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Grüne Online-Kampagne mit eigenem Problem"Ein nicht ganz so gutes Licht"

Online sollen Bürger die Grünen auf Probleme in der Stadt hinweisen, damit die das angehen. Das erste gelöste Problem wurde vom Chef der Agentur benannt, die die Seite für die Grünen programmiert hat.

Renate Künast bei der Präsentation der neuen Online-Kampagne am vergangenen Freitag Bild: dpa
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Die Grünen liegen ganz vorn. Zumindest was die Nutzung des Internets für aktuelle Politikgestaltung angeht. Seit dem Wochenende darf jeder unter gruene-berlin.de/da-muessen-wir-ran auf einem virtuellen Stadtplan Problemzonen mit einem grünen Pin markieren. Diese "Aufgaben" werden dann von der wahlkämpfenden Partei umgehend in Angriff genommen.

Nicht alles, was da aufgeschrieben wird, ist ernst gemeint. Wenn ein "Grundrecht auf Club Mate" oder schlichtweg "Bier" eingeklagt wird, muss kein Politiker was tun. Aber es gibt auch seriöse Probleme. Im dritten Eintrag überhaupt schrieb etwa Andreas Gebhard am Samstag: "An der Kreuzung Tor/Schönhauser fahren hunderte Radler in der Stunde die Straße Richtung Prenzlauer Berg hoch. Da die Verkehrsführung unübersichtlich ist, kommt es fast täglich zu Unfällen."

Schon am Dienstag waren die Grünen vor Ort: Spitzenkandidatin Renate Künast, die verkehrspolitische Fraktionssprecherin Claudia Hämmerling und Pankows Ordnungsstadtrat Jens-Holger Kirchner, der praktischerweise hier am Südzipfel seines Bezirks zuständig ist. Er versprach: "Eine Absenkung des Bürgersteigs kann innerhalb von zwei Wochen realisiert werden."

Damit die gute Tat auch jemand mitbekommt, hatten die Grünen Pressevertreter eingeladen, Renate Künast zu begleiten, wenn sie "Aufgaben, die Berliner Bürger den Grünen mit dem Online-Tool ,Da müssen wir ran!' gestellt haben" besucht.

Dummerweise werden Probleme auch andernorts im Internet benannt. Mehrere Blogger enttarnten den Bürger Andreas Gebhard umgehend als Geschäftsführer von newthinking - exakt die Agentur, die die tolle Webplattform der Grünen entwickelt hat. Die Kommentare im Internet sind zahlreich und eindeutig: "Ungeschickt", "PR-Stunt", "wirklich doofer Anfängerfehler", lauten die harmlosen.

Mittlerweile hat Gebhard selbst eine lange Erklärung zur "Simulation der Realität" ins Netz gestellt. "Mir war von Beginn an klar, dass ich die Plattform auch selbst nutzen würde", schreibt er. Deshalb habe er den Unfallschwerpunkt vor seiner Bürotür auf die Seite gestellt. Dass die Grünen zum Vor-Ort-Termin auch die Presse eingeladen hatten, habe er nicht gewusst. "Im Nachhinein hätte ich wohl besser darauf verzichtet, auf das Problem hinzuweisen, um keine Angriffsfläche zu bieten", schreibt Gebhard.

Am Donnerstag reagierten auch die Grünen. Dass ausgerechnet Gebhards Beitrag ausgewählt wurde, "wirft ein nicht ganz so gutes Licht auf das Unterfangen", räumt Künasts Sprecher Andreas Schulze in einer langen Internet-Erklärung ein. Das ändere aber nichts am Charakter der Kampagne. Man überprüfe nicht, wie nah die Leute, die einen Pin setzen, der Partei stünden.

Den Bürger Andreas Gebhard hätte man in der Partei aber auch ohne Prüfung kennen können: 1999/2000 war er Bundessprecher der Grünen Jugend. GA

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9 Kommentare

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Kommentarpause ab 30. Dezember 2024

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  • RS
    Roland Schröder

    Stadtrat Kirchner leidet offenkundig an Amnesie

     

    Die Verkehrssituation an der Kreuzung Torstraße/Schönhauser Allee wurde von den Grünen Hämmerling, Künast und Kirchner begutachtet. Kirchner versprach schnelle bauliche Veränderung, wie im Artikel. Als genau diese Kreuzung von der SPD im Spätsommer/Herbst 2010 im Rahmen einer Kleinen Anfrage thematisiert wurde, um anhand der Beantwortung Maßnahmen zu ermitteln, die dann in einen Antrag an die BVV Pankow eingeflossen wären, antwortete Kirchner noch ganz anders und lehnte bauliche Veränderungen ab.

