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Verfassungsrichter über Durchsuchungen"Viele sind verfassungswidrig"

Der Verfassungsrichter Mellinghoff wechselt zum Bundesfinanzhof. Ein Gespräch über die Grenzen des Privaten, Durchsuchungen wegen Falschparkens und überlastete Richter.

Ist das wirklich notwendig? Viele Razzien sind unverhältnismäßig. Bild: ap
Christian Rath
Interview von Christian Rath

taz: Herr Mellinghoff, am Bundesverfassungsgericht waren Sie elf Jahre lang für die Prüfung von Hausdurchsuchungen zuständig. Sind Sie eigentlich mal selbst durchsucht worden?

Zum Glück nicht. Aber wenn ich am Schreibtisch saß und solche Fälle bearbeitet habe, versuchte ich durchaus, mir das vorzustellen, um ein Gefühl für die Situation zu bekommen.

Welche Bilder hatten Sie dabei im Kopf?

Bild: dapd
Im Interview: RUDOLF MELLINGHOFF

56, ist seit Januar 2001 Richter am Bundesverfassungsgericht. Im Zweiten Senat war er unter anderem für Fragen der Strafprozessordnung, insbesondere Hausdurchsuchungen, federführend. Zum 1. November wird er Präsident des Bundesfinanzhofs in München. Er ist Mitglied der CDU und von Haus aus Steuerrechtler.

Dass plötzlich fremde Menschen in meine Wohnung kommen, alle Schränke und Schubladen öffnen, sehen, wie ich lebe, welche Interessen ich habe oder wie es zum Beispiel in meinem Schlafzimmer aussieht. Und dass auch alle Nachbarn den Polizeieinsatz mitbekommen und sich fragen, was ich wohl verbrochen habe. Nur wenn man sich das plastisch vorstellt, kann man ermessen, welch schwerer Grundrechtseingriff so eine Durchsuchung ist.

Welche Bedeutung hat die Wohnung im Grundgesetz?

Sie ist geschützt als Ort der Privatheit und des Rückzugs. Die grundsätzliche Unverletzlichkeit der Wohnung ist für den Schutz der Privatsphäre von zentraler Bedeutung.

Wie sieht es mit dem Schutz der Wohnung in der Praxis aus?

SCHWERER EINGRIFF

Die Verfassung: "Die Wohnung ist unverletzlich", heißt es im Artikel 13 des Grundgesetzes. Durchsuchungen dürfen nur durch den Richter angeordnet werden, bei "Gefahr im Verzug" auch durch die Staatsanwaltschaft und die Polizei.

Die Praxis: Die Hürden sind niedrig, es genügt der Anfangsverdacht einer Straftat. Die Zahl der Durchsuchungen wird statistisch nicht erfasst. Experten schätzen, dass es mehr als hundertausend pro Jahr sind.

Leider nicht so gut. In den Jahren 2005 bis 2008 betrafen immerhin 20 Prozent aller erfolgreichen Verfassungsbeschwerden eine Wohnungsdurchsuchung. Das waren zwanzig bis dreißig Beanstandungen pro Jahr. Seitdem ist der Anteil etwas zurückgegangen, vielleicht auch als Reaktion auf unsere Rechtsprechung. Aber die Zahl verfassungswidriger Durchsuchungen ist immer noch bedenklich hoch.

In der Öffentlichkeit ist das kaum ein Thema.

Das wundert mich auch. Ich halte das nicht für angemessen.

Was sind die häufigsten verfassungsrechtlichen Probleme bei Durchsuchungen?

Viele Durchsuchungen verstoßen gegen das Prinzip der Verhältnismäßigkeit. Dabei stehen Anlass und Ermittlungsziel in keinem vertretbaren Verhältnis mehr zur Schwere des Grundrechtseingriffs.

Gibt es typische Konstellationen?

