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Windpark gegen BürgerwillenWindige Tricks

Die Gemeinde Nübbel entschied in einem Bürgerentscheid, keine Flächen für Windkraft auszuweisen. Doch die Anlagenplaner beantragen den Bau trotzdem.

Unerwünscht in Nübbel: ein Windpark. Bild: dpa

HAMBURG taz | Sie haben ihre Mitbürger nicht nur mit Öko-Argumenten umgarnt, damit diese Windkraftanlagen im Gemeindegebiet möglich machen: 100.000 Euro Zuschüsse an Vereine und Verbände im Ort sollte es unter anderem geben. Doch das Dorf war gespalten, am Ende gewannen die Windpark-Gegner. Mit einem Bürgerentscheid nahmen die Wähler im schleswig-holsteinischen Nübbel im März 2010 die Ausweisung von Eignungsflächen für Windkraftanlagen zurück. Die ist erforderlich, damit Windräder errichtet werden dürfen. Ergebnis: Der Ort Nübbel samt Umland bleibt windkraftfrei und das für mindestens zwei Jahre, so lange ist der Wählerwille bindend.

Doch klar ist die Lage nicht für die Genossenschaft Energiepark Nübbel (EPN), die den Windpark 1,5 Kilometer vor dem Ort erbauen wollte. Vorstand Holger Ohm sagt der taz: "Wir wollten das Projekt nicht sofort fallen lassen." Die Genossenschaft begab sich auf die Suche nach einem Weg, wie man den Park trotzdem umsetzen könnte und beantragte Anfang des Jahres die Baugenehmigung beim Landesamt für Landwirtschaft, Umwelt und ländliche Räume (LLUR). Damit wurde ein übliches Genehmigungsverfahren in Gang gesetzt.

Dabei entstehen Kuriositäten, weil auch die Gemeinde daran beteiligt wird - völlig unabhängig vom Ausgang des Bürgerentscheids zu den Eignungsflächen. Die Gemeindevertretung wurde gefragt, ob sie mit der Errichtung des Windparks einverstanden ist, ihr "Einvernehmen" gibt. Das erteilt sie in der letzten Woche und sorgt damit für große Aufregung.

Denn: Die Verwaltung des Kreises Rendsburg Eckernförde und auch die zuständige Amtsverwaltung Fockbek halten das Einvernehmen zum Windparkprojekt der Gemeinde für rechtswidrig. Der Gemeinderat dürfe sein Einvernehmen nicht geben, weil die planungsrechtlichen Voraussetzungen nicht vorliegen: Die ausgewiesenen Flächen fehlen - weil die Bürger es so wollten. Der leitende Verwaltungsbeamte des Amtes, Pierre Gilgenast, hat den Bürgermeister von Nübbel nun aufgefordert, die Entscheidung des Gemeindeparlaments zu überprüfen. Reagiert er nicht, übernimmt die Kommunalaufsicht des Kreises.

Was Bürgermeister Rudolf Ehlers tun wird, ist noch nicht entschieden. Er wundere sich, sagte er der taz, dass seinem Gemeinderat etwas zur Abstimmung gestellt werde, wenn der gar keine Wahl habe.

Es werde jeder Antrag geprüft, sagt Johannes Grützner vom Landesumweltministerium, dem das LLUR unterstellt ist. Das gilt auch bei ungewöhnlichen Rechtsauffassungen: Er erzählt, dass im Anhang des Antrags ein Rechtsgutachten beiliegt. Tenor: Man bräuchte keine Eignungsflächen für die Genehmigung. Für diese Fragen ist in Schleswig-Holstein das Innenministerium zuständig. Der Sprecher sagt: "Windanlagen dürfen nur in Eignungsgebieten stehen."

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6 Kommentare

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  • WS
    windstille Schnecke

    Volle Solidarität mit den Bürgern, die sich gegen die Verschandelung ihres Lebensraumes durch eine ineffektive und aus Öko-Opportunismus jetzt vorwärtsgepeitschte Fehltechnologie wehren.

