Paschtunen und Muslime in Pakistan: Politischer Rachefeldzug
Bei Kämpfen zwischen Paschtunen und zugewanderten Muslimen sterben mehr als 40 Menschen. Die Gründe sind sowohl politisch als auch wirtschaftlich.
Nach dem Mord an einem Regionalpolitiker sind in Pakistans Wirtschaftsmetropole Karachi bei Zusammenstößen zwischen Anhängern verfeindeter politischer Parteien 46 Menschen getötet und mehr als 120 verletzt worden.
Raza Haider, der als Abgeordneter in der Regionalversammlung der südlichen Provinz Sindh saß, war am Montagabend von vier Angreifern in einer Moschee erschossen worden. Auch sein Leibwächter wurde bei dem Angriff getötet. Haidar gehörte dem "Muttahida Qaumi Movement" (MQM) an, einer Regionalpartei, die in Karachi und dem Sindh vor allem die "Muhajirs" - Urdu sprechende Nachfahren muslimischer Einwanderer aus Indien - vertritt.
Unmittelbar nach dem Mord bildeten sich überall in der Stadt Mobs und machten Jagd auf Anhänger der paschtunischen Minderheit. Denn schon seit Jahren tobt in Karachi eine tödliche Auseinandersetzung zwischen Anhängern der MQM und Mitgliedern der Awami National Party (ANP), die in Pakistans Nordwesten ihre Machtbasis hat und landesweit für die Rechte der Paschtunen eintritt.
Innenminister Rehman Malik machte die verbotene militante Gruppe Sipah-e-Sahaba und die Tehrik-e-Taliban (TTP, Taliban-Bewegung in Pakistan) für den Mord verantwortlich. Sicherheitskreise vermuteten jedoch, dass die Gruppe Lashkar-e-Jhangvi, eine Splitterfraktion der Sipah-e-Sahaba, hinter der Attacke stecken könne. Die Lashkar-e-Jhangvi gilt als eine besonders gewaltbereite Terrorgruppe. Sie folgt dem Wahhabi-Islam, einer konservativen islamischen Strömung, die in Saudi-Arabien Staatsreligion ist.
Bei den ethnischen Auseinandersetzung in Karachi handelt sich auch um einen Kampf um die wirtschaftliche Dominanz. Lange haben die Muhajirs etliche Bereiche der Wirtschaft Karachis kontrolliert. Doch seit die Armee in den vergangenen zwei Jahren mehrere groß angelegte Offensiven gegen militante Gruppen im Nordwesten des Landes gestartet hat, sind zigtausende Paschtunen nach Karachi gekommen und bereiten den lokalen Eliten Konkurrenz.
Die schwersten Überschwemmungen seit der Staatsgründung im Nordwesten Pakistans könnten den Konflikt verschärfen. Denn etliche der mehr als drei Millionen Betroffenen im Katastrophengebiet dürften auf dem Weg nach Karachi sein, um bei Freunden oder Verwandten Zuflucht zu suchen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Anschlag in Magdeburg
Vorsicht mit psychopathologischen Deutungen
Kochen für die Familie
Gegessen wird, was auf den Tisch kommt
Insolventer Flugtaxi-Entwickler
Lilium findet doch noch Käufer
Lohneinbußen für Volkswagen-Manager
Der Witz des VW-Vorstands
US-Interessen in Grönland
Trump mal wieder auf Einkaufstour
Polizeigewalt gegen Geflüchtete
An der Hamburger Hafenkante sitzt die Dienstwaffe locker