Kolumne Die Kriegsreporterin: Wo ist beim Regenwurm vorn?
Die "Zeit" plant eine Schultournee, bei der dummen Lehrern unter die Arme gegriffen wird. Da freut sich doch ein jeder von diesen faulen Säcken.
H allo taz-Medienredaktion! Alle wollen Frauen gefallen. Sogar die Bild. Die hat "Leserbeirätinnen" Empfehlungen formulieren lassen, wie die Bild für Leserinnen "attraktiver" werden könnte. Die Worte der 32 Weisen hätte der Presserat nicht besser finden können: weibliche Verbrechensopfer pietätvoll abbilden, Sprache von Häme und Missgunst befreien, bei erotischen Themen feinfühliger formulieren, weniger brutale Fotos auf Seite 1. Und, das freut das Feministinnenherz, das Seite-1-Girl abschaffen und mit der Verniedlichung von Frauen und Bezeichnungen wie "schöne" Ehefrau aufhören. Und! "Mehr Kolumnen drucken, die gute Laune machen!" Tja, Springer, für 1.500 Euro bin ich dabei. Pro Ausgabe.
Hört ihr das auch? Dieses Geheule, das die Meldung begeleitet, die Chefredakteure Kister, di Lorenzo und Herausgeber Schirrmacher würden womöglich die Jury des Henri-Nannen-Preises verlassen? Immerhin ist in den Kreisen der Elite noch jeder abgeschlagene Arm nachgewachsen und die Herren sind lang genug dabei, als dass sie das ruhmbringende Feld jemand Jüngerem mit Migrationshintergrund, nur einem Bein und einer Großmutter im bolivianischen Widerstand überlassen könnten. Weiblich natürlich. Dann landen die Auszeichnungen vielleicht auch nicht immer bei den Schreibern der Häuser, für die die Herren stehen.
Um Herrn Schirrmacher ist es eh nicht schade, schließlich druckte, taz-Recherchen zufolge, seine Zeitung einen Text ab, den sie von einer Lobbyagentur bekommen hat. Als "Gastbeitrag" erschien in der FAZ Arnulf Barings Rede, die er zuvor - gegen Bezahlung - auf einer Veranstaltung der Atomlobby gehalten hatte. Die Inhalte hatte die Agentur praktischerweise in Teilen geliefert. So ein Vorgehen ist nicht das, was man unter unabhängigem Journalismus versteht. Und was ein Jurymitglied des Nannen-Preises einlösen sollte. Immerhin die Absicht, ein "verändertes Meinungsklima zur Kernenergie" zu etablieren, wurde eingelöst. Auch dem Satz: "Wer Realitäten nicht rechtzeitig erkennt, riskiert Desaster. Noch können wir energiepolitisch umsteuern", ist sogar die Kanzlerin gefolgt.
"Klöten kneten"
berichtet wöchentlich von der Medienfront. Feldpost? Mail an kriegsreporterin@taz.de.
Aber auch über Die Zeit muss ich mich wundern, die unvermutete Kompetenz offenbart. Für 2012 ist eine "Schultournee" geplant, bei der dummen Lehrern unter die Arme gegriffen wird. Die Ideenfüchse der Zeit stellen es sich so vor: "Von der Grundschule, die sich den Besuch einer KinderZEIT-Redakteurin wünscht, über den Biologielehrer, der einen Wissenschaftsredakteur einlädt, seinen Leistungskurs an einem Tag mitzugestalten." Da freut sich doch ein jeder von diesen faulen Säcken, wenn endlich mal einer kommt, der ihm den Unterricht schmeißt. Ist ja schon schwer genug, mit sonem Deppenstudium jeden Tag vor der Klasse zu stehen und so zu tun, als wüsste man, wo beim Regenwurm vorn ist. All die Schulen, die ihren Lehrauftrag allein nicht mehr bewerkstelligen oder die einfach eines richtigen, echten Zeit-Menschen ansichtig werden wollen, können sich "bewerben".
Ehrlich gesagt, bin ich vor allem neidisch. Ich steh ja auch gern vorn und zeige, wie viel Spaß die Arbeit mit Sprache bringen kann. Mein nächster Auftrag ist allerdings noch etwas hin. Vor Kurzem ist mir die Wortkombi "Klöten kneten" aus dem Mund geflutscht. Einfach so, was sehr lustig war. Seither warte ich darauf "Klöten kneten" einzubringen. Andere damit zu beglücken. Also, liebe Schulleiter, ich habe große Lust, jungen Menschen Spaß an der Sprache zu vermitteln. Haben Sie keine Scheu, bewerben Sie sich einfach! Mit gleich zwei Anpreisungen in einem Text zurück nach Berlin.
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