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Kommentar zu DatenbankPolizeilicher Größenwahn

Christian Rath
Kommentar von Christian Rath

Die Polizeigewerkschaft wünscht sich eine Datei für auffällig gewordene Bürger. Die Reaktion auf das Attentat in Oslo führt offenbar zu totalitären Gedanken.

W as für eine Idee! Die Gewerkschaft der Polizei fordert allen Ernstes, nach dem Anschlag von Norwegen solle eine Datei "auffällig gewordener Personen" eingerichtet werden. Internetnutzer sollen Menschen mit "kruden Gedanken" bei der Polizei melden, dort könne man sie "registrieren und identifizieren".

So denkt der moderne Polizist: Alle in eine Datei, zu irgendwas wird das schon gut sein. In Deutschland leben aber schätzungsweise zwanzig Millionen auffällige Menschen. Die einen haben ein geschlossenes rechtsradikales Weltbild, die anderen hängen nur seltsamen Verschwörungstheorien an. Viele glauben inbrünstig, man müsse die Welt vor dem Bösen retten, den Muslimen, den Juden, dem Imperialismus. Manche sagen so etwas offen; bei anderen ist gut vorstellbar, dass sie es denken.

Alle in eine Datei! Und dann? Müssen sie einmal im Jahr zum Polizeipsychologen? Oder wird das Telefon abgehört, der Computer ausgespäht und regelmäßig die Wohnung durchsucht, damit man bloß nichts verpasst? Millionen Polizisten beargwöhnen Millionen auffällige Menschen.

CHRISTIAN RATH

ist rechtspolitischer Korrespondent der taz. Er lebt und arbeitet in Freiburg.

Der Vorschlag ist zumindest lehrreich. Er zeigt, zu welch totalitären Gedanken es führt, wenn man versuchen will, langfristig geplante, mit hoher krimineller Energie vorbereitete Verbrechen schon im Ansatz zu verhindern. Hier sollten Sicherheitsbehörden und Kriminalpolitiker einfach ehrlich sagen: "Das können wir nicht".

Auch die Vorratsdatenspeicherung, die gestern quasi routinemäßig gefordert wurde, bringt gegen Einzeltäter ohne Komplizen naturgemäß wenig bis nichts. Es gibt aber einen Trost: Die wenigsten "auffälligen" Menschen sind so verbohrt, dass sie sich jahrelang akribisch auf ein Verbrechen vorbereiten. Die meisten Fanatiker haben keine Geduld, wollen gleich zuschlagen. Sie machen Fehler, die eine gut ausgebildete Polizei erkennt. Darauf sollten sich die Sicherheitsbehörden konzentrieren. Alles andere ist gefährlicher Größenwahn.

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Christian Rath
Rechtspolitischer Korrespondent
Geboren 1965, Studium in Berlin und Freiburg, promovierter Jurist, Mitglied der Justizpressekonferenz Karlsruhe seit 1996 (zZt Vorstandsmitglied), Veröffentlichung: „Der Schiedsrichterstaat. Die Macht des Bundesverfassungsgerichts“ (2013).
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22 Kommentare

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  • P
    Pensionär

    Millionen Menschen beobachten die deutsche gewaltbereite und zru Gewalt trainierte Polizei, die langsam aber sicher Euroeinheitsbruatlitätische Konturen annimmt. Deutsche Polizei schießt immer öfter, immer schneller und präziser. Ähnlich wars 1936 als Polizei sich vom korrupten Nazipack instrumentalsieren ließ. (Heissler lässt grüßen) Europaweit wird Spezialpolizei ausgebildet die im Ernst- und Ausnahmefall - zB. Greece oder Spain - einlaufen soll um die Deoms und Belagerungen sofort aufzulösen. Begründet wird das mit dem Hinweis. Man wolle den Eindruck vermeiden eigene Landleute würden gegen eigene Bürger einschreiten. Wir bauen eine Datenbank auf in der für alle Internetuser zu sehen wie brutal deutsche /europäische Polizei bei Demos und Großveranstaltungen vorgeht. 102 Videos haben wir schon.

     

    Sag mir einmal einer für wie blöde uns diese EU diktatorischen, größenwahnsinnigen Bürokraten halten?

     

    ps. Ej - Verfassungschutz, ja du, der du gerade schaust wohin ich diese Mail schicke .. Du, ich sende Sie an die TAZ - meine LIeblingszeitung.

