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Diskussion um Friedrich Ludwig JahnTurnvaters rechte Gedanken

Eine Initiative fordert die Umbenennung des Jahnsportparks in Prenzlauer Berg.

Vor dem Turnen lieber hinterfragen: Der umstrittene Turnvater Jahn. Bild: dapd

Es ist ein deutsches Idyll, gegen das sich Mitglieder des Sportvereins Roter Stern Nordost Berlin wenden: Nach dem Willen der Initiative "Sport ohne Turnväter" soll Friedrich Ludwig Jahn nicht länger Namensgeber des Jahnsportparks in Prenzlauer Berg sein. Sie wirft dem als "Turnvater Jahn" bekannt gewordenen Begründer der deutschen Turnerbewegung vor, sich in einem seiner Werke chauvinistisch und antisemitisch geäußert zu haben.

"Jahn darf mit seinem Gedankengut nicht die größte Sportanlage Nordberlins repräsentieren, zumal diese mit der Ausrichtung von Veranstaltungen wie den ,Respect Gaymes' der schwul-lesbischen Gemeinde ganz besonders für Offenheit und Toleranz steht", so Alexander Jahns, der Sprecher der Initiative. Auf der etwa 22 Hektar großen Anlage des Jahnsportparks befindet sich das mit fast 20.000 Plätzen zweitgrößte Berliner Stadion.

"Sport ohne Turnväter" kritisiert vor allem die unreflektierte Verehrung für Jahn, nach dem in ganz Deutschland Plätze, Schulen und Straßen benannt sind. Die Betrachtung des Turnvaters als "Kind seiner Zeit" könne dessen Aussagen nicht relativieren, die heute den Straftatbestand der Volksverhetzung erfüllten. Die Initiative war bei Recherchen zur Person Jahns auf dessen Werk "Deutsches Volksthum" gestoßen. In dem 1808 verfassten Buch vertrat Jahn einen völkischen Nationalismus, der Wehrsport als Mittel auf dem Weg zur staatlichen Einheit ansah. Beiläufig wertet er andere Völker ab: "Nichts ist ein Volk ohne Staat, ein leibloser luftiger Schemen, wie die weltflüchtigen Zigeuner und Juden." Auch "Mohren" und "Polarmenschen" stellt Jahn als den Deutschen unterlegen dar. Und er spricht Frauen die Eignung zum Fechten als "dem weiblichen Körperbau zuwider" ab.

Die städtischen Behörden und die Verwaltung hat die Initiative noch nicht erreicht. "Bisher liegt uns kein entsprechender Antrag vor", sagte die Sprecherin der Senatsverwaltung für Sport, Nicola Rothermel-Paris. Die Behörde verfügt als Eigentümer auch über das Namensrecht am Jahnsportpark. Auch der Verwalter der Anlage, Kurt Lowak, sagte, in den lokalen Vereinen sei Jahn als Namensgeber bisher in keiner Weise ein Thema gewesen.

Für Sieghard Below von der Abteilung Sportgeschichte am sportwissenschaftlichen Institut der Humboldt-Universität geht die Initiative zu weit. "Jahn ist eine ambivalente Person, die anfällig für nachhistorische Betrachtungen ist", erklärt er. "Seinen Nationalismus und radikalen Franzosen- und Judenhass muss man auch als Überreaktion seiner Zeit verstehen."

Eine kritische Diskussion Jahns sei zwar wichtig, einen ideologischen "Bildersturm", der Jahns Verdienste um die Gründung der deutschen Turnerschaft und der deutschen Burschenschaft ausklammere, halte er aber für unausgewogen. Jahn sei außerdem von verschiedenen Herrschern vereinnahmt worden, vom preußischen Kaiserreich über das NS-Regime bis hin zur DDR, die in Jahn einen Streiter für den Sozialismus ausmachte und den Jahnsportpark bei seiner Eröffnung 1952 nach ihm benannte.

Alexander Jahns ist aber von der Richtigkeit der Initiative überzeugt. "Im Internet haben wir positive Rückmeldungen bekommen", berichtet er. "Wir wollen zunächst die Bewegung anstoßen und ein Bewusstsein für das Thema schaffen. Danach werden wir an die Politik herantreten."

