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Die letzte Messe

Was rund um den Tod so alles möglich ist, ist am Wochenende in Hamburg zu erfahren

Von Philipp Effenberger

Der Tod eines Angehörigen ist eine traurige und schmerzvolle Angelegenheit. Spätestens nach der Bestattung stellt man sich selbst die Frage: Wie möchte ich eigentlich sterben und bestattet werden? Als sich der Messeveranstalter Dieter Holhorst vor vier Jahren mit dem Thema auseinandersetzte, kam er auf die Idee, eine Bestattungsmesse in Hamburg zu veranstalten. Sein Sohn hatte den passenden Namen parat: Happy End.

Was im ersten Moment pietätlos klingen mag, entlarvt, wie sehr das Thema „Tod“ ein Tabu in unserer Gesellschaft ist. Dabei wünschen sich doch alle ein glückliches Ende ihres Lebens. Als „eine offene, transparente und respektvolle Annäherung an die Tabuthemen Sterben, Tod und Bestattung“ möchte Holhorst sein Anliegen verstanden wissen.

Die Messe findet dieses Jahr zum dritten Mal in Hamburg statt. Unternehmen, Vereine und Initiativen stellen sich und ihre Arbeit an Infoständen vor. Thematisiert werden unterschiedlichste Bestattungsformen – von der Seebestattung bis hin zur Beisetzung der Asche im Friedwald. „Die Szene ist im Wandel und die Ansprüche der Menschen verändern sich“, beobachtet Holhorst.

Wer seiner verstorbenen Angehörigen lange gedenken möchte, hat heute viele Alternativen zur kostspieligen Verlängerung der Ruhezeit eines Friedhofgrabes von 25 Jahren. Die Erinnerungskultur wird kreativer – aber auch skurriler. Die Asche der Verstorbenen lässt sich beispielsweise unter großer Hitze und hohem Druck zu Edelsteinen pressen. Angehörige können dadurch die letzten Überreste des Verstorbenen in Form von Ketten oder Ringen bei sich tragen.

Aus der Lieblingskleidung der Verstorbenen lassen sich Kuscheltiere nähen, um Kindern das Trauern zu erleichtern. Außerdem werden Erinnerungsgärten immer beliebter. Dabei handelt es sich um Abschnitte auf dem Friedhof, auf denen keine Beisetzungen stattfinden, dafür aber kleine Erinnerungen an die Verstorbenen aufgestellt werden können.

Doch nicht nur die Erinnerung, sondern auch die Zeit vor dem Tod wird auf der Messe angesprochen. Verschiedene Stände informieren zu Hospiz- und Palliativversorgung, Sterbe- und Trauerbegleitung, Altenpflege und Hilfe bei Demenz. Erstmals wird auch das Thema Tod und Sterben im Islam in Form eines Vortrags behandelt.

Die Messe richtet sich nicht an ein Fachpublikum, sondern an alle Menschen. Erfahrungsgemäß hätten die BesucherInnen meist einen aktuellen Anlass, sagt Holhorst. Beispielsweise Hinterbliebene, die eine Beisetzung als schrecklich empfunden haben und deswegen nun auf der Suche nach Alternativen sind. Um die Tausend BesucherInnen werden erwartet.

Der Eintritt ist kostenlos – der Tod jedoch nicht. Für eine günstige Bestattung müssen die Angehörigen der verstorbenen Person weit mehr als Tausend Euro aufbringen. Angehörige mit geringem Einkommen können zwar eine Übernahme der Kosten beim Sozialamt beantragen. So richtig würdevoll sei das aber nicht, meint Holhorst. „Man kommt ja auch umsonst auf die Welt“, resümiert er – und wünscht sich für die Zukunft die Möglichkeit günstiger oder kostenloser Grundbestattungen für alle.

So, 11. 11., 11–17 Uhr, Hamburg, Forum Ohlsdorf, Friedhof Ohlsdorf. Eintritt frei

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