  • K
    Karola

    Ich denke, Deutschland kann immer noch nicht anders als nach Bestrafung,Überwachung, Kontrolle, Denunziation zu rufen. Zu lange und zu intensiv haben 2 Diktaturen die Menschen geprägt.

     

    Statt sich nun bewußt, immer wieder und konsequent den domokratischen Werten zuzuwenden, fallen sowohl Politiker als auch viele BürgerInnen immer wieder zurück in diese alten Denkgewohnheiten, von strafen, kontrolieren, bewachen und anschwärzen.

     

    Demokratie erfordert dauernde Reflexion, Diktur nur befehlen, gehorchen, bestrafen.

  • M
    Männe

    Das läßt einem schon das Blut in den Adern erfrieren.

    Ein Gewerkschafter (Witthaut) der Polizei kommt auf die Gedanken, für aufällige Menschen eine Datenspeicherung vorzunehmen.

    Eigentlich sollte solch eine Person sofort von seinem Posten abgelöst werden.

    Dieser Gewerkschafter sollte sich um die Beseitigung von Schlägern aus der Polizei kümmern.

    Da werden andere Staaten beschimpft und beschuldigt, sie würden die Menschen bespitzeln und dieser Staat mit seiner Polizei ist kein Deut besser.

    Andere Staaten sind eben Schurkenstaaten und die BRD ist eben ein Unrechtstaat.

  • M
    Manuelito

    und was, wenn ich die islamfeindlichen ausführungen eines thilo sarrazin als "krude gedanken" bei der polizei melde? kommt sarrazin dann automatisch auf die liste? oder gibt es da eine institution, die "gemeldete krude gedanken" auf "wirklich krude gedanken" überprüft und die "vermeintlich kruden gedanken" rausfiltert? und was, wenn der filterbeamte meine sarrazin-einstufung seinerseits als "kruden gedanken" empfindet? komme dann ich auf die liste und sarrazin nicht? und erfahre ich davon, daß sarrazin rausfiel und ich statt seiner drin bin?

  • KB
    klaus baum

    Was als krudes Denken empfunden wird, hängt zumindest auch vom Bildungsgrad des "Beobachters" ab. Für bildungsferne Gemüter ist das Denken der meisten Philosophen oder das vieler Schriftsteller krude. Bei letzteren denke ich gerade an Kafka und Beckett.

    Der polnische Aphoristiker Stanislaw Jerzy Lec meinte einst im kommunistischen "Ostblock", in dem die Meinungsfreiheit eingeschränkt war: "Sprich weise, der Feind hört mit." Man könnte dies so deuten, dass philosophische Rede von geistig minderbemittelten Überwachern nicht verstanden wird.

    Übertragen auf die Pläne der Polizei, dass Bürger Bürger denunzieren sollen, sorry, nicht denunzieren, sondern melden sollen, bedeutet das: Man kann schon angezeigt werden, wenn man beispielseise Adorno im Netz zitiert.

    Ich erwähne Adorno deshalb, weil Leute, die Adorno im Internet zitiert haben, mit einer Klage wegen Volksverhetzung überzogen worden sind.

    Da ich vermute, dass man hier keine Links setzen darf, empfehle ich, mit dem folgenden Zitat zu googeln, hei dem ich übrigens zweifle, ob es so von Adorno stammt.

    "Ich fürchte mich nicht vor der Rückkehr der Faschisten in der Maske der Faschisten, sondern vor der Rückkehr der Faschisten in der Maske der Demokraten."

    Zu Zeiten der DDR lief in der ARD ein Film über DDR-Grenzer, die sich gegenseitig überwachen. Ein Satz ist mir im Gedächtnis geblieben: Misstrauen ist die Grundlage unseres Staates.

    Wenn jeder jeden im Internet überwacht, bekommen wir eine Kultur massiven Misstrauens und gegenseitiger Bespitzelung.

  • WK
    Wolfgang Klein

    Super Idee, so eine Meldestelle für Personen mit "kruden Gedanken". Wo bitte geht es zu der Liste? Ich möchte da nämlich gleich mal Herrn Sarrazin und Herrn Wunderlich eintragen.

     

    Solche Leute müssen dringend überwacht werden, aber nicht von den Medien, die ihnen ständig wieder ein Forum für ihr reichlich dunkel eingefärbtes Gedankengut bieten.

  • O
    Orwell

    Die DDR ist seit ca. 21 Jahren tot, die Stasi 1.0 Geschichte.