Da wird nach Beweismitteln gesucht, die der Polizei schon vorliegen. Oder es wird angeblich nach Entlastungsbeweisen gesucht - dabei kann der Beschuldigte diese ja selbst ins Verfahren einbringen. Da wird durchsucht, obwohl eine Information auch auf andere Weise beschafft werden könnte, etwa über staatliche Register. Da wird ohne handfesten Verdacht und nur aufgrund vager Anhaltspunkte und Vermutungen einfach mal die Wohnung durchsucht.

Eine Wohnungsdurchsuchung dient aber nicht dazu, einen Tatverdacht erst zu begründen. Sonst könnte man jede Wohnung durchsuchen und ohne weitere Rechtfertigung die Privatsphäre der Bürger ausforschen.

Hat die Polizei zu viel Zeit?

Wenn man liest, dass eine Wohnung wegen Falschparker-Bußgeldern in Höhe von 15 Euro durchsucht wird, kann man kaum glauben, dass Polizei und Justiz so furchtbar überlastet sind. Manchmal hat man den Eindruck, da geht es noch um etwas anderes als um Strafverfolgung.

Worum?

Zum Beispiel um Einschüchterung und Disziplinierung. Dazu sind Hausdurchsuchungen im Rechtsstaat aber ganz sicher nicht da.

Zählen Teile der Wohnung zum völlig unantastbaren "Kernbereich privater Lebensgestaltung"?

Nein. Es gibt keinen Raum der Wohnung, der generell nicht durchsucht werden dürfte.

Auch nicht die Schublade, in der ich Dinge aufbewahre, die ich niemand zeigen will, etwa meine Pornosammlung und meine grüne Latex-Unterwäsche?

Das Vorhandensein solcher Gegenstände kennzeichnet noch nicht den Kernbereich privater Lebensgestaltung. Das Bundesverfassungsgericht zählt zu diesem Kernbereich vor allem die Äußerung höchstpersönlicher Gedanken, etwa im Gespräch mit dem Partner oder in einem Tagebuch.

Die Polizei hat aber auch schon Tagebücher beschlagnahmt und das Bundesverfassungsgericht hat dies gebilligt.

Das war eine ganz knappe und umstrittene Entscheidung vor meiner Zeit.

Wie würden Sie heute entscheiden?

Ich würde zumindest die gerichtliche Verwertung privater Äußerungen in einem Tagebuch für unzulässig halten.

Auch wenn darin über begangene Straftaten reflektiert wird?

Nach gegenwärtiger Rechtsprechung wäre die Verwertung zulässig. Ich halte dies aber für problematisch, denn es muss doch einen vom Staat nicht ausforschbaren Bereich innerer Reflexion geben.

Sind private Computer vor einer Beschlagnahme besonders geschützt?

Nein.

Das Bundesverfassungsgericht hat aber 2008 die "Vertraulichkeit und Integrität informationstechnischer Systeme" zum Grundrecht erklärt. Darin dürfe nur zum Schutz überragend wichtiger Rechtsgüter eingegriffen werden.

In diesem Urteil ging es um das heimliche Eindringen in den Computer bei einer sogenannten Onlinedurchsuchung. Die Wohnungsdurchsuchung und Beschlagnahme ist aber offen.

Wenn ich etwas in meinen Computer schreibe, bin ich doch auch arglos und weiß nicht, dass er morgen von der Polizei mitgenommen wird.

Es gibt dennoch zwei wichtige Unterschiede zur Onlinedurchsuchung. Für den Fall einer Beschlagnahmung können Sie den Inhalt Ihres Computers oder einzelne Daten vorab mit Passwörtern oder Verschlüsselung schützen. Und Sie können nach einer Beschlagnahme Rechtsmittel einlegen und so versuchen, die Auswertung zu verhindern. Beides ist bei einer heimlichen Ausspähung nicht möglich.

Grundsätzlich muss jede Wohnungsdurchsuchung vorab von einem Richter genehmigt werden. Funktioniert dieser Richtervorbehalt?

