Ex-RAF-Mitglied entschuldigt sich: Ein Anfang, immerhin
Silke Maier-Witt hat sich auf ein Treffen mit dem Sohn des ermordeten Hanns-Martin Schleyer eingelassen – und sich entschuldigt.
So steht sie mal wieder im Licht der Medien, die RAF, linksterroristische Gruppe, die von den frühen siebziger bis zu den neunziger Jahren ihren Krieg gegen die Bundesrepublik führte: Vorige Woche fand ein von der Bild-Zeitung arrangiertes Treffen zwischen der früheren RAF-Angehörigen und bekennenden Nichtmörderin Silke Maier-Witt und Jörg Schleyer, Sohn des von der RAF während des sogenannten Deutschen Herbstes 1977 ermordeten Hanns-Martin Schleyer, statt. Und zwar in Skopje, der Hauptstadt Mazedoniens, wo Maier-Witt seit vielen Jahren lebt.
Sie, inzwischen in Rente, arbeitete dort nach einer Ausbildung als „Friedensfachkraft“, hatte der Begegnung zugestimmt, sie gilt unter ihren alten Kamerad*innen seit jeher als eine, die das Schweigegelübde zu allem, was sich einst in der RAF abgespielte, brechen würde. Und vor gut zehn Jahren in gewissen Grenzen schon brach: Damals hatte sie in einem Gespräch mit der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung auf die Frage, warum die bundesdeutsche Gesellschaft nach wie vor so aufgewühlt über die Zeit der RAF und den Terrorismus spreche, geantwortet: „Die Verletzungen sitzen sehr tief. Ich dachte auch in meinem Fall: Irgendwann hört das auf. Aber es hört nicht auf. Ich werde immer wieder damit konfrontiert auf die eine oder andere Weise.“
Tatsächlich mag Maier-Witt an dem Gespräch mit dem Sohn Schleyers interessiert sein, existenziell wichtig war (und womöglich bleibt) das Treffen für Jörg Schleyer: Er und seine Familie wissen nach wie vor nicht, wie ihr Vater ums Leben gebracht wurde; wer ihn konkret während der Geiselnahme demütigte und in eine kleine Zelle sperrte; wer in welcher Weise an der mörderischen Verschleppung teilhatte – und wer ihm den Genickschuss verpasste.
Das linksradikale und linksautonome Milieu der Bundesrepublik, dessen Sympathisantenschar bis weit in linksbürgerliche Schichten wirkte, hatte solchen Fragen für unwichtig gehalten – ja, wie viele womöglich bis heute die Schleyer-Entführung (und die Ermordung etwa von Generalbundesanwalt Siegfried Buback) legitimiert, indem sie auf die Mitgliedschaft Schleyers während des Nationalsozialismus in der SS verwiesen. So einer, so die damalige Atmosphäre, hat doch als Exnazi und „Kapitalistenschwein“ (Schleyer war Arbeitgeberpräsident) den Tod verdient.
Staksig und distanziert
Die emotionale Kälte dieser Haltung musste schon damals erstaunen, aber sie währt recht eigentlich bis in diese Tage: Silke Maier-Witt ist die erste aus dem verwesenden RAF-Milieu, die sich ernsthaft an so etwas wie Aussöhnung, Erklärung, Reue und die Bitte um „Verzeihung“ heranwagt – einer wie Peter-Jürgen Boock, auch Teil der RAF während der Schleyer-Entführung und -ermordung, hat zwar öfter Auskunft gegeben zur damaligen Zeit, aber stets in Worten, die kaum als anteilnehmend am Leid ihres Opfers und seiner Angehörigen empfunden werden konnten.
Jetzt gab Maier-Witt der Bild zu Protokoll: „Eigentlich habe ich immer versucht, mich damit (der Schleyer-Entführung; d. Red) auseinanderzusetzen. Aber die eigentliche direkte Konfrontation mit Ihnen zum Beispiel habe ich nicht gesucht. Dafür möchte ich mich auch noch mal entschuldigen. Weil ja nun wirklich Zeit verflossen ist. Das hätte ich ja auch schon längst mal von mir aus versuchen können. Das war eine gewisse Feigheit, die ich mir auch jetzt noch übel nehme.“
Das ist, auch wenn die Sprachformel vom „übel nehmen“ staksig und distanziert klingt, ein Anfang. Jetzt wüsste man gern noch mehr: Was war am Morden (oder der Drohung) so attraktiv? Welche echten Gründe hatte die RAF, Angst und Schrecken zu verbreiten – und nicht davor zurückzuschrecken, sogenannte kleine Leute zu töten? Oder war die RAF vor allem dies, was mit der Distanz von vier Jahrzehnten erst kenntlich wird: Reichsbürger – nur linke?
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