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16 Kommentare

 / 
  • UM
    Ulrich Meier

    Leider ist bei der TAZ und ihren Lesern Selbsthass im Endstadium (kurz vor der ausländerfreundlichen Selbstaufgabe) zu diagnostizieren.

    Das war in der DDR noch anders. Theodor Körner und Friedrich Ludwig Jahn waren dort wie im Westen Ikonen eines freien Deutschlands, das nicht von fremden Herren beherrscht werden sollte.

    Und was macht Ihr und Eure Klientel? Weil Jahn im Jahre 1808 "Mohren" schrieb und nicht von Schwulitäten begeistert war, meint Ihr, er wäre "Autobahn", also ganz böse.

    Was ist das für ein Verhältnis zum eigenen Land, zu den eigenen Eltern, Voreltern, zum gesamten eigenen Volk?

    Wie kann jemand Erfolg haben, der sich dauernd nur ins Knie schießt?

    Eine Zeitung hetzt gegen das eigene Volk. Der helle Wahnsinn...

  • FM
    Franz Müller

    Dieser Deutschenhass geht mir langsam so was von auf den Keks... Heute gilt jeder, der zeit seines Lebens irgendetwas Patriotisches gesagt hat, gleich als allerübelster Chauvinist. Am besten, wir schaffen Deutschland ab, leugnen, dass es jemals ein deutsches Volk gab, und tanzen mit allen anderen Menschen auf diesem Planeten Ringelreiher. Sind Sie dann endlich zufrieden? Denn um nichts anderes geht es. Es geht darum, große Deutsche, die etwas für Deutschland geleistet haben und die populär sind oder wenigstens waren, durch irgendwelche Leutchen zu ersetzen, die ihr Leben lang auf Deutschland gesch... haben. Auch wenn die Namenssuche noch im Gang ist, wird bestimmt entweder ein Ausländer oder aber ein Deutscher, der sich dezidiert gegen das eigene Vaterland ausgesprochen hat, ausgewählt. Oder wir nehmen Karl Marx. Der hat aber auch ganz böse rassistische Dinge über Slawen gesagt. Dieser böööse Chauvinist!

  • EA
    Enzo Aduro

    @egon olsen

    Weil Leninallee ein Besatzername war?

     

    @Sport ohne Turnväter

    Es geht vor allem auch darum das Erwin Rommel keine verdienste hat. Aber auch bei dem argument des überholten Zeitgeistes sind Rommel und Jahn nicht vergleichbar.

     

    PS: Nur zur französischen Revolution: Kennen Sie die französische Nationalhymne, also den Text?

  • SO
    Sport ohne Turnväter

    Enzo Aduro, wenn Sie sagen, dass Erwin Rommel zum Zeitpunkt seines Wirkens für überholtes Denken stand, dann kann man dies für Friedrich Ludwig Jahn ebenso konstatieren. Die Französische Revolution (Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit) hatte schon stattgefunden, Heinrich Heine hat schon damals Jahn für sein völkisches Missverständnis im Bezug auf die deutsche Nation kritisiert. Es gab also schon zu dieser Zeit genügend Gründe den Chauvinisten Jahn nicht zu ehren. Warum man ausgerechnet 1952 in der DDR auf die wahnwitzige Idee kam ein Sportanlage nach Jahn zu benennen, hat eben auch etwas mit seiner Idee des militärischen Drills in der Erziehung der Jugend zu tun.

     

    Und das ist ja wohl auch der beste Grund den Namen der Sportstätte zu ändern, denn für solche Methoden ist weder im Sport, noch in der Erziehung heutzutage Platz. Zum Glück, und das soll sich auch in der Benennung von öffentlichen Sportstätten, Straßen und Schulen wiederspiegeln. Nicht mehr und nicht weniger fordern wir...

  • EO
    egon olsen

    hier wird soviel davon geredet, dass strassen oder plätze je nach zeitgeist umzubenennen falsch sei. aber wie sieht es mit der dimitroffstr. der leninallee usw. aus? wenn die nazis unsere strassen umbenennen machen wir das jetzt auch so. es ist mir durchaus bewusst, dass menschen, die es verdienen als solche bezeichnet zu werden, den spoortpark so benannt haben, doch war dies wohl dem versuch geschuldet das was an jahn fortschrittlich war in den vordergrund zu stellen um anknüpfungspunkte mit den deutschen zu finden und bestimmt nicht wegen seines judenhasses oder seinem beitrag zur gründung patrioischer burschenschaften.

    die zeit scheint mir reif.