    Beschäftigt euch lieber mit der Stasi 2.0 der BRD GmbH - der Blockwart kommt!

  • M
    Manuelito

    was, wenn ich zB die islamfeindlichen ausführungen eines thilo sarrazin als "krude gedanken" bei der polizei melde? kommt sarrazin dann automatisch auf die liste? oder gibt es da eine institution, die "gemeldete krude gedanken" auf "wirklich krude gedanken" überprüft und die "vermeintlich kruden gedanken" rausfiltert? und was, wenn der filterbeamte meine sarrazin-einstufung seinerseits als "kruden gedanken" empfindet? komme dann ich auf die liste und sarrazin nicht? und erfahre ich davon, daß sarrazin rausfiel und ich statt seiner drin bin?

  • F
    Ferdinand

    Es drängt sich die These auf, wonach ein Markus Wolf eigentlich ein Visionär war, der dummerweise seiner Zeit voraus war.

    Ob das nun gefährlich ist? Und vor allem für wen?

  • D
    daswois

    Hier sogleich ein erster Hinweis: bewaffneter norwegischer Biobauer kauft sechs Tonnen Kunstdünger und schickt 1500 seitenlange e-mails...

  • VT
    Vladimir Tschluckoulouh

    Eine prima Idee, diese Datei "auffällig gewordener Personen". Dann können wir alle wieder beruhigt zur Arbeit gehen, ruhig schlafen und sicher in Urlaub fahren. Und unsere "Spareinlagen" und "Vermögenswirksamen Anlagen" sind dann auch wieder sicher. Die Bösen werden eingesperrt und es gibt Frieden und gute Renditen im Land.

    Das ist doch was, oder?

  • I
    Ilmtalkelly

    Eine Warndatei aus Hinweisen der Bevölkerung ? Die Aussicht, das die Polizei den pot. Täter auf die Weise findet, ist zu unwarscheinlich, als das man eine Welle an Denunziationen lostreten sollte, deren Erhebung ganz andere Möglichkeiten für die Polizei eröffnete. Es ist davon auszugehen, das sich zahlreiche Denunzianten finden, denen es liegt, ihnen unliebsame Personen in Polizeiregistratur zu bringen. Das gab es schon in Hitlers Deutschland.

  • V
    vic

    Schwarz schlägt aus jeder Schweinerei noch Profit raus. War klar, dass die reflexartig nur zu gerne mit verschärften "Sicherheits"gesetzen reagieren würden.

    So eine super Gelegenheit lässt man als strammer Christdemokrat nur ungern verstreichen.

  • MM
    Maria Meiser

    Die wissen doch eh alles über uns, wo wir uns befinden. Dank Handy, was ich natürlich auch besitze, usw.

  • P
    PeterWolf

    Ihrem Kommentar kann ich mich 100 % anschließen.

    Von der GDP gabs früher wirklich geistreicheres.

     

    Viele Grüße

  • W
    wolf1366

    Gibt genug ehemalige Stasi-Mitarbeiter die wertvolle Tips geben können,zwecks Daten sammeln. Oder sind Sie schon angekommen in bestimmten Stellen? Sieht so aus! Upps, bin ich jetzt auffällig???

  • JR
    John Rambo

    Dann bin ich wohl der erste der in dieser Datenbank Platz finden wird! Da ich mich vorgestern auf der Polizeigewerkschaftsseite so richtig ausgekotz habe! Meine Beiträge wurden zwar laufend gelöscht, solange bis der Administrator eingeschlafen war.

     

    Aber was die da veranstalteten war echt nur noch megapeinlich!

    Alle Bullen haben in dem Forum ihr Beileid ausgesprochen und konnten es aber nicht lassen gleichzeitig den totalen Überwachungsstaat zu verlangen.

    Da wurde zuerst über die Al Kaida und Islamistische Fantiker gehetzt. Bis dann auch der Letzte dieser Nichtsnutze kapiert hatte, dass das ein Norweger war der genau das Gegenteil bewirken wollte.

     

    Na ja steh ich halt auf der Liste! Pech!

  • E
    EuroTanic

    Eine Datei mit Namen aller auffälligen Personen finde ich gut. Da kommen erst mal alle Namen vergangener und derzeitiger PolitikerInnen rein. Die verhalten sich im Gegensatz zum Normala sehr auffällig :D

  • T
    tfunker

    Nana, nicht gleich eine gute Idee verwerfen!

