Doku über 40 Jahre Urlaub der Deutschen: Sextourismus in Oberbayern
"Wir Reiseweltmeister" (21 Uhr, ARD) zeigt, wie Deutsche seit den 40ern urlauben: Von Ruhpolding bis Indien, mit Interviews und Archivmaterial.
Schon klar, dass Urlaubsreisen in der Nachkriegszeit lange kein Thema sind. Ab 1949 beträgt der gesetzliche Jahresurlaub zwölf Tage. Geld hat niemand. Und als nach und nach wieder Urlaub gemacht wird, ist das populärste Ziel der Deutschen das oberbayerische Dorf Ruhpolding.
Erfahren kann man das in der ersten Folge von "Wir Reiseweltmeister". An drei Montagen werden jeweils zwei Jahrzehnte deutsches Reiseverhalten abgehandelt, und zwar so, wie man das von zeitgeschichtlichen ARD-Dokumentationen kennt: Auf das Zeitzeugeninterview mit dunkel gehaltenem Hintergrund folgt historisches Filmmaterial aus dem Archiv.
Allerdings soll als Neuerung in "Wir Reiseweltmeister" auch viel privates, auf Super 8 oder Video gedrehtes Filmmaterial zum Einsatz kommen. Aus den 50er Jahren gibt es selbstredend nur private Fotos. Dafür hat Regisseur Jobst Thomas Gesprächspartner gefunden, für die ihr Urlaub eine größere Bedeutung hatte.
Da ist zum Beispiel die Kielerin Hilde Wulff, die an Ruhpolding die Präsenz junger Männer schätzte und prompt einen heiratete. Und da sind die Trachtler, die vom Interesse der jungen Touristinnen laut Fremdenführer Sepp Buchauer im großen Stil erotisch profitierten - es muss eine Art innerdeutscher Sextourismus gewesen sein, damals in Oberbayern.
Dazwischen gibt es viele bekannte Geschichten wie die vom Speiseeis, das damals noch etwas Besonderes gewesen sei, die vom Plumpsklo und die vom Wirtschaftswunder als Grundlage für den Reiseboom in Richtung Italien. Generell wärmt die Dokumentation viel Bekanntes auf, um ein paar weniger bekannte Aspekte ohne Reibungsverluste anzudocken. Und so wirkt "Wir Reiseweltmeister" oft wie eine Einführung in die 1950er Jahre - manchmal arg schlicht, gesegnet allerdings mit liebevoll aufbereiteten Interviews.
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