Gerichtsurteil: Diskriminierung an der Diskotür
Ein dunkelhäutiger Jurastudent verklagt einen Bremer Club, weil dessen Türsteher ihn nicht hineinließen. Dass nicht Rassismus der Grund dafür war, glaubt das Gericht dem Betreiber nicht.
Die Diskomeile am Bremer Hauptbahnhof ist keine sonderlich noble Gegend. Die Betreiber der Diskothek "La Viva" hält dies nicht davon ab, ihren Club als bessere Adresse zu vermarkten: "Generell gilt: Wer durch seine Kleidung zeigt, dass er bei uns einen besonderen Abend erleben möchte, dem stehen unsere Türen selbstverständlich offen" - so steht es auf der Homepage des Clubs.
Carsten J.* scheint jedoch eine Ausnahme von dieser Regel zu sein. Denn für den 29-jährigen, durchaus stilvoll gekleideten Jurastudenten blieben die Türen des La Viva geschlossen. "Regelmäßig" sei das dem dunkelhäutigen J. an Discotüren passiert, sagt er. Doch beim letzten Mal hatte er genug. Und verklagte die Betreiber des La Viva wegen Verstoßes gegen das im Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz (AGG) festgeschriebenen Diskriminierungsverbots.
Am Dienstag verhandelte das Bremer Amtsgericht J.s Klage. Fast genau ein Jahr ist es her, dass J. mit drei Begleiter am Ende einer durchfeierten Nacht ins La Viva wollten. Einer von ihnen war Jens W., der in München als TV-Producer arbeitet. Ihn hatte J. als Zeugen benannt.
Das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG), ein Projekt der letzten rot-grünen Bundesregierung, trat erst 2006 in Kraft.
Wer sich wegen seiner ethnischen Herkunft, Geschlecht, Religion, Behinderung, Alter oder sexuellen Identität diskriminiert fühlt, kann seither zivilrechtlich Schmerzensgeld fordern.
Er muss hierzu "Indizien" liefern, dass gegen das Diskriminierungsverbot verstoßen wurde.
Die Beweislast hat dann der Beschuldigte: Er muss nachweisen, dass kein Verstoß vorliegt.
Nur selten geht es bei AGG-Verfahren um ethnische Diskriminierung: Zwischen 2006 und 2009 war dies nur für vier Prozent aller Klagen die Ursache.
"Ich war vom Stil her genauso gekleidet", sagt W. aus. Doch während die Türsteher den blonden, blauäugigen W. anstandslos passieren ließen, stoppten sie seinen Freund. "Sie sagten ihm: Du passt hier nicht ins Gesamtbild", erinnerte sich W. "Es war total offensichtlich, dass es an der Hautfarbe liegt." Danach wurde "lange diskutiert, aber da ist natürlich nichts bei rausgekommen", sagt W. Die Türsteher hätten dann immer neue Gründe nachgeschoben. "Das wurde denen offensichtlich unangenehm." Am Ende hätten sie behauptet, die "Farbe von seinen Schuhen passt nicht hier rein".
Ein Angestellter des Clubs, der später dazutrat und die Debatte vor der Clubtür beobachtete, sieht das anders: "Vom Äußeren her haben die in den Laden gepasst", sagt er aus. Allerdings sei die Gruppe "angetrunken" gewesen - und habe "gegen den Türsteher gepöbelt".
W. weist dies zurück: "Wir haben gesagt, dass sie Carsten deshalb nicht reinlassen wollen, weil er dunkelhäutig ist. Ist es eine Pöbelei, das zu sagen?" Die Gruppe sei zwar nicht nüchtern gewesen - aber "definitiv nicht so angetrunken, dass wir ein Problem dargestellt hätten".
Auf genau dieses Argument zog sich beim Verhandlungstermin der Vertreter des La Viva zurück. "Um diese Zeit ist das so eine Sache, mit Betrunkenen zu diskutieren. Da sagt keiner von denen: ,Ja stimmt, ich bin betrunken, dann geh ich mal nach Hause'", sagt er. Türsteher müssten "in Sekundenschnelle, hunderte Male pro Nacht" entscheiden, wer ein Problemfaktor sei. W. beeindruckt dies nicht. Er habe genau so viel getrunken wie J. "Dann hätte ich auch nicht reinkommen dürfen."
Wie es aussieht, wird das La Viva F. nun 300 Euro Schmerzensgeld zahlen müssen. Denn die Diskothek konnte ihre Behauptung, ihm sei der Einlass nicht wegen seiner Hautfarbe verwehrt worden, "nicht beweisen", sagte Richter Heinrich Auffahrt am Ende des Prozesstermins. Er schlug den Parteien einen Vergleich vor. Doch das hätten beide als moralische Niederlage betrachtet - und lehnten ab: "Das ist für mich überhaupt keine Diskussion, uns Rassismus vorzuhalten", sagte der La Viva-Vertreter. Auch J. weigerte sich.
"Mir geht es gar nicht so sehr um mich", sagte er. Vielmehr habe er die "Rechtsfortbildung" im Auge - er will ein Urteil gegen die Clubbetreiber, soll das heißen.
"Das ist ein alltägliches Problem, da haben sich die Leute schon viel zu sehr dran gewöhnt." Er kenne "viele Afrikaner, die gar nicht mehr in Diskos gehen, weil sie da sowieso nicht reinkommen". Aber nur sehr wenige wehren sich dagegen. Auch für ihn war dies nur möglich, weil er einen Antrag auf Prozesskostenhilfe gestellt hatte. "Sonst hätte ich mir das gar nicht leisten können."
*Name von der Redaktion geändert
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nahost-Konflikt
Alternative Narrative
Nach der Gewalt in Amsterdam
Eine Stadt in Aufruhr
Putins Atomdrohungen
Angst auf allen Seiten
+++ Nachrichten im Nahost-Krieg +++
IStGH erlässt Haftbefehl gegen Netanjahu und Hamas-Anführer
Die Wahrheit
Der erste Schnee
Krise der Linke
Drei Silberlocken für ein Halleluja