Horrorgeschichten von Hausangestellten: Sklaven in Saudi-Arabien
Weibliche Haushaltshilfen werden in Saudi-Arabien häufig misshandelt und wie Sklaven ausgebeutet. Ihre Arbeitgeber werden dafür nur selten belangt.
BERLIN taz | Die Haushaltshilfe Maria Estramo (*) musste 20 Stunden am Tag arbeiten, sieben Tage die Woche. Ihr Arbeitgeber beschimpfte sie als "Hund" und "Stück Scheiße", schlug ihr ein paar Mal ins Gesicht und drohte ihr mit Ausweisung, sollte sie sich beschweren. "Die Familie behandelte mich wie eine Sklavin", sagt die 33-Jährige.
Das hört sich bekannt an? Es ist die Geschichte einer philippinischen Haushaltshilfe, die 14 Monate in einem saudischen Haushalt in Riad gearbeitet hat. Doch die Parallelen zu dem gerade in Berlin bekannt gewordenen Fall des saudischen Diplomaten, der seine Haushaltshilfe wie ein Sklavin gehalten haben soll, enden dort nicht. In der großen Mehrheit der Fälle in Saudi-Arabien werden die Arbeitgeber, die ihre Haushaltshilfen gequält und geschlagen haben sollen, nicht belangt. Der saudische Diplomat dürfte also in seinem Heimatland straflos ausgehen, sollte er in Berlin nicht vor Gericht gestellt werden können.
Geschätzte neun von zehn saudischen Haushalten beschäftigen Haushaltshilfen, die meist aus Indonesien, den Philippinen und Sri Lanka kommen. In vielen Fällen erinnern ihre Arbeitsbedingungen an moderne Sklaverei. Sie arbeiten den ganzen Tag, haben keinen freien Tag, und das für umgerechnet 140 Euro im Monat. Viele werden gar nicht bezahlt, manche jahrelang nicht.
Die zwei englischsprachigen Tageszeitungen in Saudi-Arabien, die vor allem von asiatischen Arbeitern gelesen werden, bringen fast im Wochentakt Horrorgeschichten von Haushaltshilfen, die weit über schlechte Arbeitsbedingungen hinausgehen. Im Juni wurde eine Haushaltshilfe aus Sri Lanka aus einem Haushalt im südwestlichen Jizan befreit. Sie war 13 Jahre von ihrem Arbeitgeber ohne Bezahlung festgehalten worden. Schon im Februar war der Fall einer srilankischen Frau bekannt geworden, die 17 Jahre als Sklavin gehalten wurde. Als sie gerettet wurde, hatte sie ihre Muttersprache vergessen und "verhielt sich wie ein Roboter", schrieb eine Zeitung.
Druck der internationalen Presse
"Täglich werden uns sechs bis zehn Fälle gemeldet, in denen Haushaltshilfen behaupten, sexuell missbraucht oder geschlagen worden zu sein.", sagt John Monterona von Migrante Middle East, einer Lobbygruppe philippinischer Gastarbeiter. "Leider jedoch", so Monterona, "werden die saudischen Behörden nur aktiv, wenn die internationale Presse die Fälle aufgreift." Selbst dann seien die Ergebnisse oft haarsträubend.
Monterona zitiert den Fall der philippinischen Haushaltshilfe Romelyn Eroy-Ibañez, über den die englischsprachigen Zeitungen im Herbst 2010 berichteten. Sie wurde mit mehreren Stichwunden in Rücken und Oberkörper in der Küche ihres Arbeitgebers in Dammam gefunden. Zudem waren Mund und Arme von Schwefelsäure verätzt. Die saudische Polizei attestierte jedoch einen Suizid.
Der Fall der indonesischen Haushaltshilfe Sumiati Bint Salan Mustapa machte international Schlagzeilen. Als die 23-Jährige im November 2010 von ihrer Arbeitgeberin bewusstlos in ein Krankenhaus in Medina gebracht wurde, hatte sie zahllose Verletzungen am ganzen Körper. Ihre Oberlippe war teilweise abgetrennt, offenbar mit einer Schere. Sie hatte schwere Verbrennungen an Kopf, Gesicht und Körper, wahrscheinlich von einem Bügeleisen. Rippen und Finger waren gebrochen, ihre Beine waren fast gelähmt.
Drei Jahre Haft wegen Menschenhandels
Die 53-jährige Arbeitgeberin behauptete, das Hausmädchen habe sich die Verletzungen selbst beigebracht. Nach einem Aufschrei in der internationalen Presse wurde die Arbeitgeberin jedoch zu drei Jahren Haft verurteilt - wegen Menschenhandels. Indonesiens Regierung kritisierte das Urteil als viel zu milde und legte Berufung ein. Im März sprach das Berufungsgericht die Arbeitgeberin aber frei. Laut einem Medienbericht weil die erste Instanz dem Dienstmädchen keinen Eid abgenommen habe.
Nach einem anderen Bericht, weil das Gericht nicht das Urteil in dem parallel laufenden Zivilverfahren abgewartet habe. Indonesiens Regierung legte erneut Berufung, aber der Anwalt der Arbeitgeberin gab nach dem Freispruch bekannt, seine Klientin wolle nun Schadenersatz von umgerechnet sechs Millionen Euro. Sowohl die philippinische als auch die indonesische Regierung verhandeln gerade mit Saudi-Arabien über bessere Arbeitsbedingungen für Hausangestellte. Sie fordern 400-Dollar-Mindestlohn und dass saudische Familien nachweisen, dass sie sich Angestellte leisten können.
(*) Namen geändert
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Exklusiv: RAF-Verdächtiger Garweg
Meldung aus dem Untergrund
Anschlag in Magdeburg
Auto rast in eine Menschenmenge auf dem Weihnachtsmarkt
Wahlprogramm von CDU und CSU
Der Zeitgeist als Wählerklient
Anschlag auf Magdeburger Weihnachtsmarkt
Bestürzung und erste Details über den Tatverdächtigen
Kretschmer als MP von Linkes Gnaden
Neuwahlen hätten der Demokratie weniger geschadet
Streit um Russland in der AfD
Chrupalla hat Ärger wegen Anti-Nato-Aussagen