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das ding, das kommtZu weich für den Kulturkampf

Ob sie wohl durch das kleine Gummitier getriggert werden, die Wutbürger*innen, die ab April vielleicht auch durch diese Ausstellung laufen werden? Werden sie dann hoffnungsvoll drohend feixen: Dieser „lahmen Ente“ (so nennen sie in den USA ja Politiker*innen im Amt, die nicht wieder zur Wahl antreten) wird schon bald endgültig die Luft ausgehen? Oder werden sie sogar ganz schlicht im Geiste des gemeinen Rassist*innenmobs jenes Wort skandieren, das dieser Mob andernorts ja schon übers Mittelmeer kommenden Flüchtenden entgegenrief: Absaufen, absaufen, absaufen?

Mit einem Angela-Merkel-Quietscheentchen nebst Merkel-Raute jedenfalls wirbt die schon seit den Achtzigern durch die Lande tourende Wanderausstellung „Duckomenta“ jetzt per Presseevent für eine ihrer kommenden Stationen: Ab April dieses Jahres ist die von der vor mehr als 30 Jahren im Umkreis der Braunschweiger Kunsthochschule entstandenen (und heute natürlich in Berlin ansässigen) Künstler*innengruppe Interduck ersonnene Ausstellungsparodie im Landesmuseum Hannover zu Gast. Ein Jahr lang wird sie dort Plastiken und Gemälde zeigen, die zwar berühmten Kunstwerken nachempfunden sind, aber eben jedes Mal Enten zeigen.

Glücklicherweise ginge solchen Wutbürger*innen-Fantasien von einem baldigen, zumindest stellvertretenden Untergang der Kanzlerin im Fall des betreffenden Gummispielzeugs schnell die Luft aus – ganz im Gegensatz zum Entchen selbst nämlich: Tatsächlich sind einerseits alle beiden im Handel erhältlichen Merkel-Quietschfiguren – von denen eine eben jene ist, die nun auch in der Ausstellung zu sehen sein wird – grundsätzlich von Havarien bedroht: Ausdrücklich nicht „kippstabil“ seien sie, betont der Hersteller.

Andererseits: Sie schwimmen zwar nie aufrecht, aber richtig untergehen tun sie auch wieder nicht. Und beim Druckausüben auf den Torso des niedlichen Vinyl-Badezimmer-Dekorationsgegenstands geht dem vorübergehend durchs kleine, wegen der EU-Richtlinien für Kindersicherheit dabei nur ganz leise quietschende Loch auch immer wieder mal die Luft aus – aber eben nur, solange der Druck ausgeübt wird.

Auf der anderen Seite gibt es natürlich auch noch aufrichtige Merkel-Fans, nur quietschen die im Regelfall sehr viel leiser als die gemeine Merkel-Hasser*in. Ein Bekannter von Bundeslandwirtschaftsministerin Julia Klöckner aus dem rheinland-pfälzischen Bad Kreuznach aber schaffte es vor ein paar Monaten bundesweit mit einer ganz unscheinbaren Geste in die Presse, weil er sich via die befreundete Ministerin eine Merkel-Quietscheente (eine von jenen, die nicht in der Ausstellung zu sehen sein werden) von der Kanzlerin höchstselbst im Bundestag hat signieren lassen.

In Wirklichkeit lässt so eine Merkel-Ente die sonst so schnell hochkochenden Wutbürger*innenseelen (im Fall von so genannten Lügenzeitungsenten zum Beispiel)wohl kalt. Dass es in der Ausstellung zu erhitzten politischen Auseinandersetzungen kommt, darf man vorerst also ausschließen.

Andernorts aber ist das eigentlich ja von allen wegen seiner positiven Eigenschaften (weich und elastisch, immer freundlich und quietschfidel) nur geliebte Gummitier in diesem Jahr tatsächlich Gegenstand des Kulturkampfes geworden: Der Schauspieler Hugh Grant bezeichnete den britischen Premierminister Boris Johnson kurz vor dessen Wahl in sozialen Medien als „überbewertetes Gummibadespielzeug“. Robert Matthies

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