piwik no script img

"HIRSCHOF" IN PRENZLAUER BERGAnwohner wollen Park für sich

In den 80ern machten DDR-Oppositionelle aus Höfen an der Oderberger Straße einen Park. Nun klagen Wohnungseigentümer auf ihren Gartenanteil.

Röhrendes Unrecht: Ein echter Hirsch wie dieser steht freilich nicht im Hof Bild: ap

Wenn Ursula Altmann* in den Park hinter ihrem Haus geht, betritt sie einen geschichtsträchtigen Ort. Geschichte, die sie selbst miterlebt und mitgeschrieben hat. Die Künstlerin lebt seit 45 Jahren an der Oderberger Straße. Seit 25 Jahren gibt es hinter ihrem Haus den Hirschhof, ein kleines Stück verborgener Natur hinter den Fassaden des Prenzlauer Bergs. Zu DDR-Zeiten hatten Anwohner die Höfe verschiedener Häuser zu dem grundstücksübergreifenden Park zusammengelegt. Nun ziehen heutige Wohnungseigentümer vor Gericht, weil sie ihr Stück vom Garten für sich haben wollen.

Noch treffen sich hier Kinder zum Spielen und Erwachsene zum Austausch. Hohe Bäume spenden Schatten, auf dem Weg dazwischen steht der Namensgeber des kleinen Parks, ein Hirsch aus Metallschrott. An der Tischtennisplatte wird oft gespielt, erzählt Altmann. Genauso wie auf dem Spielplatz. In der Ecke ist ein kleines Amphitheater mit Mosaiken auf den Stufen.

Beinahe hätte es den Hirschhof nicht gegeben, denn in den 80er Jahren sollten die Häuser im Dreieck Oderberger Straße, Kastanienallee, Eberswalder Straße abgerissen und durch DDR-Plattenbauten ersetzt werden. Dem Widerstand der Anwohner, darunter vielen Künstlern, ist es zu verdanken, dass die Gründerzeithäuser heute noch stehen. Kurz darauf wurde der Hirschhof als Ort für alle angelegt. Ein Ort, auf den wegen der Treffen der Untergrundkultur auch die Staatssicherheit ein Auge hatte.

Normalerweise schweigt hier die Stadt, die Geräusche der Straßen scheinen nicht mehr zu existieren. Doch im Augenblick ist es anders. Nebenan wird gebaut. Deswegen ist der Hirschhof momentan nicht für die Öffentlichkeit zugänglich. Und ob er je wieder vollständig offen sein wird, ist fraglich. Wohnungseigentümer aus einem der angrenzenden Häuser haben gegen das Bezirksamt Pankow geklagt. Sie wollen den Garten hinter ihrem Haus. Eingezäunt. Am heutigen Freitag kommt das Verwaltungsgericht zu einer Ortsbesichtigung.

"Die Anwohner haben Gartenanteile zusammen mit den Wohnungen erworben und wollen sie auch dementsprechend nutzen", erklärt der Anwalt der Eigentümergemeinschaft, Frank Boermann. Das Bezirksamt Pankow habe in der Vergangenheit gute Chancen vorbeiziehen lassen, das Grundstück zu erwerben. Nun aber würde es relativ grob versuchen, an die Grundstücke zu kommen.

Das Bezirksamt hingegen möchte, dass der Hirschhof der Öffentlichkeit zugänglich bleibt, um Grünanlage mit Spielplatz daraus zu machen. Auf einem Nachbargrundstück wird bereits an einer solchen Anlage gebaut. Laut Bebauungsplan besteht ein dringendes öffentliches Interesse an dem Vorhaben. Unter anderem, weil es in der Umgebung so wenig Grünflächen gebe.

Daher will der Bezirk vor Gericht nachweisen, dass das Areal schon früher als Grünanlage genutzt wurde und daher dem Grünanlagengesetz unterliegt. Damit wären Sanierung und öffentliche Nutzung legitim.

Ursula Altmann reagiert enttäuscht, als sie von der Klage erfährt. "Was haben wir hier alle schon gekämpft", sagt sie. Sie war dabei, als die Häuser abgerissen werden sollten. Als der Hirschhof entstand und künstlerisch gestaltet wurde. Sie gärtnert im Park und räumt auf, weil keine Landschaftspfleger mehr in den Hirschhof kommen, seit gebaut wird. Am liebsten wäre es ihr, wenn alles so bliebe wie es ist.

*Name geändert

40.000 mal Danke!

40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

1 Kommentar

 / 
  • P
    Peter

    Spätestens seit der Sanierung der Häuser in der Oderberger Strasse und der Castingallee und der damit verbundenen Neubelegung wurden die gewachsenen sozialen Strukturen in dem Kiez nachhaltig zerstört. Nachbarschaftliche Strukturen habe ich dort kaum noch erlebt. Jeder für sich, alles schön abgegrenzt- fehlen nur noch markierte Parkplätze auf der Strasse...

    Das ist die Logik des Kapitals- MEINS! wer will denn schon seinen Garten mit irgendwelchen Leuten teilen?!

     

    Mit dem kleinen Park-KLeinod würde man die letzten Überreste der DDR-Kultur in diesem Kiez vernichten.

    Bitte nicht! Sollte man lieber unter Denkmalschutz stellen!

     

    Ich habe dem Kiez vor ein paar Jahren den Rücken gekehrt weil mir die wahllose Vernichtung kultureller und sozialer Räume zugunsten irgendwelcher Kapitalanlagen zu sehr gegen den Strich ging. Das habe ich auch noch nicht bereut. In meinen jetzigen Garten würde der Hirschhof 4 mal reinpassen- dafür ist es allerdings leider recht einsam hier...