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Digitalisiertes Streetart-Original

Hamburgs ganz besonderer 68er: Die Dokumentation „Eiffe for President“ von 1995 erscheint als DVD

Von Wilfried Hippen

Er gilt als erster Graffitikünstler Deutschlands. Im Mai 1968 schrieb Peter Ernst Eiffe innerhalb von wenigen Tagen Sprüche wie „Eiffe der Bär ist lieb, stark und potent“ oder „Wer Krieg will, stirbt. Eiffe lebt lange“ an zahlreiche Flächen an Hamburger Straßen und in U-Bahnstationen. So viele, dass er es zum Stadtgespräch brachte – zumal er damals neu auf den Markt gekommene, wasserfeste Filzstifte benutzte.

Auch signierte Eiffe bei einer Miss-Wahl an der Uni die Gewinnerinnen-Schulter mit haltbarem Filzsitft. Eine Veranstaltung des Sozialistischen Deutschen Studentenbunds (SDS) sprengte er, indem er die Wortführer aus einer Wasserpistole bespritzte. Als er aber am 30. Mai 1968 mit seinem Fiat in die Wandelhalle des Hauptbahnhofs fuhr und die „Freie Republik Eiffe“ ausrief, kam die Polizei. Eiffe wurde in die Psychiatrie eingewiesen, war ab 1970 in einem anderen Krankenhaus untergebracht, aus dem er Ende 1982 floh. Im März 1983 wurde seine Leiche aufgefunden, man geht von Suizid aus.

Schon 1968 veröffentlichte Uwe Wandrey ein Bändchen mit Eiffes „Streetart“, auch in Uwe Timms Roman „Heißer Sommer“ wurde er verewigt. 1995 begab sich der Hamburger Filmemacher und Gründer des Kollektivs „Die Thede“, Christian Bau, auf Spurensuche; heraus kam die Dokumentation „Eiffe for President – Alle Ampeln auf Gelb“.

Mit einer Mischung aus inszeniertem und dokumentarischem Material war Bau damals formal seiner Zeit voraus. Inhaltlich gelang ihm ein komplexes Porträt, in dem etwa der Schauspieler Uwe Friedrichsen erzählt, wie Eiffe einst auf ihn wirkte; Pfleger schildern dessen Niedergang in der Psychiatrie, und Eiffes Tochter spricht über den Vater, den sie nie gesehen hat. Nebenbei erzählt Bau auch von den Apo-Zeiten in Hamburg – komisch und entlarvend etwa, was (und wie) der Gründer des Hamburger SDS erzählt, Reinhold Oberlercher, der später zum Neu-Rechten wurde.

Der 65 Minuten lange Film ist nun als DVD erhältlich, zusammen mit einem Begleitbuch, in dem Eiffe unter anderem in die Tradition der französischen Surrealisten eingeordnet wird. Auch einen Auszug aus Uwe Timms „Heißer Sommer“ findet sich darin – und weil dieser Roman in der Subkultur der DDR eine Art Kultstatus erlangt hat, kommt es zu einer schönen Pointe: Am nachhaltigsten haben Eiffes Sprüche in Ostdeutschland gewirkt.

Film- und Buchvorstellung mit Gästen: Di, 29. 10., 19 Uhr, Hamburg, Metropolis. Im November folgen weitere Veranstaltungen

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