Kommentar Libyen: Imperialistische Interessen
Ist es ein Zufall, dass im Osten Libyens die reichsten Ölfelder liegen? Genau dort, wo die auserwählten "Rebellen" leben, die von einer Militärintervention profitieren sollen?
D er grüne Daniel Cohn-Bendit liebt Militärinterventionen, sofern sie in imperialistischem Interesse liegen. Es wäre nicht der erste Krieg, in den er andere für sich ziehen lässt, und zu dessen Zweck er immer wieder den NS-Faschismus relativiert: Um zu begründen, warum man Krieg gegen Jugoslawien führen müsse, verglich er 1994 die Lage im belagerten Gorazde mit dem Warschauer Ghetto. Jetzt missbraucht er die Erinnerung an den Spanischen Bürgerkrieg, um einen Krieg gegen Libyen zu rechtfertigen.
Aber warum dieser Krieg? Warum nicht einer gegen Marokko, wo ein absolutistisches Herrscherhaus 1975 den Nachbarstaat Westsahara mit Militärgewalt okkupiert hat und Oppositionelle einkerkern und ermorden lässt? Ich wäre natürlich auch nicht für diesen Krieg - ich teste nur die Logik des grünen Agitators.
Die sahrauische Widerstandsbewegung Polisario gab ihren Partisanenkampf 1991 auf, weil ihr die UN eine Abstimmung mit Chance auf Unabhängigkeit der Westsahara versprach. Seitdem werden die Sahrauis von UN und EU betrogen, denn Marokko kooperiert vorzüglich mit der EU: Gemeinsam werden die Ressourcen der Westsahara geplündert und afrikanische MigrantInnen auf dem Weg nach Europa abgefangen.
Wer ist nun der libysche "Widerstand", den Cohn-Bendit mit Waffen beliefern möchte? Anders als in Ägypten und Tunesien sind es weniger junge Arbeitslose und GewerkschafterInnen, die sich dort erheben. Der Held der libyschen "Rebellen" im Osten des Landes ist ausgerechnet der 1969 gestürzte König Idris, einst der US-Regierung so innig verbunden wie der Schah von Persien.
JUTTA DITFURTH ist freie Publizistin. Sie ist Mitbegründerin der Partei Die Grünen.
Und ist es ein Zufall, dass im Osten Libyens die reichsten Ölfelder liegen? Genau dort, wo die auserwählten "Rebellen" leben, die von einer Militärintervention profitieren sollen? Zwei Vertreter des libyschen "Widerstands" haben die EU und Cohn-Bendit vom Krieg überzeugt. Aber es gibt schätzungsweise 140 "Stämme" in Libyen, über die auch die EU wenig weiß.
Warum muss ich an die Taliban denken, die mithilfe der USA groß wurden? Warum fällt mir Fischers Kosovo/Auschwitz-Vergleich ein, mit dem der Krieg gegen Jugoslawien gerechtfertigt wurde? Oder die Behauptung der USA, der Irak besitze Giftgasfabriken? Einer emanzipatorischen Widerstandsbewegung in Libyen, so es sie gibt, helfen wir am besten ohne Militärintervention - indem wir stärken, was von unten wachsen muss.
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