

Einnahmen erzielt Posztos durch Werbung, die lokale Unternehmen auf der Webseite, der Facebook-Seite oder dem unregelmäßig erscheinenden Printmagazin der "Tegernseer Stimme" schalten. Bei seinen Werbepartnern muss Posztos derzeit noch viel Überzeugungsarbeit leisten. "Viele vertrauen immer noch eher einem Magazin als Werbeträger als einer Webseite", sagt er.

Umstrittenes Potenzial

Seit kurzem vermarktet der studierte Betriebswirt sein Konzept auch: Zusammen mit dem Journalisten Hardy Prothmann, der ebenfalls profitabel das Heddesheimblog und dessen Ableger in der Rhein-Neckar-Region betreibt, hat er vor wenigen Wochen die "istlokal Medienservice UG" gegründet. Künftig sollen Blogbetreiber gegen einen monatlichen Abopreis die Technik und deren Betreuung für ihr Lokalblog einkaufen können. Auch journalistische, wirtschaftliche und rechtliche Beratungsangebote sind geplant.

Den Vorwurf, die Unerfahrenheit neuer Betreiber finanziell auszunutzen, weisen die Geschäftspartner zurück. "Wer unser Produkt kauft, spart sich die Startschwierigkeiten, die wir hinter uns haben", sagt Hardy Prothmann. Das sieht auch Posztos so: "Wir haben viel experimentiert und Erfahrungen gesammelt, die übertragbar sind. Wir leisten da Entwicklungsarbeit."

Das Potenzial sublokaler Webseiten, die aus kleinsten geografischen Regionen berichten, ist umstritten: Etablierte Medien blicken skeptisch auf die lokale Konkurrenz, die Webseiten gelten oft als ambitionierte, aber unbedeutende Amateurprojekte ohne Aussicht auf journalistischen oder finanziellen Erfolg.

Fachleute sehen in den Angeboten hingegen die Chance zur Demokratisierung des Medienbetriebs und ein neues Betätigungsfeld für freie Journalisten. Auch Martin Welker, Journalistikprofessor an der Uni Leipzig, betont die Chancen: "Das ist ein ganz wichtiges Zukunftsfeld, das wir auf jeden Fall beobachten müssen. Leute wie Prothmann und Posztos sind da Vorreiter."

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

5 Kommentare

 / 
  • S
    Sven

    Die Idee und das Konzept sind sicherlich interessant. Ein wenig suspekt betrachte ich jedoch die Entstehung: istlokal.de ging ursprünglich eine bereits konkretisierte Vereinsinitiative voraus, die schon bereits nach einem halben Jahr wieder verworfen wurde.

     

    Hardy Prothmann betreibt seine Blogs profitabel? Woher wissen Sie das? Wie passt es dann, dass Prothmann vor nicht einmal 6 Wochen eine Spendeninitiative zur Bezahlung von Anwaltsgebühren einer Abmahnung initiieren musste (nach eigenen Aussagen _musste_), dessen Kostenrahmen deutlich unter 2.000 EUR lag?

  • DD
    Dennis Drögemüller

    @Ein Leser: Die Unzufriedenheit mit der Zeitung rührte grob zusammengefasst daher, dass Themen entweder gar nicht oder zu oberflächlich behandelt wurden, die vor Ort interessierten.

     

    Die wirtschaftliche Lage der Tegernseer Stimme kann ich mangels Zeit gerade nicht recherchieren; sie gehört zum Münchener Merkur und ist am Tegernsee offenbar Monopolist. Zur Zufriedenheit der Leser mit der Zeitung ist mir direkt nichts bekannt; der Zuspruch für die "Tegernseer Stimme" legt aber durchaus nahe, dass sie nicht jedes Informationsbedürfnis der Leser stillt.

     

    Beruflich war Herr Posztos vorher als studierter Betriebswirt an der Gründung zweier Shopping-Portale im Internet beteiligt. Eine journalistische Ausbildung hat er meines Wissens nicht; es gibt aber einen Austausch mit Hardy Prothmann.

     

    Die journalistische Qualität kann ich - erneut mangels Zeit - nur grob einordnen; das Angebot ist optisch und inhaltlich aber durchaus ansprechend. Ein Vollangebot ist es sicher nicht, monothematisch aber ebenso wenig.

     

    Konnte ich Ihnen ein wenig weiterhelfen?

  • EL
    Ein Leser

    Warum ist er unzufrieden mit der lokalen Zeitung dort?

    Wie geht es der Zeitung wirtschaftlich (sind die Leser auch unzufrieden)?

    Was hat der Mach der "Tegernseer Stimme" vorher gemacht, bzw. welche Ausbildung hat er? Ist es ein Amateurprojekt oder arbeitet hier ein erfahrener Journalist?

    Wie sieht kurz im Überblick die journalistische Qualität des Angebots aus? Erfüllt es die wichtigsten Kriterien, wie ist die Themenauswahl?

     

    Da bleiben doch einige Fragen offen bei diesem Artikel... :-)Hätte man vielleicht mehr Platz geben sollen...oder die Hintergrundinformationen zur neuen Gmbh weglassen.

  • LJ
    lokal journalismus

    Der 60-Euro-Reader könnte vielleicht auch etwas ändern.

     

    Lokalradios überleben nach gleichem Konzept schon seit 20 Jahren. Oder die 2 kostenlosen Käseblättchen die man 2 mal pro Woche im Briefkasten liegen hat.

    Nicht nur CocaCola, Amazon und Merkel machen Werbung.

    Durch Absenkung der Hürde macht Optiker Willi in Radio-Pusemuckel statt nur Apollo oder Fielmann bei Radio Berlin-Brandenburgweit Werbung.

  • BF
    Bloggers Friend

    Das kennen wir doch schon alles seit Jaaaahren von Seth Godin und vor allem Darren Rowse. Alter Hut. Aber naja, wir deutschen sind halt immer ein bissl später dran.