Angesichts der unzähligen Durchsuchungen, die jedes Jahr von der Polizei durchgeführt werden, gibt es ja relativ wenig Beanstandungen des Bundesverfassungsgerichts. Hinzurechnen müsste man allerdings Fälle, bei denen bereits die Fachgerichte eine Durchsuchung für rechtswidrig erklärt haben.

Sind das alles Einzelfälle oder gibt es einen verbreiteten Mangel an Sensibilität?

Was mich beunruhigt, sind Fallkonstellationen, die ganz eindeutig rechts- und verfassungswidrig sind und trotzdem von Richtern durchgewinkt werden. Das ist ein Indiz dafür, dass die Maßstäbe nicht nur im Einzelfall etwas verrutscht sind. Da ist es gut, wenn das Bundesverfassungsgericht gelegentlich den Finger in die Wunde legt. Die Durchsuchung darf keine Standardmaßnahme werden.

Sind Richter zu überlastet, um gründlich zu prüfen?

Viele Ermittlungsrichter sind sicher überlastet. Aber da muss man sinnvolle Prioritäten setzen. Es gibt einfache Entscheidungen, für die man nur wenige Minuten braucht, und für andere muss man den Sachverhalt sehr lange prüfen.

Oft bekommen Richter eine vorformulierte Verfügung der Staatsanwaltschaft, die sie nur noch unterschreiben müssen.

Dagegen ist nichts einzuwenden. Wenn der Richter wenig Zeit für die Formulierung der Durchsuchungsanordnung braucht, hat er mehr Zeit zur inhaltlichen Prüfung. Ob die Voraussetzung einer Durchsuchung in ausreichendem Maße geprüft wird, hängt nicht von der Schreibleistung ab.

Ermittlungsrichter sind auf die Informationen von Polizei und Staatsanwaltschaft angewiesen. Werden Richter dabei oft manipuliert?

Mir ist kein Fall einer bewussten Manipulation begegnet.

Wenn eine Durchsuchung rechtswidrig war, dürfen die Ergebnisse dann trotzdem vor Gericht verwertet werden?

Grundsätzlich ja. Das hat das Bundesverfassungsgericht schon mehrfach entschieden. Auch eine effektive Strafverfolgung ist ein wichtiger Verfassungswert.

In den USA dürfen Ergebnisse rechtswidriger Durchsuchungen nicht verwendet werden.

Bei uns gilt diese Fruit-of-the-poisonous-Tree-Doktrin nicht. In Deutschland sind die rechtsstaatlichen Anforderungen an Durchsuchungen deutlich höher als in vielen anderen Staaten. Eine Durchsuchung ist daher schnell rechtswidrig. Das darf aber nicht automatisch dazu führen, dass die erlangten Beweise ignoriert werden müssen. Hier ist im Einzelfall abzuwägen.

Ist das nicht eine Belohnung für staatlichen Rechtsbruch?

Nein. Wenn der Kernbereich privater Lebensgestaltung verletzt ist oder die Grundrechte der Bürger bei der Durchsuchung planmäßig und bewusst verletzt werden, gilt auch in Deutschland ein Verwertungsverbot.

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21 Kommentare

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  • Interessant wäre noch die Frage gewesen, was der Herr Verfassungsrichter zum Fotografieren der durchsuchten Wohnung sagt.

    Wenn schon das Eindringen fremder Menschen traumatisierend sein soll, dann ist die Vorstellung, dass jeder Raum das Eigenheims auch noch fotografiert wird und damit in der Ermittlungsakte für jeden sozusagen zugänglich wird, noch einmal zusätzlich belastend.

  • O
    omnibus56

    »Auch eine effektive Strafverfolgung ist ein wichtiger Verfassungswert.«

     

    Sehr geehrter Herr Mellinghoff!

     

    Effektivität ist nicht alles! Ihr Satz unterstellt, dass nur eine Strafverfolgung, die nicht mit der "Fruit-of-the-poisonous-tree"-Doktrin klipp und klar von Missbrauch abgeschreckt wird, tatsächlich effektiv sein kann.