  • EA
    Enzo Aduro

    @Sport ohne Turnväter

     

    1. Es gibt Erwin-Rommel Straßen. Und das ist Falsch, da es zu diesem Zeitpunkt bereits überholtes Denken war. Parzifismus Völkerbund etc. gabs ja schon.

     

    2. Wenn man aber alle Straßen umbenennt von Leuten die sich innerhalb IHRES Zeitgeistes bewegen, dann müssen wir alle 100 Jahre alle Straßen umbenennen, welche nicht nach Orten oder Tierarten benannt sind. Das finde ich falsch. Man ändert die Geschichte nicht wenn man Sie ignoriert, und Leuten gebührt auch dann Erinnerug für Ihr wirken wenn sie ein Zeitgeist vertreteten welcher überholt ist. Daher finde ich es falsch Lutehrstraßen etc. wegzunehmen und die dann durch Elvis-Presly Straßen zu ersetzen. Nur um Später festzustellen das Elvis auch nicht ohne ist, weil der Zeitgeist wieder ein anderer ist.

     

    3. Nicht ganz ernst gemeinte Nachfrage: Was wäre mit einer Martin-Luther-King Straße? :-)

  • MN
    mein Name

    "Nichts ist ein Volk ohne Staat, ein leibloser luftiger Schemen" ist erst mal eine Feststellung, der sicher auch Herzl als Zionist zugestimmt hätte. Ob Kurden, Kosovaren, serbische Kosovaren, Abchasier, Tibeter; alle dürfen zumindest Verständnis aufbringen, nur wir Deutsche seit 1945 eben nicht mehr. Dass jetzt gerade im Sporttreiben der Keim für Zwietracht gesehen wird ist ein Witz!!!

  • N
    Nachdenker

    Rechte Gedanken? Wie unhistorisch. Turnvater Jahns Ziel war die Bürgerkinder für den Befreiungskampf von napoleonischer Besetzung fit zu machen. Natürlich muss man ein Volk um eine nationale Idee einen (Polen läßt grüßen), wenn man Besatzung und Fremdherrschaft beenden will. Außer natürlich man findet Besatzung und Fremdbestimmung für die Deutschen das beste Regime!

  • M
    Murad

    Woher will der Gründer der Iniative Alexander Jahns (!) denn wissen, dass Turvater Jahn nicht schwul war und sich deshlab eher mit jungen Männer als mit Frauen umgeben wollte ?

  • SO
    Sport ohne Turnväter

    Ulbricht und Genossen haben dem Jahn-Sportpark überhaupt erst seinen Namen gegeben. Aber um dies zu bemerken, braucht es etwas mehr als die üblichen ideologischen Relexe...

     

    Und natürlich sollten auch sämtliche Luther-Straßen und -Plätze umbenannt werden. Nur fragt sich, weshalb dies gerade als Argument gegen die Umbenennung des Friedrich Ludwig Jahn-Sportparks angeführt wird? Und falls es wirklich Erwin-Rommel Straßen gibt, gilt für diese dasselbe.

     

    Was die moralischen Standards sowie die verschiedenen Zeiten betrifft, so kann man doch beruhigt feststellen, dass die heutigen Standards für die Betrachtung der Neandertaler ebenso, wie für die des völkischen Chauvinisten Friedrich Ludwig Jahn, gelten. Und wenn wir heute etwas als Volksverhetzung definieren, ist es völlig egal ob es sich dabei um Höhlenmalerei oder das Buch "Deutsches Volksthum" handelt.

  • A
    AllezHopp

    Und dann verweist ihr wieder auf die Zeitumstände. Redet von Kindern ihrer Zeit und entschuldigt und versteht und wägt ab und erklärt. Und man selbst denkt an diese Zeit, in der die Menschenrechte schon erklärt wurden und man von Paris bis zum damaligen Königsberg von Brüderlichkeit träumte. Und dann fragt man sich, warum ihr heute entschuldigen könnt, wo doch schon damals soviele nicht entschuldigen konnten:

     

