Klage gegen Webseitenanbieter Euroweb: Eine Homepage für 12.000 Euro
Das Düsseldorfer Unternehmen "Euroweb" wirbt für kostenlose Homepages. Doch wer unterschreibt, muss teuer bezahlen. Jetzt verhandelt der Bundesgerichtshof den Fall.
In ihrem Werbevideo von 2008 preisen Christoph Preuß und Daniel Fratzscher höchst selbstbewusst ihre Mission an - die Versorgung des deutschen Mittelstandes mit einer eigenen Homepage: "Mit über 14.000 Kunden sind wir Marktführer in Deutschland - aber noch mehr als drei Millionen potenzielle Kunden warten auf uns", glauben die beiden Geschäftsführer.
2001 in Düsseldorf als Internet-Dienstleister gegründet, beschäftigt Euroweb nach eigenen Angaben rund 500 Mitarbeiter und erhielt mehrere Auszeichnungen. So gab es 2008 einen zweiten Platz beim "Düsseldorfer Unternehmerpreis", der von der Stadtsparkasse vergeben wird. Vor einigen Monaten erhielt die Firma, die gern ihr soziales Engagement betont, als Drittplatzierte den n-tv-Mittelstandspreis "Hidden Champion" in der Kategorie "Gesellschaftliche Verantwortung". Auch wirbt Euroweb damit, Internetauftritte von Spitzensportlern wie Fabian Hambüchen zu gestalten.
Derweil werfen zahlreiche Beiträge in Medien und im Netz Euroweb Täuschung vor, mehrere Staatsanwaltschaften ermitteln wegen Betrugsverdachts. Die Masche sei nach Darstellung vieler Betroffener – es dürften Hunderte sein - stets die gleiche: Euroweb werbe bei Kleinbetrieben für die kostenlose Erstellung einer Homepage, verschleiere aber, dass es sich um Verträge mit mehrjähriger Laufzeit handelt, deren Kosten sich manchmal auf 12.000 Euro summieren. Viel Geld für die Zielgruppe, vor allem Handwerker, Verkäufer und Gastronomen.
Regelrecht "gebauchpinselt"
Dies erlebte 2007 auch der niedersächsischen Tierarzt Thorsten Romaker: Am Telefon hatte ihm die Euroweb-Außendienstmitarbeiterin erklärt, dass man sich in der Region als neue Firma etablieren wolle und noch Referenzkunden suche, denen eine kostenlose Homepage erstellen würde. Beim anschließenden Gesprächstermin sei er regelrecht "gebauchpinselt" worden, berichtet Romaker.
"Zunächst erhielt ich von dem Euroweb-Vertreter viel Anerkennung für meine persönliche Berufsleistung. Das kam durchaus glaubhaft rüber." Bei der nachfolgenden Vertragsvorlage habe der Vertreter die vierstelligen Beträge, die sonst angeblich für Gestaltung, Suchmaschinenoptimierung, und weitere Leistungen fällig würden, demonstrativ durchgestrichen. Lediglich eine Gebühr für das Hosting (Datenpflege) der Homepage solle anfallen. "Ich bin zunächst davon ausgegangen, dass es sich um eine einmalige Sache handelt", betont Romaker. Am Ende unterschrieb er. Der hartnäckige Vertreter habe ihn dazu gedrängt, dass er den Status des Referenzkunden nur erhalte, wenn er sich noch am gleichen Tag entscheide und ihm zugesichert, dass er den Vertrag später noch kündigen könne, berichtet Romaker.
Nach dem Gesprächstermin stieß er im Internet auf zahlreiche Vorwürfe gegen die Firma. Zudem habe er im Kleingedruckten entdeckt, dass sich die Gebühr für das Hosting als eine Miete für die Internet-Seite entpuppte, für die er drei Jahre lang monatlich 125 Euro plus Mehrwertsteuer hätte zahlen müssen. Noch am gleichen Tag kündigte er den Vertrag. Doch Euroweb lehnte die Kündigung ab und buchte kurze Zeit später eine erste Rate über rund 2.000 Euro von Romakers Konto ab.
Mehr als 2.000 Verfahren gegen die Kunden
"Die Verkaufsmasche von Euroweb ist psychologisch sehr gut durchdacht", räumt Thorsten Wachs aus Gelsenkirchen ein, der als Rechtsanwalt zahlreiche Betroffene gegen Euroweb vertritt. Wer sich weigert zu zahlen, wird von dem Internetdienstleister schnell vor Gericht gebracht. In vielen Fällen hat Euroweb Recht bekommen. Nach Schätzung des Rechtsanwalts Wachs hat die Firma in den vergangenen zwei Jahren wohl mehr als 2.000 Verfahren bestritten.
Euroweb-Geschäftsführer Christoph Preuß wollte diese Zahl nicht bestätigen, glaubt aber, dass es weniger sind. Im Verhältnis zu den mittlerweile rund 20.000 Kunden sei die Menge an Prozessen aber normal, auch im Bereich von Hotels und Gaststätten gäbe es ähnlich viele Zahlungsausfälle , sagte er der taz. Wortwörtlich wollte Preuß sich nicht zitieren lassen.
Für viele Betroffene sind die geforderten Summen, die sich oft auf mehrere tausend Euro belaufen, ein schwerer Schlag. "Viele von ihnen leben von der Hand in den Mund", betont Thorsten Wachs. Täuschungsvorwürfe weist Euroweb stets zurück. Er wüsste nicht, was man bei den Verträgen missverstehen könne, erklärte Christoph Preuß der taz. Auch diese Aussage wollte er später nicht mehr autorisieren.