     

    Hohe rechtsstaatliche Anforderungen an Durchsuchungen, die -zuweilen durchaus bewusst, also mit Vorsatz- gebrochen werden und deren Bruch weder automatisch zu einem Verwertungsverbot noch zu einer harten Bestrafung des amtlichen Rechtsbrechers führen, sind das Papier nicht wert auf das sie geschrieben sind!

     

    Ich unterstelle Ihnen einen ausreichenden Bildungsgrad, dies selbst erkennen zu können und überlasse es den Lesern, zu entscheiden, welche Schlussfolgerungen sich aus Ihrer Haltung ergeben.

  • N
    Name

    Es muss nur richtig abgewogen werden. Verhaeltnisse wie in den USA haben wir ganz sicher nicht.

  • WR
    Weiße Rose

    Ja, was wollen wir denn eigentlich noch alles?

    Früher haben die Herren mit den langen Ledermänteln bei Hausdurchsuchungen die Leute auch gleich mit auf ihre kuscheligen Wachen genommen. Dagegen geht es doch heuer wahrhaft rechtstaatlich zu, oder etwa nicht?

  • R
    roger

    Ich selbst hatte schon den fall als untermieter, dass eines tages die polizei in form zweier schränke in schwarzer kleidung vor der tür standen und nach meiner vermieterin gefragt haben. auf die antwort, dass diese nicht da ist wollten die zwei sich in der wohnung umschauen, um die aussage zu verifizieren.

     

    Ich fragte dann auch nach einem durchsuchungsbefehl, aber nachdem ich noch nicht in münchen gemeldet war (was ich gefragt wurde) und ich auch nicht annahm, dass es in der wohnung etwas zu verbergendes gab, habe ich sie einmal durchlaufen lassen.

     

    Grundsätzlich hätte ich nicht zugelassen, dass Schränke und anderes durchsucht worden wäre, und grundsätzlich hätte ich die Polizisten auch nicht in meine eigene wohnung gelassen.

     

    Ach ja, der Grund für den Besuch war eine offene Ordnungsstrafe in Höhe von 15 Euro.

     

    PS: Die Polizei kommt immer gerne mal wegen Falschparkerstrafen für 15 Euro rum und treibt die "Russisch Inkasso"-mäßig ein.

  • A
    Apollo

    Na so was.

    Es ist um die drei Jahre her. Was genau passiert ist wissen wir nicht. Und wir werden es nicht erfahren.

    Wahrscheinlich hatte Mannichl Streit mit einer Ehefrau und konnte nicht schnell genug ausweichen. Um die Blamage zu umgehen, hat er dann schnell die Geschichte vom Schlangennazi erzählt, der ohne Messer zum Tatort kam zwecks Ermordung des couragierten Antifaschisten, und der erst mal eine Rede gehalten hat bevor er mit dem Küchenmesser zustach.

    Mannichls Einlassungen sind jedenfalls so absurd, und die von ihm in die Welt gesetzten Tathergangsbeschreibungen (innnerhalb weniger Sekunden minutenlang im nicht vorhandenen Vorgarten gekämpft, anschließend das Messer aus einer oberflächlichen Verletzung selbst herausgezogen, …) in sich derart widersprüchlich, dass jedermann sofort erkennt, dass das angebl. Attentat gar nicht stattgefunden haben kann.

     

    Man muss nicht besonders schlau sein um zu verstehen, dass es ohne Tat auch keine Tatverdächtigen geben kann.

    Trotzdem wurden 4 angebl. „Tatverdächtige“ (der „Verdacht“ wurde einzig damit „begründet“, dass sie sich in der gleichen Stadt aufhielten) in Schutzhaft genommen und deren Wohnung (habe die Bilder im Internet gesehen) im bei einer sog. „Wohnungsdurchsuchung“ verwüstet.

     

    Aber seltsam, da gab es keine Proteste in der taz. Und auch auf der Leserbriefseite wurde zwar mächtig gegen die Opfer gehetzt, aber die Strafexpedition rundum für gut befunden.

     

    Heuchelei?

    Heuchelei!