    "[...] der Patriotismus des Deutschen hingegen besteht darin, daß sein Herz enger wird, daß es sich zusammenzieht wie Leder in der Kälte, daß er das Fremdländische haßt, daß er nicht mehr Weltbürger, nicht mehr Europäer, sondern nur ein enger Deutscher sein will. Da sahen wir nun das idealische Flegeltum, das Herr Jahn in System gebracht; es begann die schäbige, plumpe, ungewaschene Opposition gegen eine Gesinnung, die eben das Herrlichste und Heiligste ist, was Deutschland hervorgebracht hat, nämlich gegen jene Humanität, gegen jene allgemeine Menschenverbrüderung, gegen jenen Kosmopolitismus, dem unsere großen Geister, Lessing, Herder, Schiller, Goethe, Jean Paul, dem alle Gebildeten in Deutschland immer gehuldigt haben."

    Heinrich Heine. Aus: Die romantische Schule

  • E
    erikius

    1808 war das heutige Deutsche Gebiet von den Franzosen besetzt.

    Viele Menschen sahen, dass die deutschen Einzelstaaten zu schwach waren sich zu wehren. Nationale Gedanken waren ein Mittel sich gegen eine Besatzung zu mobilisieren. Da diese französich war, ist eine antifranzösische Haltung wohl kaum verwunderlich.

    Wer das kritisiert sollte schleunigst seinen paranoiden Antiamerikanismus abschaffen. Die werden für deutlich weniger gehasst (zumindest in D kann ich keine unterdrückende Besatzung erkennen.)

    Der Nationalsimus (Staatenbildung) war gerade Zeitgeist - man müßte folglich alle Namen aus der Jahn-Zeit aus unserem öffentlichen Gedächtnis löschen.

    Ich denke es gibt da andere, wo man über Strassennamen nachdenken könnte. Rosa Luxemburg zum Beispiel, die sich nicht gescheut hätte für ihre Ideologie über Leichen zu gehen und eine Minderheitemeinung auf eine Mehrheit unterdrückend anzuwenden.

    Jahn hat mit der Rethorik seiner Zeit gegen eine Besatzung gekämpft und war dabei mit Sicherheit harmloser als jeder "Freiheitskämpfer" der Hamas, die von den Linken so sehr hofiert werden.

    Also erst vor der eigenen Haustür kehren oder um mit der Bibel zu sprechen und damit jeden Kredit gegenüber der taz-Zielgruppe zu verlieren: Kümmere dich zuerst um den Balken in deinem Auge bevor du dich um den Stachel bei anderen kümmerst.

  • JC
    Johnny Cynic

    Oh, historische Personen werden nach heutigen Massstäben bemessen:

    Karl Marx, Friedrich Engels, Karl Liebknecht und Rosa Luxemburg riefen zu Klassenkampf, also zu Morden auf.

    Lenin, Stalin, Mao, "Okel" Ho und Pol Pot waren Massen- und Völkermörder.

    Der Judenhass der Stalinära war nicht nur in der UdSSR sonder auch in ihren Vasallenstaaten extrem.

    Wer verurteilt Ulbricht und Genossen?

  • G
    Gonzo

    Dann sollten aber auch sämtliche Luther-Straßen, -Plätze,

    -Schulen usw. umbenannt werden...

  • EA
    Enzo Aduro

    Und solange es noch Erwin-Rommel Straßen gibt...

  • EA
    Enzo Aduro

    Es ist immer Problematisch wenn man die moralischen Standards verschiedener Zeiten vermischt. 1808 ist eben nicht 2008 und auch nicht 1938. (38 ist sogar näher an heute als an 1808) Damals waren andere Zeiten. Da kann man auch die Statuen von Friedrich dem Großen abschrauben. Er war zwar für Religionsfreiheit, aber Juden fand er nicht so toll.

     

    Daher sollte man das immer in Bezug setzen. Ohne Zeitbezug ist die Kritik haltlos. Den jenigen die glauben es gibt Werte die ohne Zeitbezug stimmen, muss ich wiedersprechen. Es wäre romantisch wenn es die Gäbe, ist es aber nicht.

     

    PS: Vor 50 Jahren, und vor 100 erst recht, war es normal seine Kinder zu schlagen. Ich fordere auf alle entsprechenden Straßennamen umzubenennen.

     

    Wie das mit dem Jahn im einzelnen ist, sei dahingestellt, aber man muss es im Kontext sehen. Und 1808 ist eben extrem lang her.