     

    Mit zusätzlichen (z.B. inoffiziellen) Ermittlern könnte das Problem der Arbeitslosigkeit auf dem Gebiet der ehemaligen DDR endgültig gelöst werden. Wer Berufserfahrung vorweisen kann, wird gleich zwei oder drei Gehaltsstufen höher bezahlt.

     

    Wär zu storg sächseld, gonn ober leider ni im gesommden Bundesgebied würgsam wörden, oder nur om Gombjuder räschärschürn.

  • X
    xsirup

    Ob diese Liste der Begehrlichkeiten in den Händen der Sicherheitsorgane richtig untergebracht ist, scheint zweifelhaft. Die Wirklichkeit ist eine andere, dass diese Liste bereits existiert. Dort wo wir sie am wenigsten korrigieren können. In unseren weich erhobenen Daten. Diese sind noch weniger klar zu erfassen oder handhabbar, als nüchterne Profildaten. Das mögliche maximal Szenario ist allerdings noch in jeder Richtung offen. Dass Anfänge gemacht sind, zeugt über die Machbarkeit. Die derzeitige Verwendung des technisch möglichen, lässt an der demokratischen Grundordnung zweifel. Naiver Dilletantismus gepaart mit größenwahnsinnigen Phantasien, passt wenig in die Wirklichkeit. Noch dazu, wenn dieses mit bürgerlichem Seepferdchen Wissen gewürzt, schlussendlich zur traurigen Belustigung der Massen dient.

     

    Schweine im Gang und am Gang erkennen. Das wird mit der hier geforderten elektronischen Profilbildung quasi ausgeschaltet.

    Das nicht in der Hand von Sicherheitsbehörden.

    Diese Aufgabe hat die Gesellschaft zu tragen. Wenn rechtliche Grundlagen, für diese Art von Zivilschutz nötig sind, braucht es hier den Gesetzgeber. Der Schuss der GdP hat gewisse Berechtigung. Scheitern wäre bedauerlich, ausnahmslos.

  • RE
    Rah Ering

    Ausgerechnet die konservative Deutsche Polizeigewerkschaft DPolG (um harte “law & order-Forderungen“ sonst nie verlegen) ist gegen die “Datei für Verrückte“. Die Gewerkschaft begründet dies u.a. mit der mangelnden Rechtsgrundlage. Der DPolG-Bundesvorsitzende, Rainer Wendt, hierzu: “Das ist doch hanebüchener Unfug und eine totale Überreaktion. Abgesehen davon, dass nirgends eine Rechtsgrundlage für eine solche Datei vorhanden ist, wird hier suggeriert, dass man mit technischen Mitteln entschlossene Einzeltäter frühzeitig aufspüren und unschädlich machen könnte. Die Wahrheit ist, dass das nicht möglich sein wird und wir akzeptieren müssen, dass das Ausrasten einzelner Verrückter nicht zu verhindern ist.“(...)

    Mir gibt die Forderung der Gewerkschaft der Polizei (GdP) nach dieser “Warndatei“ zu denken. Sollte es tatsächlich so sein, dass die beiden Polizeigewerkschaften die Rollen getauscht haben? Also, die DPolG nun liberal geworden ist und die GdP dafür konservativ?

  • CP
    Carsten Posingies

    Witthaut scheint ein Kenner des Konzepts des Overton-Fensters zu sein. Hierbei fordert man eine recht absurde Sache (etwa die Vorratsdatenspeicherung) und wenig später eine völlig absurde (die krude Datei). Und schon erscheint die erste Idee im Vergleich relativ vernünftig.

     

    Besonders zupass kommt ihm dabei, dass der Attentäter in Norwegen aus dem Nichts gekommen zu sein scheint. Jedenfalls stellen es relativ viele Medien so dar. Allerdings hatte Breivik in der Vorbereitung des Bombenanschlags (legal) tonnenweise Stickstoffdünger gekauft und war (legal) im Besitz einer automatischen Waffe. Ersteres würde in Deutschland ganz ohne krude Datei die Alarmglocken bei den entsprechenden Stellen läuten lassen, Zweiteres wäre schlicht nicht möglich.

     

    Witthaut vergleicht also bewusst Äpfel mit Birnen, nutzt die diffuse Angst vor Terror und fordert kompletten Nonsens, um etwas weniger kompletten Nonsens als vernünftig erscheinen zu lassen.

     

    Ist das noch krude oder schon gefährlich?