  • ZZ
    Zorro Zappelmann

    Ihren Der letzte Satz ist der Beste, denn der heißt eigentlich sinngemäß, das Recht auf Unverletztlichkeit der Wohnung durch staatliche Gewalt ist für jeden Bürger aufgehoben. Denn wer will denn schon beweisen können, dass das alles systematisch und boswillig passiert. War doch nur ein Versehen, hoppla pardon.

  • D
    Drachenstein

    Das Hauptproblem ist, dass eine rechtswidrige Hausdurchsuchung weder für die Polizisten, noch für die Richter irgendwelche Konzequenzen hat. Ich finde es ein Skandal, dass man oft bis vor den BGH ziehen muss, um wenigstens ein Teil seiner Unkosten (Rechtsanwalt, etc...) erstattet zu bekommen.

     

    Immerhin kann man seinen Computer schützen, indem man seine Festplatte verschlüsselt (www.truecrypt.org). Mein Vater ist Rechtsanwalt und kann ein Lied davon singen....

  • R
    rura

    Ich hatte vor 6 Wochen eine Hausdurchsuchung wegen StGB §187 Verleumdung!

    Beschlagnahmt werden sollten alle Computer und Unterlagen!

    Seitdem lebe ich in ständiger Angst erneut überfallen und beraubt zu werden im Namen des Gesetzes!

  • JK
    Jonas Kuckuk

    In den letzten Jahren wurden bei vielen Handwerkern ohne Meisterbrief durchsucht. Dabei waren die Ducchsuchungsbeschlüsse mehr als fehlerhaft und unverhältnismäßig. Leider interessiert sich kaum einer dafür. Es geht hier um das Grundrecht auf Unverletzlichkeit der Wohnung und die Berufsfreiheit, die mit dem Meisterzwang völlig außer Kraft gesetzt werden. Erst nach über 20 Entscheidungen vom Bundesverfassungsgericht hätte man denken könne, dass es jetzt endlich aufhört- aber diese Urteile werden konsequent ignoriert und es wird weiter gerazzt.

    Schön dass die Taz hierzu mal ein Interview mit Verfassungsrichter Mellinghof gebracht hat. Großes Lob an den Verfassungsrichter, den wir ab nun sehr vermissen werden.

    Ich hatte mit 15 meine erste Hausdurchsuchung und habe leider damals nicht dagegen geklagt. Der Schock saß tief und erst 25 Jahre später, entschuldigte sich der Schulleiter, der zuliess, das ich vor den Augen meiner Mitschüler aus dem Unterricht geholt wurde um dann bei mir "zu durchsuchen". Gefunden wurde nichts und das Verfahren eingestellt.

    Jonas Kuckuk kämpft heute für die Grundrechte der freien Handwerker im BUH e.V.

  • B
    blurks

    Interessanterweise sieht er keinen Zusammenhang zwischen dem Fehlen einer Fruit-Of-The-Poisonous-Tree- Doktrin und diesen offensichtlich rechtswidrigen Durchsuchungen.

     

    Die derzeitige Rechtslage und Gerichtspraxis verführen Staatsanwälte doch geradzu, bei Leuten, deren Nase ihnen nicht passt, einfach mal auf gut Glück eine Hausdurchsuchung zu probieren, mit irgendeinem windigen Vorwand. Vielleicht findet man ja Belastendes: Illegale Drogen, Scheinjugendpornographie oder ähnliches. Klassischer Beifang halt. Und dann hat man den Scheißkerl drangekriegt: Verwerten darf man ja.

  • HL
    Hauke Laging

    Das Problem wäre ganz einfach deutlich zu reduzieren: Die Rechtsgrundlage wird dahingehend geändert, dass ein Durchsuchungsbeschluss nur noch dann erlassen werden kann, wenn der jeweilige Richter sich eine bestimmte Zeit, vielleicht eine halbe Stunde oder besser eine ganze, ausschließlich damit befasst hat. Das wird sichergestellt, indem am Gericht ein gesondertes Büro eingerichtet wird. Dem Richter wird es untersagt (und auch durchgesetzt), Unterlagen mit in diesen Raum zu nehmen, die nicht den Antrag auf Erlass eines Durchsuchungsbeschlusses betreffen. Natürlich wird der Richter auf jeden Fall eine Stunde dort eingeschlossen; er kann die Zeit nicht durch Ablehnung verkürzen. Das wird die Staatsanwaltschaft wirksam disziplinieren.

