: Rotorblätter haben kritische Fasern
Die Windbranche sucht Verwertungswege für alte Verbundwerkstoffe. Für Glasfaser-Kunststoffe gibt es schon einige taugliche Verfahren
Von Bernward Janzing
Die Windkraft hat Faserverbundwerkstoffe ins Blickfeld der Öffentlichkeit gerückt – unter dem Aspekt des Recyclings. Denn Glasfaserverstärkter Kunststoff (GFK), auch Fiberglas genannt, ist eine wichtige Komponente der Rotorblätter. Mitunter wird auch der teurere Carbonfaserverstärkte Kunststoff (CFK) eingesetzt; dort nämlich, wo die Anforderungen an die Blätter besonders hoch sind, also vor allem auf See.
Dass nun ausgerechnet mit der Windkraft das Entsorgungsthema aufkommt, liegt nicht in erster Linie an der verarbeiteten Menge. Denn nach Zahlen der Industrievereinigung Verstärkte Kunststoffe (AVK) entfallen nur etwa 14 Prozent des europäischen CFK-Verbrauchs auf die Windindustrie. Größter Verwender des Stoffs ist die Luftfahrt.
Beim GFK gibt es unterdessen nur Zahlen für die gesamte Konstruktionsbranche, zu der auch die Windindustrie gehört; dieser ganze Sektor kommt auf einen Anteil von 34 Prozent. Ähnlich große Mengen entfallen auf Verkehrsmittel (35 Prozent) und auf die Elektronik- und Sportgeräteindustrie (30 Prozent).
Die Windkraftanlagen sind aber etwas Besonderes. „Bei der Windkraft kommen große Mengen auf einmal zusammen, die es separat zu verwerten lohnt“, sagt Elisa Seiler, Ingenieurin am Fraunhofer-Institut für Chemische Technologie (ICT) in Pfinztal bei Karlsruhe. Im Automobil- oder im Freizeitsektor würden Faserverbundwerkstoffe oft nicht separat sortiert und landeten dann als Restmüll oder sogenannte Schredderleichtfraktion in der Verbrennung: „Die Aussortierung der Faserverbundwerkstoffe wäre hier sehr aufwändig.“
Bislang gehen GFK-Abfälle aus Rotorblättern vor allem in die Zementindustrie. Die Firma Neocomp in Bremen zerkleinert und bearbeitet sie, um sie als Brenn- und Rohstoff nutzbar zu machen. Beim Zementproduzenten Holcim ersetzt der GFK-Müll dann Kohle, Kreide, Sand und Aluminiumoxid. „Die aus GFK-Rotorblättern hergestellten Ersatzbrennstoffe können zurzeit vollständig verwertet werden“, teilte das niedersächsische Umweltministerium im vergangenen Sommer auf eine Anfrage der FDP mit.
Eine erneute stoffliche Nutzung der Glasfasern – was wirkliches Recycling wäre – erfolgt allerdings bislang nicht. Lediglich eine Firma in Dänemark setze GFK aus Abfällen in Lärmschutzwänden ein, sagt ICT-Wissenschaftlerin Seiler. Das fällt dann aber unter den Begriff des Downcyclings, weil die Wertigkeit des Nachfolgeprodukts gegenüber dem Ursprungsprodukt erheblich verringert ist.
Die Rückgewinnung faserverstärkter Kunststoffe zur erneuten Nutzung in hochwertigen Produkten ist unterdessen Ziel eines Forschungsprojekts am ICT. Dafür werden die Faserkomponenten mittels chemischer, thermischer und mechanischer Verfahren separiert. „Technologisch funktioniert das“, sagt Seiler. Die Wirtschaftlichkeit wurde allerdings noch nicht untersucht.
Beim billigeren GFK ist der kommerzielle Anreiz zur Rückgewinnung geringer als beim deutlich teureren CFK. Auch aus Umweltsicht ist eine stoffliche Verwertung der Kohlefasern dringender, weil die Abfälle ökologisch gesehen viel heikler sind. Das liegt vor allem daran, dass deren Verbrennung kritisch ist. Zum einen ist CFK ein erheblicher Störfaktor in den Müllöfen, weil das Material Strom leitet und so zum Ausfall der Elektrofilter führen kann. Zum anderen können die CFK-Fasern bei der Verbrennung so klein werden, dass sie lungengängig und damit krebserregend werden. Die Entsorgung von CFK sei „noch nicht gelöst“, warnt dann auch das Umweltministerium Niedersachsen in seiner Stellungnahme.
Vor allem, weil der CFK-Einsatz in der Industrie steigt, muss schleunigst ein Entsorgungskonzept her. Das betrifft die Branche der Windkraft als eine von vielen. Nach Prognosen der Industrievereinigung AVK wird im Jahr 2020 der Fahrzeugbau – das Leichtbau-Elektroauto lässt grüßen – weltweit an der Spitze der CFK-Verbraucher stehen. Auf Platz zwei wird dann die Luftfahrt inklusive Verteidigung stehen, ehe die Windkraft folgt mit rund 12 Prozent des weltweiten Verbrauchs.
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