     

    In der Beantwortung vom 22.09.2010 schloss sich Kirchner der Position der Verkehrslenkung Berlin an, die keinen Unfallschwerpunkt und keinen Handlungsbedarf sah. Kernaussagen der Beantwortung der Kleinen Anfrage sind:

     

    1. Nach den vorliegenden Unfallzahlen vom 01.01.2009 bis zum 31.07.2010 kam es am Knotenpunkt Schönhauser Allee/Torstraße lediglich zu einem Unfall mit Radfahrerbeteiligung" durch Nichtbeachten der Vorfahrt. Die Unfalllage kann insgesamt als unauffällig betrachtet werden.

    2. Die Verkehrsregelung am Knotenpunkt ist eindeutig und für alle erfassbar.

    3. Unabhängig vom aktuellen Antrag wurde seitens der VLB die Verkehrssituation bereits über einen längeren Zeitraum beobachtet. Die Rechtsabbieger verhielten sich verkehrsgerecht und haben die Vorfahrt der Radfahrer regelmäßig beachtet.

    4. Eine Änderung der Verkehrsregelung ist aufgrund der o. a. Ausführungen weder erforderlich noch unter den vorhandenen baulichen Voraussetzungen möglich.

     

    Insofern sind die Ausführungen von Stadtrat Kirchner, Frau Hämmerling und wem auch sonst noch als Grünes Wahlkampfgetöse ohne fachlichen Hintergrund einzustufen und sollen den Wählerinnen und Wählern offenbar Sand in die Augen streuen und Lösungkompetenz vorgaukeln.

     

    Die Beantwortung der Kleinen Anfrage "Verkehrssicherheit an der Kreuzung Schönhauser Allee/Torstraße" kann mensch hier vollständig ansehen: http://spdnet.sozi.info/berlin/nordos/rschroeder/dl/VI-0641_Verkehrssicherheit_an_der_Kreuzung_Schoenhauser_Allee_-_Torstrasse.pdf

     

    Roland Schröder,

    verkherpolitischer Sprecher der SPD-Fraktion Pankow

  • KM
    Klaus Meyer

    Erst des Astroturfings überführt werden und nun stellt sich auch noch heraus, dass Pankows grüner Stadtrat Kirchner die Beseitigung der Gefährdungsstelle abgelehnt hat: http://www.spd-berlin-nordost.de/index.php?nr=5984&menu=1

  • A
    Adler

    Selten so gelacht !

     

    Ich finde es immer wieder faszinierend für wie extrem blöd die Grünen die WählerInnen halten.

     

    Die Auseinandersetzung mit den Anliegen von BürgerInnen, die nicht für die Partei BÜNDNIS 90/Die GRÜNEN arbeiten, ist den Grünen offenbar zu anstrengend. Denn die sind ja mitunter richtig (partei-)kritisch. Igittigitt!

     

    Viele Leute schreiben meines Wissens den Grünen, in den Bezirken in denen sie mitregieren seit Jahren, wo sie mal "ran" müßten. Getan hat sich trotzdem in den seltensten Fällen etwas.

     

    Mit ihrem Gerede von mehr Bürgerbeteiligung ist es bei den Grünen eben nicht weit her.

     

    Durch diese unterirdische Aktion haben sie das sehr schön nochmal selbst unübersehbar bewiesen.

     

    Da simulieren sich die Grünen ihre Bürgerinnen- Anfragen selbst, auf die sie dann praktischerweise mit einer tollen Presseinszenierung reagieren.

     

    Die BILD - Zeitung lässt grüßen!

  • P
    Peter

    Ihr habt vielleicht Probleme...was ist denn daran jetzt sooo schlimm?

  • R
    robin

    Viel Wirbel um (fast) nichts.

  • A
    aurorua

    TOLL!

    Diese FLASCHEN-PFAND Partei.

  • GP
    gabriel platt

    na und? NA UND??!!

     

    ich wohne auch an der ecke und fahre da fahrrad.

     

    ja, ich kenne sogar andreas gebhard flüchtig.

     

    soll er jetzt sein anliegen von jemand anderem posten lassen?

     

    get a life, echt

  • OV
    Oranienstrasse verlängern

    Wenn Rudi Dutschke wüßte, daß in der Rudi Dutschkestrasse 3 das (Zwangs)Arbeitsamt ist, würde er sich im Grabe umdrehen.

  • W
    Weinberg

    Die Grünen sind lernfähig – selbstverständlich auch im ABKUPFERN!