     

    Als weiteren Schritt verlieren Richter, deren Durchsuchungsbeschlüsse zu einem bestimmten Anteil aufgeboben werden, die Berechtigung, welche zu erlassen. Da dies die Folge einer Minderleistung ist, wird natürlich ihr Gehalt entsprechend gekürzt.

     

    Ähnliches mag man bei den Staatsanwälten andenken (bezogen auf den Anteil abgelehnter Anträge). Dann überlegen die sich genau, ob die Sachlage eine Durchsuchung rechtfertigt.

     

    Die Überlastung von Richtern ist jedenfalls kein Umstand, der den Grundrechtsschutz der Wohnung mindert. Der Gedanke liegt nahe, dass angesichts der dramatischen Quote, mit der Durchsuchungsbeschlüsse im nachhinein für rechtswidrig erklärt werden, sogar ein Anspruch des Bürgers auf Verfahrensschutz besteht.

  • OS
    Otto Suhr

    der sinn der poisonous-tree-doktrin ist die disziplinierung der strafverfolgungsbehörden. sie ist da notwendig, wo missbrauchsfälle oft vorkommen. dass das in deutschland der fall ist, bezweifelt kaum ein ernstzunehmender jurist, insofern wäre die einführung eines verwendungsverbotes sicher sehr hilfreich um den ausufernden missbrauch staatlicher instrumente einzudämmen.

    der vorteil der doktrin gegenüber einer strafverfolgung von richtern und staatsanwälten liegt auf der hand. so entsteht keine übermässige einschüchterung von richtern, gleichzeitig ist aber gewährt dass wenn später die rechtswidrigkeit festgestellt wird alle arbeit von polizei und gericht umsonst waren und man sich das nächste mal eben rechtskonform verhält.

  • S
    sigibold

    @Markus

    Bezüglich der Wählbarkeit von leitenden Polizeibeamten, Staatsanwälten etc. möchte ich hier doch erhebliche Bedenken anmelden. Das Schielen auf ein wie auch immer geartetes Wahlvolk führt leicht zu opportunistischem Handeln. Dies ist beim Politiker systembedingt leider nicht zu vermeiden. Vor einem Staatsanwalt zu stehen, der einen Erfolg für die Wiederwahl benötigt, erscheint mir aber gruselig.

     

     

    sigibold

  • P
    pablo

    Das die Strafverfolgungsbehörden und die Justiz straffrei Rechtsbruch begehen können ist der eigentliche Skandal an der ganzen Sache.

  • B
    birkenrinde

    Ich kenne jemanden, dessen Wohnung wurde durchsucht, weil er auf einer Demo identifiziert wurde, als Mitglied einer vom Verfassungsschutz beobachteten Organisation.

     

    Sogar der CDU-Richter hat's kapiert: Es geht um Disziplinierung.

     

    Es ist schon zynisch, wie über die DDR geredet wird, weil sie Systemgegner nicht duldete - wer so redet war wohl nie Systemgegner in unserem schönen Land. Gut die physische Existenz wird selten angegriffen, aber die soziale Existenzdurchaus:

     

    Wer den Kapitalismus kritisiert, wird vom Verfassungsschutz beobachtet, mit Wohnungsdurchsuchungen schikaniert, der muss sich den Beruf erklagen (und da muss man noch froh sein, siehe Berufsverbote früher) und der landet auch mal im Knast.

     

    Aber kann ja schon reichen einen ollen Bahnhof zu kritisieren oder gegen Kernkraft aktiv zu sein, dass man "zum Objekt staatlichen Handelns" wird, was ja laut Verfassung nicht sein soll/darf/kann...