Vieles deutet aber darauf hin, dass die Angebots-Verschleierung bei Euroweb System hat - und Grundlage des Geschäftsmodells ist. Um einfacher an Gesprächstermine zu kommen, wird Mitarbeitern in einem der taz vorliegenden Gesprächsleitfaden von Oktober 2010 folgende Einleitung geraten: "Als erstes möchte ich Ihnen mitteilen, dass ich Ihnen nichts verkaufen will – und ich erkläre gerne, warum: Ich bin Media Consultant eines großen Unternehmens und suche derzeit einzelne Unternehmen, die ich mit einem professionellen Konzept ausstatten darf, ohne dass Ihnen dabei zusätzliche Investitionskosten entstehen." Auf Welt Online versicherte Preuß im Januar 2011, dass sein Unternehmen Mitarbeitern mündliche Nebenabreden verbiete und man die Marketingleitfäden überarbeitet habe.
Berufungsprozess vor dem Bundesgerichtshof
Derweil scheint bei der Justiz allmählich die Skepsis gegenüber Euroweb zu wachsen. So gab im Januar 2011 das Landgericht Hildesheim einem Kläger Recht, der sich beim Vertragsabschluss getäuscht fühlte. Die Richter werfen Euroweb arglistiges Handeln vor: "Die von ihr für ihre Vertriebsmitarbeiter durch den Marketingbogen und den Leitfaden für Marketing-Beauftragte vorgegebene Gestaltung von Vertragsgesprächen mit der Gegenüberstellung des Kaufkunden- und des Referenzkundenangebots bezweckt ja gerade die Verschleierung der tatsächlichen Umstände ihres Vertriebssystems. Insoweit handelt die Klägerin zumindest mit bedingtem Vorsatz, weil sie die Ungerechtigkeit der bei den Vertragsgesprächen gemachten Angaben kennt", heißt es in dem Hildesheimer Urteil. Euroweb hat dagegen Berufung eingelegt, am 13. Oktober wird der Bundesgerichtshof den Fall verhandeln. Wann das Urteil fällt ist nochunklar. Aber es dürfte wegweisend sein.
Neben der Staatsanwaltschaft Hildesheim ermittelt auch die Leipziger Staatsanwaltschaft wegen Betruges gegen die Euroweb-Geschäftsführung. Bereits 2010 entschied der Bundesgerichtshof, dass die von Euroweb abgeschlossenen Verträge als Werkverträge einzustufen seien und damit jederzeit kündbar. "Das Urteil vom BGH war eine ganz wichtige Entscheidung", unterstreicht Rechtsanwalt Thorsten Wachs.
Bei einer Vertragskündigung hätte Euroweb Anspruch auf das volle Entgelt für bereits erbrachte Leistungen. Allerdings müsse das Unternehmen dafür seine Kostenkalkulation offenlegen und für das Gericht nachvollziehbar machen, was bisher laut Wachs noch nicht gelungen sei. Auch Udo Vetter, Autor des Grimme-Preis-gekrönten "law blogs" glaubt, dass es in Zukunft schwieriger wird, vor Gericht hohe Beträge für gesparte Aufwendungen zu fordern: "Vielleicht wird dies Euroweb das Genick brechen", sagte er der taz.
Kritik im Netz als Verleumdungen von Konkurrenten empfunden
Tierarzt Thorsten Romaker gibt an, zu mindestens 150 Leuten direkten Kontakt zu haben, die ebenso an teure Verträge gerieten. Häufig hat er sich wegen Äußerungen in seinem Blog von der Düsseldorfer Kanzlei Berger, die Euroweb vertritt, Abmahnungen oder einstweilige Verfügungen eingehandelt, musste zahlreiche Einträge löschen. Auch dieses Vorgehen ist für die Firma, die Kritik im Netz als Verleumdungen von Konkurrenten darstellt, bezeichnend: "Da wird unter Pseudonymen und anonym gegen Euroweb gepöbelt, unwahre Geschichten ins Netz gestellt, Fakten verdreht und irrational agiert, nur um die Diskussion am Laufen zu halten und um dann in der Versenkung des Web 2.0 zu verschwinden", heißt es auf der Homepage.
Wie weit Euroweb beim Versuch zur Wahrung seines Images geht, macht das diesjährige "Internetagentur-Ranking" deutlich, das die umsatzgrößten Unternehmen im Bereich der interaktiven Anwendungen listet. Jahrelang hatte Euroweb mit seinen vorderen Ranking-Platzierungen geworben. In diesem Jahr hatte der Rankingbeirat jedoch Zweifel an der Richtigkeit der gemeldeten Umsätze und warf die Düsseldorfer aus der Liste. Prompt zog Euroweb vor Gericht, um die Veröffentlichung des Rankings zu verhindern. Daniel Treplin, Mitglied des Rankingbeirats, bezeichnet diesen Vorgang als "einmalig".
Rechtsanwalt Thorsten Wachs sieht das Geschäftsmodell von Euroweb durch die jüngsten Gerichtsurteile auf die Probe gestellt. Allerdings glaubt er, dass das Unternehmen auch in Zukunft weiter agieren wird: "Allgemein gilt: Überall, wo Menschen mit krimineller Energie tätig sind, kann der Gesetzgeber die Arbeit nur erschweren, aber nicht verhindern."
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Hoffnung und Klimakrise
Was wir meinen, wenn wir Hoffnung sagen
Sport und Krieg in der Ukraine
Helden am Ball
Rechte Gewalt in Görlitz
Mutmaßliche Neonazis greifen linke Aktivist*innen an
Nach dem Anschlag in Magdeburg
Das Weihnachten danach
Nachhaltige Elektronik
Ein blauer Engel für die faire Maus
Bodycams bei Polizei und Feuerwehr
Ungeliebte Spielzeuge