piwik no script img

Parlamentsfernsehen wird eingeschränktBundestags-TV nur in der Mediathek

Schluss mit dem Parlamentsfernsehen: Medienwächter haben einem vom Bundestag finanzierten Piratensender nun einen Riegel vorgeschoben.

Haben weiterhin ihr Sendemonopol: Die öffentlich-rechtlichen Sendeanstalten. Bundestag-TV muss sein Programm abspecken. Bild: dapd

BERLIN taz | Das deutsche Parlament betreibt keinen Piratensender mehr. Der Streit über Bundestags-TV ist vorbei, denn die Verantwortlichen haben ihr Programm wieder abgespeckt.

Dem ging eine seltsame Posse voraus: Das Parlamentsfernsehen war in den vergangenen Jahren immer umfangreicher geworden. Wurden anfangs nur Bundestagsdebatten übertragen, kamen nun mit Interviews und Reportagen eigene redaktionelle Beiträge hinzu. Das wiederum alarmierte die Medienwächter, denn sie sahen den reinen Übertragungskanal auf dem Weg zum echten Rundfunkangebot. Und das geht nicht.

"Die derzeitige Rechtslage lässt ein Parlamentsfernsehen des Deutschen Bundestages nicht zu", stellte die zuständige Kommission für Zulassung und Aufsicht der Landesmedienanstalten fest, Rundfunk müsse schließlich staatsfern sein. Und dass der TV-Veranstalter - nämlich Parlamentspräsident Norbert Lammert - und das Verfassungsorgan namens Bundestag nicht ganz staatsfern sein können, ist allen klar. Sein Kanal sei also, nach Ansicht der Kontrolleure, ein Piratensender.

Seit kurz vor Ostern nun verzichtet der Lammert-Kanal darauf, alle eigenen redaktionellen Beiträge per Satellit auszustrahlen. Die werden aber noch produziert und finden sich nun im Internet - in der Mediathek des Bundestages.

Regeln und Grenzen

Der Fall hatte auch deswegen Aufsehen erregt, weil man gegen den Deutschen Bundestag und seinen Präsidenten nicht einfach ein Bußgeldverfahren eröffnen und den Sender abschalten lassen konnte - Stichwort: parlamentarische Immunität.

Bei der schon länger mit Bundestags-TV befassten Medienanstalt Berlin-Brandenburg (MABB) war man ebenfalls unglücklich. Hier wurde der Kanal 1999 gewissermaßen angemeldet. Die MABB hat schon vor Jahren eine eigene gesetzliche Regelung für den Parlamentskanal angeregt. Daraus wurde nichts, und die MABB ließ die Sache auf sich beruhen. Auch, weil "wir von unserem Standpunkt nicht zur Kontrolle aufgerufen waren, wie der Bundestag seine Befugnisse ausübt", sagt MABB-Direktor Hans Hege.

Leider sei vonseiten des Bundestages und seines Präsidenten "hier aber nichts passiert", so Hege. Doch je "mehr über die bloße Übertragung von Sitzungen hinaus gemacht wurde, je größer die Zahl klassischer redaktioneller Inhalte wurde", desto größer sei die Notwendigkeit geworden, genaue Regeln und Grenzen, was so ein Parlamentskanal machen dürfe, festzulegen.

Clinch mit Phoenix

Bundestags-TV war 1999 ursprünglich als Service für Abgeordnete, Ministerien und die Presse gestartet worden, um Parlamentssitzungen zu übertragen. Das Signal war verschlüsselt, nur Zugangsberechtigte konnten gucken. Doch im Laufe der Zeit rüstete Bundestags-TV nicht nur wie beschrieben inhaltlich nach, sondern sendete auch noch unverschlüsselt per Satellit und in Berlin per Kabel. Das rief auch ARD und ZDF auf den Plan, die mit Parlamentspräsident Lammert immer mal wieder wegen dessen Kritik am "Ereigniskanal" Phoenix im Clinch liegen. Lammert findet, der Bundestag komme bei Phoenix nicht genügend vor, und drohte häufiger mit eigenen TV-Aktivitäten.

ARD und ZDF sagten 2008 zwar eine Ausweitung der Bundestagsberichterstattung zu, wurden aber sauer - auch weil Phoenix, wie jüngst bei einer Befragung von Umweltminister Norbert Röttgen (CDU), immer mal wieder nicht übertragen darf. "Wenn Sie Ihr Unverständnis über die Reaktion von ARD und ZDF auf die Ankündigung der unverschlüsselten Verbreitung des Parlamentsfernsehens zum Ausdruck gebracht haben, dann möchten wir daran erinnern, dass auch wir für die Ausweitung der parlamentarischen Fernsehaktivitäten kein Verständnis aufbringen konnten", schreiben die ARD-Vorsitzende Monika Piel und ZDF-Chef Markus Schächter an den "lieben Professor Lammert".

Übrigens: Ein eigenes, mittlerweile ebenso unverschlüsseltes Bundesrats-TV gibt es auch schon. Dort findet bislang aber kaum redaktionelle Berichterstattung statt - weshalb die Medienwächter zunächst mal die Füßchen stillhalten.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

2 Kommentare

 / 
  • MS
    Michael Steinbrecher

    Zitat der Landes-Medienanstalt

    "Die derzeitige Rechtslage lässt ein Parlamentsfernsehen des Deutschen Bundestages nicht zu", stellte die zuständige Kommission für Zulassung und Aufsicht der Landesmedienanstalten fest, Rundfunk müsse schließlich staatsfern sein."

     

    Das ist doch Aberwitzig.

     

    Die zahlreichen Ministerpräsidenten und etliche anderen Politiker aller Parteien die in den jeweiligen Rundfunkräten der Öffentlich-Rechtlichen Sender sitzen,

    stören bei der "Staatsferne" wohl weniger.

     

    Dass ein Herr Beck sich seinen Geburtstag zur Hälfte vom ZDF finanzieren lässt ist natürlich ebenfalls Staatsfern.

     

    Dass wir ab 2013 eine Haushaltsabgabe bekommen, die faktisch eine Bundessteuer ist, ist wahrscheinlich auch Staatsfern.

     

    Ich denke diese sogenannten Medienwächter sollten mal die Augen aufmachen und sich die öffentlich-Rechtlichen Sender vornehmen, die sich einen Dreck um unsere Grundrechte und unsere Verfassung scheren.

  • T
    tvoderinternet

    Phoenix wäre allerdings ein eigenes Thema. Dort werden zwar sämtliche Gedenktage, Großdebatten oder Wahlsendungen übertragen. Aber wann immer in Deutschland (S21) oder der Welt (arab Revolution) was weltbewegendes jenseits von Parlamenten passiert, gucke ich auch bei Phoenix vorbei, und da läuft dann irgendeine Uralt-Doku in der x.ten Wiederholung oder 5 vergreiste Journalsten unterhalten sich über irgend was anderes, uninteressantes. Das kann es ja wohl echt nicht sein. Den Job, den Flügel-TV oder Al-Jazeera oder private youtube-Videos machen, müsste eigentlich auch Phoenix mit dem vielen Geld machen. Ich nehme mal an, dort sitzen sehr unflexible Parteigenossen-Redakteure, denen nichts ferner läge, als über aktuelle basisdemokratische Entwicklungen in Deutschland und der Welt zu berichten, solange der jeweilige Fraktionsvorsitzende sich noch nicht dazu geäußert hat. Reformbedarf!