     

    So siehts aus.

  • O
    Oliver

    Mein Favorit ist die Hausdurchsuchen ohne Richterlichen Beschluss mit der Begründung "Gefahr im Verzug", weil zwei Polizisten einen jungen Mann mit einer nicht beschrifteten CD angetroffen haben.

     

    Aber so lange sowohl die Polizisten als auch die Richter für ihre Kriminalität (oder auch Verfassungsverstöße) nicht belangt werden, wird sich das auch nicht ändern. Dabei wäre das ganz einfach. Jeder Richter, der einmal eine Durchsuchung angeordnet hat die hinterher als nicht rechtmäßig kassiert wurde wird wegen Anstiftung zu einer Straftat angeklagt und verliert seinen Posten und seine Pension.

    Das wäre mal ein Bereich in unserer Gesellschaft, bei dem ich mir 100%ig sicher bin das schärfere Strafe abschrecken. Aber auf so ein Gesetzt können wir bei unseren Abgeordneten lange warten....

  • I
    icke

    zunächst möchte ich ein großes Lob aussprechen sowohl der TAZ für das Interview als auch Herr Mellinghoff für eine offensichtlich Wahrheitsgemäße beantwortung der Fragen.

     

    Ich muss jedoch in einem Punkt widersprechen... wir haben kein besseres Rechtssystem als die USA, nur ein anderes, und auch bei uns wäre es angebracht (was die Zahl an ungerechtfertigten Durchsuchungen beweisst) das bei einer Illegalen durchsuchung jede weiter Konsequenz ausgesetzt wird. Denn erst dann werden sich Richter, Staatsanwälte und Polizisten überlegen was sie da tun.

     

    Übrigesn neben der Verletzung der Privatsphäre und dem eindringen in die intimsten Bereiche und vor allem des eindringens in den Selbstgewählten Ruhepunkt eines Menschen sollte auch das Chaos das meist hinterlassen wird nicht ganz vernachlässigt werden, denn selbst wenn nichts gefunden wird dürfen viele Menschen nach einer Durchsuchung erstmal aufräumen. Nicht zu vergessen das die meisten Menschen sich wohl teilweise auch als Schutzbefohlene der Polizei sehen und durch eine ungerechtfertigte Durchsuchung das vertrauen eines Bürgers in diese Institution verloren geht.

  • E
    Enzo

    Tut mir leid, die TAZ leidet unter Verfolgungswahn.

    Liebe TAZ und Links-Sympathisanten achtet eure Mitmenschen andere Leute Eigentum und laßt die Finger von den Drogen, dann wird eure Wohnung nicht durchsucht.

  • M
    Markus

    Die gute Frage nach der "fruit of the poisonous tree" Doktrin ist eben falsch beantwortet worden.

     

    Entweder ich ermittele bei jeder Rechtsgutsverletzung mit Wahrheitsanspruch oder ich regele die Grundsätze gesetzlich genau. Abwägung ist eben nicht rechtsstaatlich. Aber der peilt es einfach nicht

     

    Wichtiger ist jedoch, jeder Mensch und Bürger muss erwarten können, dass Profis (Polizei und StA) sich genau an Regeln halten.

     

    Es geht um die verfassungsgemäße Stellung jedes einzeln Menschen und Bürgers hier und nicht Abwägung. Vollpfosten. Juristen lernen im Studium nicht Recht, sondern schriftliche Befehle und das merkt man.

     

    Wenn eine StA oder eine Polizei schlecht arbeitet müssen die Entscheider halt gehen und sich über Hartz IV einen neuen Job suchen.

     

    Die Unkündbarkeit ist auch hier ein Fehler in der BRD und verfassungswidrig, weil nicht demokratisch. Leitende StA und Polizeileiter müssen gewählt werden.

  • M
    Maren

    Wie bitte? Wegen Falschparkens gibt es Durchsuchungen? Diese Gängelung der Autofahrer muss endlich aufhören!