Plagiate in Doktorarbeit: Nächster Doktortitel futsch
Die FDP hat einen Würdenträger weniger. Jorgo Chatzimarkakis verliert den Doktortitel. Die Arbeit der FDP-Politikerin Margarita Mathiopoulos wird ebenfalls geprüft.
BONN dpa/afp/dapd | Der FDP-Europapolitiker Jorgo Chatzimarkakis verliert seinen Doktortitel. Der Fakultätsrat habe einstimmig beschlossen, ihm die Doktorwürde abzuerkennen, sagte der Dekan der philosophischen Fakultät der Universität Bonn, Prof. Dr. Günther Schulz, am Mittwoch. In der Dissertation habe es zahlreiche Fälle gegeben, in denen sich aus anderen wissenschaftlichen Arbeiten entlehnte Passagen gefunden hätten, die nicht als wörtliche Übernahme gekennzeichnet waren.
Chatzimarkakis habe Texte anderer Autoren eingefügt, deren Anfang und Ende jedoch nicht durch Anführungszeichen gekennzeichnet. Die Kommission stellte fest, dass mehr als die Hälfte des Textes aus fremden Federn stammt. Das genüge nicht den Anforderungen an eine Doktorarbeit, sagte Schulz.
Zuvor hatte Chatzimarkakis erklärt, er wolle um seinen Doktortitel kämpfen. Bei einem Entzug des Titels werde er eine zweite Dissertation schreiben, kündigte der saarländische Europaabgeordnete in der Saarbrücker Zeitung an. Plagiatsfahnder von der Website "VroniPlag" hatten eine Reihe von angeblichen Plagiaten in der Doktorarbeit aufgelistet.
Der FDP-Politiker bekräftigte, für seine politikwissenschaftliche Doktorarbeit gelte: "Keine Stelle ohne Quelle." Kein einziger Text sei aus einem Werk übernommen worden, das nicht in einer Fußnote oder im Literaturverzeichnis auftauche. In seinen Dissertations-Regeln stehe lediglich, "fremdes Gedankengut ist kenntlich zu machen". Eben dies habe er schriftlich erklärt und sich dran gehalten.
Seine Zitierweise sei vielleicht missverständlich, räumte Chatzimarkakis ein. Doch diese methodische Schwäche sei bereits bei der Prüfung seiner Dissertation benannt und bei der Notengebung berücksichtigt worden. Chatzimarkakis hatte für die im Jahr 2000 vorgelegte Arbeit die Note "Drei" erhalten. Die Dissertation trägt den Titel "Informationeller Globalismus: Kooperationsmodell globaler Ordnungspolitik am Beispiel des elektronischen Geschäftsverkehrs".
Doktorarbeit einer weitern FDP-Politikerin wird geprüft
Die Universität Bonn nimmt nach zahlreichen Plagiatsaffären auch die Doktorarbeit einer weiteren FDP-Politikerin unter die Lupe. Die Dissertation der Unternehmerin und Wissenschaftlerin Margarita Mathiopoulos werde erneut überprüft, teilte die Hochschule mit. Die Doktorarbeit war bereits Ende der 80er Jahre in die Kritik geraten. Damals seien zwar handwerkliche Mängel, jedoch keine Verfehlungen festgestellt worden, die zur Aberkennung des Titels geführt hätten.
Den Anstoß für die erneute Revision lieferten Plagiatsfahnder im Internet. Die Arbeit soll demnach zahlreiche wörtliche Übernahmen ohne die wissenschaftlich notwendige Kennzeichnung enthalten. "Insofern hat sich eine neue Sachlage ergeben", sagte der Dekan der Philosophischen Fakultät, Günther Schulz. Mathiopoulos solle sich in dem Verfahren zu den Vorwürfen äußern können. Die Plagiatsfahnder von "VroniPlag" wollen auf fast 46 Prozent der Seiten der Dissertation fündig geworden sein.
Mathiopoulos' Doktorarbeit mit dem Titel "Amerika: Das Experiment des Fortschritts - Ein Vergleich des politischen Denkens in Europa und in den USA" war 1987 veröffentlicht worden. Nach der damaligen Kritik war die Arbeit nur stichprobenartig untersucht worden.
Brandt wollte Mathiopoulos als Sprecherin
Mathiopoulos war 1987 in die Schlagzeilen geraten, weil der damalige SPD-Vorsitzende Willy Brandt die parteilose Politikwissenschaftlerin zur Parteisprecherin ernennen wollte. Nach Empörung in der Partei zog Mathiopoulos ihre Bewerbung zurück. Dennoch trat Brandt in Folge der Affäre als SPD-Chef zurück. Laut ihrer Internetseite arbeitet Mathiopoulos heute als Unternehmerin und Honorarprofessorin für US-Außenpolitik und Internationale Sicherheitspolitik an der Universität Potsdam.
Zuletzt war der FDP-Europaabgeordneten Silvana Koch-Mehrin, Ex-Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU) und der Tochter des ehemaligen bayerischen Ministerpräsidenten Edmund Stoiber (CSU), Veronica Saß, der Titel aberkannt worden. Alle drei hatten aus Sicht der Hochschulen eindeutig abgeschrieben. Auch die Dissertation des niedersächsischen Kultusministers Bernd Althusmann (CDU) steht in der Kritik.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Hoffnung und Klimakrise
Was wir meinen, wenn wir Hoffnung sagen
+++ Nachrichten im Ukraine-Krieg +++
Slowakischer Regierungschef bei Putin im Kreml
Rechte Gewalt in Görlitz
Mutmaßliche Neonazis greifen linke Aktivist*innen an
Künstler Mike Spike Froidl über Punk
„Das Ziellose, das ist doch Punk“
Abschiebung erstmal verhindert
Pflegeheim muss doch nicht schließen
Lohneinbußen für Volkswagen-Manager
Der Witz des VW-Vorstands