Vor Jubiläum der Occupy-Bewegung: US-Polizei räumt besetzte Plätze
Erst gab's Flugblätter, dann kam die Polizei: Die US-Behörden haben von der Occupy-Bewegung besetze Plätze geräumt. Die plant nun eine "friedlich-direkte Aktion".
WASHINGTON taz | Das Zeltlager im New Yorker Zuccotti-Park, Ursprungscamp der weltweiten Occupy-Wall-Street-Bewegung, ist geräumt. Um 1 Uhr nachts begann die Polizei damit, die Besetzer aufzufordern, den Park zu verlassen. Die meisten gingen freiwillig, lediglich eine Gruppe von rund hundert Protestierenden verschanzte sich in der Mitte des Platzes. Sie wurden einzeln weggeführt, 70 von ihnen wurden festgenommen.
Zuvor hatte die Polizei per Lautsprechern und Flugblättern mitgeteilt, die Protestierenden dürften wieder auf den Platz, wenn dieser einmal geräumt und wiederhergestellt sei - sie müssten allerdings ihre Zelte zu Hause lassen. Dagegen gingen Anwälte der Bewegung sofort vor: Noch am Dienstag früh erwirkten sie eine gerichtliche Anordnung, nach der das Campen auf dem Platz weiterhin gestattet sei. Die Stadt, kündigte Bürgermeister Michael Bloomberg an, werde gegen die Entscheidung Rechtsmittel einlegen.
Auch im kalifornischen Oakland und in Portland, Oregon, ließen die Behörden in den vergangenen Tagen Occupy-Camps räumen. In Portland hatten in der Nacht zu Sonntag 10.000 Menschen friedlich demonstriert und die Polizei vorübergehend zurückgedrängt.
Vor der Räumung waren die Occupy-AktivistInnen in New York damit beschäftigt, ein Wirtschaftsprogramm zu entwerfen, das die Marktwirtschaft zwar nicht umstürzen, aber radikal reformieren soll. Unter anderem sind eine kostenlose Ausbildung sowie Kranken- und Rentenversicherungen für alle und die Besteuerung spekulativer Gewinne, die Abschaffung der Armee und das Verbot des Waffentragens im Gespräch.
Unter dem Motto "Occupy the Highway" zieht gleichzeitig eine Karawane gegen Haushaltskürzungen in Richtung US-Hauptstadt. An den Eliteuniversitäten Berkeley und Harvard haben Studenten mit Protesten begonnen. Und in den Vorgärten zahlreicher Städte sprießen Miniatur-Zeltstädte aus dem Boden.
"Occupy with Aloha"
Die Vorgarten-Besetzungen sollen Hauseigentümer vor der Zwangsräumung durch den Sheriff schützen. Zur Diversifizierung der Bewegung gehört auch das Konzert, das Makana am Sonntag beim Asien-Pazifik-Gipfel in Hawaii gegeben hat. Der Musiker spielte Barack Obama und den anderen Staatschefs zum Abendessen Besetzer-Songs vor. Auf seinem T-Shirt stand: "Occupy with Aloha".
Die Polizei begründet die Räumungen mit der sanitären Lage und der steigenden Kriminalität auf besetzen Plätzen. In den vergangenen Tagen hatte es mehrere dramatische Todesfälle gegeben. In Burlington in Vermont hat Ende vergangener Woche ein 35-jähriger Kriegsveteran Selbstmord verübt.
In Salt Lake City, Utah, ist ein Besetzer an einer Kohlenmonoxidvergiftung gestorben. In Oakland ist ein 25-jähriger Mann mehrere Straßen von dem besetzten Platz entfernt erschossen worden. Der Tathergang ist unklar und es ist umstritten, ob er ein Besetzer war. Aber sowohl die Polizei, als auch Oaklands Bürgermeisterin Jean Quan verlangten seither die Räumung des besetzten Platzes.
Quan hatte Sympathie für die Besetzung gezeigt und war dafür von Geschäftsleuten kritisiert worden. Nach der Räumung vom Montagmorgen trat ein Mitarbeiter der Bürgermeisterin aus Protest zurück. In Portland feierten die Demonstranten ihren friedlichen Widerstand von der Vornacht. Allerdings räumte die Polizei, die in der Vornacht verdrängt worden war, am Montag dennoch die Zelte. "Occupy Portland geht weiter", versicherten Besetzer am Montagabend. "die Welt schaut zu."
An dem Tag, an dem die Polizei morgens die Zelte in Oakland abriss und nach Angaben des San Francisco Chronicle 32 Menschen festnahm, meldete sich erstmals wieder Scott Olsen zu Wort. Der 24-jährige Irakkriegsveteran war Ende Oktober nach der ersten Platzräumung von einem Polizeigeschoss schwer am Schädel verletzt worden. Er hat einen langen Weg der Rehabilitationen vor sich. Aber er versichert, dass er anschließend wieder auf die Straße gehen werde.
Jubiläum wird ein normaler Arbeitstag
In der Universität von Berkeley in Kalifornien bereiten Studenten einen neuen Aktionstag gegen Studiengebühren an diesem Dienstag vor. In der vergangenen Woche ist ihr Versuch, den Campus zu besetzen, gescheitert. In Harvard, am Rand von Boston haben Studenten erst am 9. November Zelte zu Füßen der John-Harvard-Statue aufgestellt.
Am Donnerstag wollen die Besetzer in New York die ersten zwei Monate ihrer Besetzung feiern. Ihr Tagesziel für das Jubiläum ist ambitioniert: Sie wollen die Finanzaktivitäten in der Wall Street mit "friedlicher direkter Aktion" blockieren. New Yorks Bürgermeister Michael Bloomberg, selbst ein ehemaliger Aktienhändler, versichert, das werde nicht passieren. "Die Leute können am Donnerstag zur Arbeit gehen", sagt Bloomberg.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nach dem Anschlag in Magdeburg
Rechtsextreme instrumentalisieren Gedenken
Anschlag in Magdeburg
„Eine Schockstarre, die bis jetzt anhält“
Bundestagswahl am 23. Februar
An der Wählerschaft vorbei
Erderwärmung und Donald Trump
Kipppunkt für unseren Klimaschutz
EU-Gipfel zur Ukraine-Frage
Am Horizont droht Trump – und die EU ist leider planlos
Wirbel um KI von Apple
BBC kritisiert „Apple Intelligence“