     

    Abzuwarten bleibt, ob die Windkraftlobby mit Polizeigewalt ihre Ziele durchsetzen wird. Wahrscheinlich werden die linken Ökofanatiker dann Beifall klatschen.

  • V
    vic

    Ich denke, man muss den Leuten die Alternative zur sauberen Stromerzeugung deutlich vor Augen führen.

    Andernfalls werden wir aus der Atom- und Kohlefalle niemals rauskommen.

  • A
    Andreas

    Hier sieht man, an einem guten Beispiel, dass der "Subventionsbetrugsmafia für Wind und Solarenergie" jedes Mittel recht ist.

  • KH
    Kirsten Haas

    Ampeln zeigten Rot!

     

    Vor der Abstimmung des 13 köpfigen Gemeinderates war die Lage klar: Zwei Ampeln standen deutlich sichtbar für alle Gemeindevertreter auf Rot:

     

    Das Baugesetzbuch und der Bürgerentscheid.

     

    Trotzdem haben sich nur 5 Gemeindevertreter an die Verkehrsregeln gehalten und ihr Einvernehmen versagt. Die übrigen 7 Gemeindevertreter

    (1 Enthaltung) haben wissentlich die roten Ampeln überfahren. Autofahrer riskieren dafür für einen Monat ihren Führerschein. Welche Konsequenzen haben die Gemeindevertreter für ihr wissentlich rechtswidriges Abstimmen zu erwarten?

     

    Als Mitinitiatorin des Bürgerentscheids bin ich maßlos enttäuscht und entsetzt, dass hier in Nübbel die basisdemokratischen Grundwerte mit Füßen getreten werden!

     

    Kirsten Haas

  • BW
    Bodo Weber

    Wutbürger auch im hohen Norden!

     

    Da wird in einem basisdemokratischen Verfahren eine Entscheidung herbeigeführt, keinen Windpark zuzulassen.

    Und dann: Der Investor ignoriert ganz einfach den Bürgerwillen. Er stellt kurzerhand einen Bauantrag, der jedoch nach gültiger Rechtslage abzulehnen ist.

    Und dann:Die Gemeindevertretung fasst wissentlich(!)

    einen rechtswidrigen Beschluss und erklärt das Einvernehmen.

    Was ist nur los in Schleswig-Holstein?

    Bürgerwille zählt nicht, der Rechtsstaat wird nonchalant umschifft.

    Und dann? Wutbürger ist das Wort des Jahres 2010 - nicht nur in Stuttgart - jetzt weiß ich auch warum!

  • AP
    Anja Prehn

    Der Bericht zeigt auf, wie ein Bürgerentscheid als basisdemokratische Entscheidung mit einem ungewöhnlichen baurechtlichen Verfahren entwertet werden sollte:

     

    Wenn grundsätzlich irgendwo Eignungsflächen (=Positivflächen für Windenergienutzung) ausgewiesen sind, dürfen auf den verbliebenen übrigen Flächen keine Windkraftanlagen aufgestellt werden. Das sollte im Fall Nübbel umgangen werden, indem trotz fehlender Eignungsflächen direkt beim LLUR ein Bauantrag eingereicht wurde.

     

    Ohne rechtliche Voraussetzungen jedoch kann die Gemeinde ihr Einvernehmen nicht geben. Auf der einen Seite wundert sich jetzt ein Bürgermeister, dass er keine Wahl hat - auf der anderen Seite wundern sich die Bürger noch sehr viel mehr, dass ihre im Bürgerentscheid getroffene Entscheidung nicht berücksichtigt wird.

     

    Welchen Stellenwert hat ein Bürgerentscheid, wenn sich Gemeindevertreter moralisch nicht daran gebunden fühlen und auf Pfaden drumherum wandeln? Wenn die Bürgerinnen und Bürger vermehrt von ihrem Recht auf Mitbestimmung Gebrauch machen, wird Demokratie von politisch gewählten Entscheidungsträgern vorgelebt werden müssen.