: Die schöne neue Welt derMiss Gunst
Das soziale Netzwerk Instagram lebt von Selbstinszenierung: Leute posten Fotos von sich selbst, schönen Reisen, gutem Essen, teuren Kleidern – und manche machen Neid zu Geld
Leslie Huhn verdient ihr Geld mit Leslie Huhn. Die 27-jährige Influencerin betreibt einen Instagram-Kanal und ein nach ihr benanntes Modelabel. Über 700 Fotos dürfen Instagram-Nutzer auf ihrem Kanal bewundern: Leslie Huhn in Venedig, beim Eis essen, auf einem Musikfestival. Ganz schön viel Leslie Huhn könnte man meinen.
Mehr als 330.000 Menschen scheinen genau das zu wollen. Sie alle haben ihren Kanal abonniert und sehen jedes neue Bild automatisch auf ihrer Instagram-Startseite.
Auf beinahe allen Fotos bewirbt Huhn Produkte, Dienstleistungen und – natürlich – das eigene Label. In Venedig präsentiert sie ihr – dank Oral-B – strahlend weißes Lächeln. Beim Eis essen ist das neue Armband nicht zu übersehen. Huhn inszeniert das Leben des „Mädchens von Nebenan“, nur eben etwas sportlicher, etwas stilsicherer, etwas schöner: ein Stakkato der Hochgefühle. Ihre Abonnenten kommentieren die Fotos schmeichelnd, bewundernd, aber auch boshaft.
Huhn liest jeden einzelnen Kommentar, sie liest „Deine langen Beine sind einfach perfekt“, liest „Ich liebe dein Outfit“, aber auch „Du hast eine schiefe Nase“. „Mir ist bewusst, dass die Art, wie ich mich online präsentiere, manche Menschen neidisch macht“, sagt sie.
Leslie Huhn lebt ein Leben, von dem viele träumen. Sascha Schulz hat aus diesem Traum einen Beruf gemacht. Er ist einer der Gründer der in Berlin ansässigen Influencer Marketing Academy, die professionelle Blogger aus- und weiterbildet.
Viel zu viele Fotos
InfluencerInnen haben eine neue Art des Marketings möglich gemacht: Für ihre in Szene gesetzten Fotos und beiläufig platzierten Produkte kassieren sie mehrstellige Gagen. Für die Unternehmen ist diese Art der Werbung günstiger als klassische Kampagnen.
„Deutlich mehr Menschen als vor fünf Jahren posten Fotos von sich selbst – in schicken Outfits oder auf tollen Reisen. Das erzeugt wahnsinnigen Neid in der Gesellschaft“, sagt Schulz. Vor allem das Aussehen der Influencer, deren Lächeln und positive Ausstrahlung seien es, die Neid schürten – mehr noch, als die Statussymbole, die sie zur Schau stellten. Die Selbstdarstellung in den sozialen Netzwerken macht es den Nutzern einfacher, sich mit anderen zu vergleichen. Idealisierte Bilder, die oftmals nicht der Realität entsprechen, führen somit zwangsläufig zu Neid.
Aber nicht immer muss dieser Neid negativ sein: Fitness-Blogger beispielsweise können zu einer gesünderen Lebensweise anspornen. Und er kann als Antrieb dienen, sich etwas zu leisten. Dann hat der Influencer einen guten Job gemacht.
„Als Mädchen war ich öfter mal auf Materielles neidisch, weil ich damals dachte, dass ich so etwas selbst nie bekommen könnte“, erzählt Huhn. Bekam die Schulfreundin eine neue Handtasche geschenkt, wollte sie die gleiche haben – mindestens. Sie arbeitete in den Schulferien, um sich die Tasche selbst zu kaufen.
Heute spielt sie die Rolle derjenigen, die beneidet wird. Ihrem Profil sieht man die Regiearbeit hinter der Inszenierung nicht an. Huhn erzählt davon und zeigt, wie es ist, den neuen Bikini das erste Mal am Strand zu tragen, aber nicht, wie es sich mit Jetlag als Dauerzustand lebt. Sie zeigt die Fendi-Sonnenbrille in der Frühlingssonne, nicht die stundenlangen nächtlichen Geschäftstelefonate.
„Wenn Menschen bereits unzufrieden mit sich oder ihrer Situation sind, glaube ich schon, dass manche weiter entmutigt werden statt aufgebaut, während sie sich meine Fotos anschauen. Dann werde ich vielleicht spontan zum Sündenbock“, überlegt Huhn. Auf negative Nachrichten und Kommentare antwortet sie persönlich. Meistens entschuldigten sich die Personen hinterher für ihr Verhalten; oft sei der Angriff aus einem Impuls heraus geschehen.
Viel zu viel Neues
Ruben Jacob Fees hat oft Influencer wie Leslie Huhn fotografiert. Der 26-jährige Fotograf hat in seiner zehnjährigen Laufbahn nicht nur miterlebt, wie Influencer mit Neid umgehen. Auch an sich selbst hat er beobachtet, dass der Grat zwischen Inspiration und Neid schmal ist. „Das liegt daran, dass man einfach übersättigt ist. Alle paar Minuten erscheint ein schöneres Bild, eine neue Story und irgendjemand irgendwo macht immer etwas Besseres oder ist erfolgreicher“, erklärt er.
„Ich hatte eine normale Kindheit, rannte über Wiesen und kletterte auf Bäume“, erzählt er. „Als ich 14 wurde, änderte sich das.“ Er gehöre zur ersten Generation von SchülerVZ und Facebook. „Heute bemessen viele ihr Ego in der Onlinewelt“, sagt er, dabei könne man auch ohne Internet glücklich sein.
Insbesondere Teenager seien anfällig für Neid: In einer Phase, in der sie Rollenbilder suchten, sehen sie, wie normale Leute mit Banalitäten erfolgreich werden. Fees habe beobachtet, dass man in den letzten Jahren mit den anspruchslosesten Inhalten berühmt werden könne. Menschen zeigen sich beim Kochen, Schminken und beim Shoppen.
Und Huhn? Ist sie neidisch auf Influencer, die erfolgreicher sind als sie selbst? Das letzte, worauf sie neidisch sei, sagt Huhn, sei die Anzahl der Follower unter ihren Kollegen. „Es heißt zwar, Zahlen lügen nicht, aber auch im Film-, oder Musikgeschäft sagt finanzieller Erfolg nicht alles über die Qualität aus. Bei uns Influencern ist das genauso.“
Nhi Bui, Nikolai Regehr und Sebastian Franz
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