piwik no script img

Polizeiübergriffe in FrankreichDen "Flics" sitzt der Colt oft locker

Nach zehnjähriger Tätigkeit wird die Beschwerdestelle für Polizeiübergriffe in Frankreich geschlossen. Sie veranlasste zahlreiche Verfahren gegen Beamte.

Ob die neue Beschwerdestelle gegen Arroganz und Willkür bei der Polizei helfen kann, ist fraglich. Bild: reuters

PARIS taz | Den Unterschied zwischen Willkür und Rechtsstaat macht in einer Demokratie eine Beschwerdestelle aus, die es den Bürgern und Bürgerinnen erlaubt, sich notfalls gegen den Missbrauch der staatlichen Autorität oder Gewalt zu wehren. Das gilt vor allem, wenn es um den bewaffneten Arm der Republik geht, der im Namen des Volks für die Aufrechterhaltung von Ordnung und Sicherheit zuständig ist. Gerade in Frankreich sind die "Flics" berüchtigt dafür, dass bei ihnen der Colt manchmal zu locker im Halfter sitzt.

Der Gang zum Richter mit einer Klage gegen Polizisten oder Gendarmen ist nicht einfach und nur selten von Erfolg gekrönt. Seit zehn Jahren gab es darum eine Beschwerdestelle, die den Bürgern helfen soll, im Fall von Machtmissbrauch, Übergriffen, Diskriminierung oder Rechtsverweigerung durch die Vertreter der Ordnungskräfte zu ihrem Recht zu kommen.

Jetzt wird diese Commission nationale de déontologie de la sécurité (CNDS) aufgelöst beziehungsweise zusammen mit anderen Ombudsleuten einem neu zu schaffenden Amt eines Anwalts der Bürgerrechte ("Défenseur des droits") untergeordnet. Ob dieser neue Ansprechpartner der Bevölkerung die Rechte und Freiheiten effizienter gegen die kalte Routine der Bürokratie oder Arroganz gewisser Beamten der Polizei, Gendarmerie und des Strafvollzugs verteidigen kann, wagt der bisherige Ombudsmann Roger Beauvois aufgrund seiner eigenen Erfahrung zu bezweifeln.

Mit seinem zehnten und letzten Jahresbericht zieht er eine sehr kritische Schlussbilanz der von ihm geleiteten französischen Beschwerdestelle für die Ordnungskräfte (Polizei, Gendarmerie, Strafvollzug). Er hat insgesamt 195 Anfragen behandelt. Trotz der ihm übertragenen Kompetenzen rannte er mit seinen Dossiers oft gegen verschlossene Türen.

Der scheidende CNDS-Chef spricht von Obstruktion, von Unterlagen, die plötzlich "verschwunden" oder sogar "gefälscht" waren, um fehlbare Beamte zu decken. Dennoch beantragte er in der Vergangenheit bei der Staatsanwaltschaft aufgrund der von ihm behandelten Beschwerden 9 Gerichtsverfahren wegen schwerer Missbräuche und 15 Strafuntersuchungen wegen geringerer Vergehen sowie Disziplinarverfahren in 29 weiteren Fällen.

Einsatz von Hartgummigeschossen

Vor seinem Abgang nutzt Beauvois die Veröffentlichung seines Jahresberichts auch, um gewisse "schlechte Praktiken" zu kritisieren, die nicht nur im Widerspruch zum Recht stehen, sondern das Image der Ordnungshüter in der Bevölkerung beeinträchtigen können. Als Beispiel nennt er namentlich "die Weigerung von Kommissariaten, Klagen gegen Polizeibeamte entgegenzunehmen und zu registrieren" sowie Verletzung der Vorschriften bei Verhören oder Identitätskontrollen.

Besonders warnt er zum Abschied vor dem übermäßigen oder unverhältnismäßigen und gefährlichen Einsatz der Hartgummigeschosse aus den so genannten Flashball-Pistolen, mit denen die Polizisten im täglichen Einsatz ausgerüstet sind. In letzter Zeit wurden mehrere Personen damit verletzt, in mindestens drei Fällen verloren diese dabei ein Auge, in Marseille starb ein von einem Flashball-Geschoss Getroffener. Eigentlich dürfen diese nur auf Distanz und weder auf den Kopf noch den Genitalbereich gefeuert werden. Doch in der Aufregung werden diese Vorschriften oft nicht respektiert.

Beauvois mahnt die Polizisten zu mehr Zurückhaltung und verlangt technische Verbesserungen, denn im jetzigen Zustand seien diese Flashball-Waffen vor allem bei beweglichen Zielen "gefährlich und zu unpräzise". Nach gravierenden Zwischenfällen musste das Innenministerium den Einsatz dieser im Prinzip nichttödlichen Waffe gegen Demonstranten untersagen. Vor den Flashballs hatten bereits die bei Straßenpatrouillen und Ordnungseinsätzen ebenfalls häufig eingesetzten "Taser"-Elektroschockwaffen Anlass zu Bedenken und Beschwerden gegeben.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

3 Kommentare

 / 
  • S
    Schulz

    Das ist unverstaendlich.

    Wohin koennen sich geschaedigte Buerger in Zukunft wenden?

    Einfach an das Ministerium zu schreiben, wird nichts nutzen, das sind Theoretiker.

    Einen Beamten bestechen, bezahlen und selbst auf...

    Recherchesuche gegen den Verdaechtigten gehen, gehen lassen?

    Oder sich mit einer Klage an den Polizeidirektor

    und gleichzeitigen Bewerbung bei der Behoerde

    "raechen"?

     

    Gibts noch was Vernuenftiges?

     

    Kein einziger Betrieb und keine einzige juristische Person arbeitet fehlerfrei...

    aber niemand kann einfach alles tun,

    was gerade lustig oder unlustig ist.

  • E
    Egal

    Im englischen heißen diese Waffen less-lethal weapons. Was soll diese Beschönigung mit Nicht-tötlichen Waffen, das sind Weniger-tödliche Waffen.

  • T
    Thomas

    "Nichttödliche Waffen" sind leider oft gefährlicher als tödliche, weil sie lockerer sitzen.